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Zwei Weltkonzerne im Bruderzwist

Es war der „Weltfriedenstag“ 2009. Nach 60 Jahren erbitterter Rivalität gingen Adidas und Puma erstmals aufeinander zu. Gemeinsam standen an jenem Septembertag Mitarbeiter beider Konzerne auf dem Fußballplatz. In zwei gemischten Teams lieferten sich die Beschäftigten der beiden größten europäischen Turnschuh-Hersteller ein munteres, faires Spiel. Mit dabei auf dem Feld: der damalige Adidas-Boss Herbert Hainer und Jochen Zeitz, der zu jener Zeit Puma führte. Die PR-Strategen zwei Sportausrüster verkündeten einen „historischen Handschlag“.

Das war nicht untertrieben. Der Friede von Herzogenaurach, er war alles andere als selbstverständlich. Obgleich die Gründerfamilien schon lange nichts mehr zu sagen hatten, blieben Management und Mitarbeiter beider Seiten auf Distanz. So war es fast immer seit Ende der 1940er-Jahre, seit sich die Geschwister Dassler zerstritten.

Um den Ursprung der Auseinandersetzung zwischen Puma-Gründer Rudolf Dassler und Adolf „Adi“ Dassler ranken sich viele Gerüchte. Eigentlich ein Wunder, dass es so lange dauerte, bis der erste Spielfilm des Bruderzwists ins Fernsehen kam. Vor genau einem Jahr, am Karfreitag 2016, hatte RTL den Streit der fränkischen Alphatiere auf den Bildschirm gebracht. Der Streifen beschränkte sich jedoch auf die Zeit zwischen 1924 und 1954.

Die ARD beleuchtet am Wochenende nun das spannungsreiche Verhältnis der Geschwister über einen längeren Zeitraum, über fünf Jahrzehnte. Der erste Teil des dreistündigen Familiendramas „Die Dasslers – Pioniere, Brüder und Rivalen“ läuft an Karfreitag zur besten Sendezeit nach der Tagesschau, der zweite Teil auf demselben Sendeplatz am Karsamstag.

Der hoch emotionale Zweiteiler beginnt und endet im Jahr 1974 mit den letzten Monaten im Leben von Rudolf Dassler. Im ersten, anderthalbstündigen Part werden die Anfänge der Dassler-Brüder beschrieben, die Aufbau-Jahre der gemeinsamen Schuhfabrik in ihrer fränkischen Heimat Herzogenaurach nach dem Ersten Weltkrieg.

Es folgen die triumphalen Olympischen Spiele 1936, in denen die Brüder den amerikanischen Superstar Jesse Owens gegen den Widerstand der Nazis mit ihren Schuhen ausrüsteten; bis zu dem bitteren Moment, als Rudi zur Wehrmacht eingezogen wird, Adi jedoch die Firma weiter führen darf.


Adidas hat meist die Nase vorn

Der zweite Teil startet mit Rudis Fahnenflucht in den letzten Kriegstagen, erzählt, wie sich brüderlicher Zwist zu einem tiefen Zerwürfnis auswächst. Rudi verdächtigt seinen Bruder, dass er ihn bei der US-Armee angeschwärzt hat. Er wird interniert. Aus dem schon lange vorhandenen, tiefen Misstrauen entwickelt sich gegenseitiger Hass. Es kommt zur Trennung. Adi Dassler gründet Adidas, Rudolf die Firma Puma. Beide Unternehmen entwickeln sich gut, aber Adidas meist ein bisschen besser als Puma. Heute ist die Marke mit den drei Streifen weltweit die Nummer zwei hinter Nike und etwa fünfmal so groß wie Puma.

In den Hauptrollen: Christian Friedel, der Adi Dassler als zurückhaltenden, aber gewieften Tüftler darstellt. Hanno Koffler spielt dessen Bruder Rudi, gibt den Frauenheld, den umtriebigen Geschäftsmann, den Draufgänger.

Fast so wichtig wie die Männer sind in der Dauerfehde die Ehefrauen. Hannah Herzsprung spielt eine selbstbewusste, eigenständige Käthe Dassler, die Gattin von Adi. Ihre Widersacherin ist Friedl Dassler, die Frau an Rudis Seite. Im Film kommt sie als treusorgende Ehefrau daher, gespielt von Alina Levshin. Regie führten Cyrill Boss und Philipp Stennert.

Bis heute sind Adidas und Puma erbitterte Konkurrenten, die um jeden Zentimeter Platz in den Sportgeschäften kämpfen, die sich mitunter sogar vor Gericht zoffen. Noch immer wird jeder neue Schuh des Rivalen von der anderen Straßenseite argwöhnisch betrachtet, werden die Quartalszahlen auf den Fluren der nur wenige Hundert Meter voneinander entfernten Hauptquartiere eingehend analysiert. Dabei sitzt der größte Konkurrent längst jenseits des Atlantiks: Weltmarktführer ist die US-Marke Nike.

Von der persönlichen Gegnerschaft der Dasslers ist heute allerdings nichts mehr zu spüren in den Konzernzentralen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass in den beiden Unternehmen inzwischen seit drei Jahrzehnten familienfremde Manager das Sagen haben. Die derzeitigen Vorstandschefs, bei Adidas der Däne Kasper Rorsted und bei Puma der Norweger Björn Gulden, kennen die Familienfehde nur noch vom Hörensagen. Als Rorsted im Herbst in Herzogenaurach antrat, da dauerte es daher auch nicht lange, und er saß mit Gulden beim Abendessen zusammen.

Trotzdem lohnt es sich, einzuschalten. Zeitzeugen in Herzogenaurach, die Adi und Rudolf Dassler noch persönlich erlebt haben, beurteilen den Zweiteiler ausgesprochen positiv. Auch wenn die Story weitgehend bekannt ist, so hinterlässt sie den Betrachter doch nachdenklich zurück. Einerseits macht es betroffen, wenn sich zwei Brüder und deren Familien fast 30 Jahre lang bekämpfen.

Gleichzeitig hat der Streit aber auch eine positive Seite. Durch den erbitterten Konkurrenzkampf sind in einer unscheinbaren Provinzgemeinde zwei Weltkonzerne in unmittelbarer Nähe entstanden. Zwei Firmen, die Jahr für Jahr wachsen. Mehr noch: Alles sieht danach aus, als hätten Adidas und Puma die besten Zeiten noch vor sich.

KONTEXT

Die Baustellen von Adidas

Anspruchsvolles Erbe

Für den Sportartikelkonzern Adidas läuft es zur Zeit richtig gut. So gut, dass sich der seit rund einem halben Jahr amtierende Vorstandschef Kasper Rorsted schon des Öfteren die Frage gefallen lassen musste, ob es nicht eine Bürde sei, die Führung eines Unternehmens zu übernehmen, das in so guter Verfassung ist. Um eine Antwort nicht verlegen, konterte der 55-jährige Däne stets mit einem Bild aus der Welt des Fußballs: Lieber trainiere er einen Club aus der Champions League als einen Verein aus der zweiten Liga. Einige Baustellen hat Rorsted indes von seinem Vorgänger Herbert Hainer geerbt.

US-Geschäft braucht weitere Investitionen

Die USA waren vor einigen Jahren noch ein Problemmarkt. Um das zu ändern, pumpte Langzeit-Chef Hainer viel Geld ins Marketing und orientierte sich stärker am Geschmack der Amerikaner. Inzwischen ist Adidas bei der jungen Zielgruppe wieder angesagt. Rorsted muss aber weiterhin viel in den USA investieren. Der Abstand zu Marktführer Nike ist noch immer gewaltig und auch die anderen Konkurrenten schlafen nicht. "Der Wettbewerb wird intensiver werden", prophezeit Matt Powell, Analyst beim Marktforscher NPD Group. Innovative Produktionswege, Schnelligkeit und Nachhaltigkeit seien entscheidend, um langfristig Erfolg zu haben.

Unsicherheitsfaktor Trump

Welche Auswirkungen die Politik des neuen US-Präsidenten Donald Trump auf deutsche Unternehmen hat ist derzeit noch ein Rätsel. Sollte es allerdings zu den befürchteten Importsteuern kommen, könnte das Adidas oder auch Puma empfindlich treffen, glaubt Julian Easthope von der britischen Bank Barclays. Die meisten Waren der Sportartikelhersteller würden in Asien hergestellt. Es sei gut möglich, dass die Konzerne erwägen, bald mehr lokal zu produzieren.

Schwebender Golf-Verkauf

Beim Verkauf der Golfmarken Taylormade, Adams und Ashworth hakt es. Anders als geplant hat Adidas derzeit noch keinen Käufer. Die Verluste der Marken seien viel höher als angenommen, schrieb die "New York Post" vergangene Woche. Fakt ist, dass immer weniger Menschen Golf spielen, der Markt schrumpft. Adidas will sich daher auf die Produktion von Kleidung und Schuhen für den Sport beschränken. Die Investitionen hierfür sind deutlich geringer als diejenigen für die Entwicklung neuer Schläger oder Bälle.

Ungewisse Reebok-Zukunft

Der Druck auf die Fitness-Tochter nimmt zu. Reebok wächst nur außerhalb des amerikanischen Heimatmarkts und weitaus schwächer als die Hausmarke Adidas. Seit Jahren wird spekuliert, wann sich Adidas von der 2006 zugekauften Tochter wieder trennt. Rorsted scheint zumindest ungeduldiger zu sein als sein Vorgänger. In jedem Sport müsse jedes Mannschaftsmitglied seinen Beitrag zum Gesamterfolg des Teams leisten, hatte er im Herbst gesagt und erste Einschnitte eingeleitet. Dazu gehört der Abbau von 150 Jobs. Zudem wird etwa die Hälfte der Outlets und Läden von Reebok in Nordamerika geschlossen.

Digitalisierung soll Chancen eröffnen

Rorsted will Adidas noch digitaler machen. Bereits jetzt schon vernetzt sich der Konzern mit seinen Konsumenten, studiert das Kaufverhalten und die Sportgewohnheiten, um besser auf Wünsche reagieren zu können. Digitaler heißt auch schneller. Im fränkischen Ansbach testet Adidas seit dem vergangenen Jahr Automatisierungstechniken für die Herstellung von Schuhen. In der so genannten Speed-Factory sollen Roboter eine halbe Million Paar pro Jahr fertigen. Eine weitere Anlage ist in den USA geplant. Test gab es auch kürzlich mit Klamotten. In einem Pop-up-Store in Berlin konnte man sich für kurze Zeit seinen persönlichen Pullover stricken lassen.

Quelle: dpa