Experten nennen Pläne „zweifelhaft“ - Das Bürgergeld droht den Ampel-Haushalt für 2025 endgültig einzureißen

Brauchte schon 2024 mehr Geld für das Bürgergeld als geplant und braucht wohl auch 2025 mehr: Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).<span class="copyright">IMAGO/IPON</span>
Brauchte schon 2024 mehr Geld für das Bürgergeld als geplant und braucht wohl auch 2025 mehr: Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).IMAGO/IPON

Im Haushalt der Bundesregierung für das Jahr 2025 schlummert eine versteckte Bedrohung, die den Menschen in Deutschland bald Steuererhöhungen oder Leistungskürzungen bringen könnte: Die Ampel will beim Bürgergeld Milliarden einsparen, die sie wohl nur im besten Fall tatsächlich einspart.

In Ihrem Haushalt für das Jahr 2025 plant die Ampelkoalition fünf Milliarden Euro weniger für das Bürgergeld ein als in diesem Jahr. Experten und Bundesrechnungshof bezweifeln diesen Plan. Die CDU erwartet gar eine Zehn-Milliarden-Euro-Lücke. Wie hoch die Summe letztendlich ausfällt, hängt auch von der Wirtschaft ab. Aber die schwächelt. Notfalls muss die Ampel das Geld anderswo beschaffen.

Damit der Ampel-Plan aufgeht, muss 2025 jeder sechste Bürgergeldempfänger gut bezahlte Arbeit finden

Das Problem beginnt damit, dass die Ampel in diesem Jahr 50,5 Milliarden Euro für das Bürgergeld veranschlagt und rund 45 Milliarden Euro für 2025. Dieses Sparziel erreicht sie nur, wenn die Zahl der Bürgergeldempfänger deutlich sinkt:

  • Die Höhe des Bürgergeldes darf die Ampel nicht kürzen, weil sie nach dem Grundgesetz verpflichtet ist, die Bürger nicht zu benachteiligen.

  • Zwar kann die Bundesregierung bei den Zusatzleistungen sparen: Rund 450 Millionen will sie bei der Eingliederungshilfe streichen, die Langzeitarbeitslosen Weiterbildung und Eltern Kinderbetreuung bezahlt, damit sie arbeiten können. Doch diese Beträge summieren sich nicht zu den nötigen fünf Milliarden Euro.

Die Regierung erreicht ihre Sparziele nur, wenn sie Menschen in Arbeit bringt. Rund 600.000 Bezieher müssten vollständig aus dem Bürgergeld ausscheiden, also auch nicht hinzuverdienen, errechnete der Bundesrechnungshof (BRH) in einem Bericht an den Haushaltsausschuss, aus dem der „Spiegel“ zitiert. Als sicher unerreichbar kann der Ampel dieses Ziel niemand vorwerfen. Alles ist möglich. Die Rechnungsprüfer beurteilen es aber als „nicht wahrscheinlich“ und „derzeit zweifelhaft“. Das entspricht fast der Maximalkritik.

 

Derzeit beziehen rund 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld. Rund vier Millionen gelten als erwerbsfähig. Knapp jeder sechste erwerbsfähige Bürgergeldempfänger müsste im kommenden Jahr also allein von seiner Arbeit leben können, damit die Rechnung der Bundesregierung aufgeht.

Als „eher unwahrscheinlich“ beurteilt die Pläne auf Nachfrage auch Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Er rechnet mit mehr Arbeitslosen, was etwas verzögert auch die Zahl der Bürgergeldempfänger erhöhe.

Wirtschaftsexperten rechnen 2025 mit mehr Bürgergeldempfänger statt weniger

Schon in diesem Jahr muss die Bundesregierung mehr für das Bürgergeld ausgeben als geplant. Für das Jahr 2024 rechnete sie ursprünglich nur mit 46,8 Milliarden Euro Kosten. Weil die Wirtschaft stagniert statt wächst und die Inflation den Heizkostenzuschuss verteuert, veranschlagt sie inzwischen vier Milliarden Euro mehr.

Ähnliches droht auch im kommenden Jahr. Zwar rechnen die meisten Experten für 2025 mit einem Wirtschaftswachstum. Sie korrigierten ihre Vorhersagen zuletzt aber eher nach unten. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung senkte am Dienstag seine Erwartung für das kommende Jahr auf 0,7 Prozent. Es rechnet mit 60.000 zusätzlichen Arbeitslosen.

 

Arbeitsminister Heil setzt auf bessere Vermittlung und härtere Strafen – aber das dürfte kaum reichen

Das Arbeitsministerium um Hubertus Heil (SPD) will die Zahl der Bürgergeldempfänger mit härteren Sanktionen gegen Leistungsverweigerer und besserer Vermittlung senken.

Laut Arbeitsagentur gibt es aber weniger als 20.000 Leistungsverweigerer. Selbst wenn die Ampel sie alle zur Arbeit zwingt oder allen die Leistungen streicht, spart sie damit nur ein Dreißigstel der angestrebten Summe. Ob sie die übrigen 580.000 Bürgergeldempfänger durch bessere Vermittlung in Arbeit bringt, scheint fraglich. Zumal sie die Eingliederungshilfe kürzt.

Wahrscheinlich muss die Ampel auch im kommenden Jahr also mehr Geld für das Bürgergeld ausgeben als geplant. Kommt es dazu, ist im kommenden Jahr ein Nachtragshaushalt nötig. Um diesen dann auszugleichen, muss sie anderer Stelle Leistungen kürzen oder Steuern erhöhen. Die Regierung verschiebe das Problem nur in die Zukunft, bemängelte daher kürzlich CDU-Haushaltsexperte Christian Haase. Gegenüber der „Welt“ urteilte er: „Hier wird rumgetrickst.“

Das Bürgergeld-Problem könnte den ohnehin wackeligen Haushalt endgültig kippen

Die Bürgergeld-Unsicherheit trifft die Regierung zur Unzeit. Weil die schwache Konjunktur zum Sparen zwingt, rang die Ampelkoalition lange um einen Haushalt für das Jahr 2025. Die Einnahmen sprudeln nicht wie erhofft, die Schuldenbremse verhindert größere Kreditaufnahmen. Kein Ministerium wollte, das bei ihm gespart wird.

In der Not einigten sich SPD, Grüne und FDP auf einen Plan, der rund 17 Milliarden Euro weniger einnimmt, als er ausgibt. Finanzierungslücken sind zwar üblich, weil die Ministerien nie alle eingeplanten Mittel ausgeben. So groß war aber noch keine.

Die Bürgergeldunsicherheit zeigt nun: Die Haushaltslücke könnte auch wachsen. Muss die Ampel im kommenden Jahr genauso viele Bürgergeldempfänger versorgen wie in 2024, fehlen im Haushalt plötzlich 22 Milliarden Euro. Muss sie mehr versorgen, steigt die Lücke um rund 0,8 Milliarden pro 100.000 zusätzlicher Empfänger.

Ob die Ampel tatsächlich knapp zehn Milliarden Euro mehr als eingeplant für das Bürgergeld zahlen muss, wie CDU-Haushaltsexperte Haase veranschlagt, ist unsicher. Diese Schätzung dürfte dem schlimmsten Fall entsprechen. Aber deutliche Mehrausgaben könnten auf die Regierung zukommen.

Kostet das Bürgergeld mehr, muss die Regierung Steuern erhöhen oder an anderer Stelle sparen

Behält Haase recht, hätte das Folgen: Schwächelt die Wirtschaft, steuern Regierungen meist mit Investitionen gegen. Die Ampel tut dies, auch gezwungen durch die Schuldenbremse, derzeit weniger, als Experten fordern. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung nennt diese Zurückhaltung als einen der Hauptgründe für seine nach unten korrigierte Wirtschaftsprognose.

Direktor Sebastian Dullien fordert „eine wirtschaftspolitische Zeitenwende mit umfangreichen und kontinuierlichen Investitionen unter anderem in erneuerbare Energien, Netze, Verkehrsinfrastruktur und Bildung". 600 Milliarden Euro seien dafür in den kommenden zehn Jahren nötig.

Zahlt die Regierung 2025 mehr als eingeplant für das Bürgergeld, will aber die Schuldenbremse einhalten, muss sie ihre Ausgaben aber zusätzlich kürzen oder Steuern erhöhen. Beides dämpft die Wirtschaft weiter. Schlimmstenfalls steigt die Zahl der Bürgergeldempfänger erneut und die Regierung muss noch mehr sparen. Die Gegenrichtung von dem, was Experten fordern.