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In Deutschland wächst die Kritik an Erdogans Kurs

Cem Özdemir, Parteivorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, kritisiert den türkischen Staatschef Erdogan scharf für dessen Amtsführung. Foto: Bernd von Jutrczenka/Archiv

Mit teils scharfer Kritik haben Politiker und die Kurdische Gemeinde Deutschland auf den Kurs der Türkei gegen die kurdische PKK reagiert.

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir warf dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vor, das Land in ein Mini-Pakistan mit einem autoritären Herrscher zu verwandeln. «Ich sehe ein Land, das ohne Not durch seinen Herrscher ins Chaos gestürzt wird», sagte Özdemir der «Passauer Neuen Presse».

Aus Sicht des Grünen-Parteichefs muss sich Erdogan zudem vorwerfen lassen, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bislang weitgehend widerstandslos gewähren zu lassen. «Erdogan hat bisher beide Augen zugedrückt», sagte Özdemir. Das Vorgehen der Türkei gegen die Terrormiliz, die auch unter ihrem früheren Namen Isis bekannt ist, sei rein symbolisch: «Damit sollen wir im Westen getäuscht werden. Es werden kaum Stellungen von ISIS angegriffen, relativ wenig ISIS-Anhänger in der Türkei verhaftet.»

In der Türkei hat es seit vergangener Woche mehrere Terroranschläge des IS und der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK mit Dutzenden Toten gegeben. Die türkische Luftwaffe flog in der Folge erstmals Angriffe auf IS-Stellungen in Syrien, aber mehrfach auch auf das PKK-Hauptquartier im Nordirak.

Sowohl die Kurden als auch die türkische Staatsführung erklärten eine seit 2013 geltende Friedensvereinbarung daraufhin für nichtig. Die Nato-Botschafter erklärten sich bei einer Sondersitzung am Dienstag solidarisch mit dem Bündnispartner im Kampf gegen den Terrorismus.

Die Kurdische Gemeinde Deutschland (KGD) zeigte sich enttäuscht über das Ergebnis dieser Sondersitzung. Der Bundesvorsitzende Ali Ertan Toprak warf der Türkei vor, den angeblichen Kampf gegen den IS-Terror als Vorwand zu nutzen, um andere Ziele zu erreichen. «Die Nato macht sich dabei zum unfreiwilligen Komplizen und schwächt die Kurden, ihren eigentlichen Bündnispartner im Kampf gegen den IS.»

Der Verteidigungsexperte der Linken, Alexander Neu, sagte mit Blick auf die von Ankara beantragte Nato-Sondersitzung, die Türkei benötige keine militärische Unterstützung der Allianz, wohl aber den politischen Rückhalt. «Und tatsächlich, das Erdogan-Regime bekam auf dem Ticket der Terrorismusbekämpfung grünes Licht für die völkerrechtswidrigen militärischen Maßnahmen auf syrischem und irakischem Staatsgebiet.»

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber sprach von einem «Kuschelkurs der Nato mit Erdogan» und forderte einen sofortigen Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen. Der Westen und besonders die EU darf sich von Erdogan nicht am Nasenring durch die Manege führen lassen», erklärte Ferber. «Es ist nicht mit europäischen Werten vereinbar mit einem Land, das an den EU-Außengrenzen einen Krieg anzettelt Beitrittsverhandlungen zu führen.»

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, wies in einem Interview des SWR den Vorwurf zurück, die Solidaritätsbekundung der Nato gegenüber der Türkei sei ein Schlag gegen die kurdischen Verbündeten. Allerdings müsse der türkischen Regierung deutlich gemacht werden, dass man nur mit einer gemeinsamen Strategie innerhalb der Nato erfolgreich sein könne. Die Türkei unterlaufe aber diese gemeinsame Strategie, wenn sie weiter «so unverhältnismäßig» gegen die PKK vorgehe.