Ankommen, kaputtmachen, untergehen - diese Serie ist so schrill wie die Sex Pistols
"Pistol" ist ein Denkmal in Serienform für eine Band, die sich einen Scheißdreck um Denkmäler kümmerte: Ausgerechnet Disney versucht sich am Punk der Sex Pistols.
Sie konnten nicht so gut singen wie Elvis, schrieben keine so schönen Songs wie John Lennon und sahen auch nicht so gut aus wie Jim Morrison. "Sch...egal!", dachten Punk-Fans und feierten mit erhobenen Mittelfingern ganz andere Helden: Die Sex Pistols sind vielleicht größte Punk-Band aller Zeiten und bekommen jetzt von "Trainspotting"-Regisseur Danny Boyle eine eigene Serie. "Pistol" läuft ab 28. September bei Disney+.
"Wir sind angepisst, langweilen uns, vielleicht ist das unser Image": Musik war bei den Sex Pistols Nebensache. Sid Vicious, Steve Jones, Johnny Rotten und Co. ging es um mehr. Sie wollten das verkrustete Großbritannien aus dem "Schlaf treten", das Establishment erschüttern, die Regierung stürzen. Aber eigentlich wollten sie nur gehört werden: Dafür reichen ein paar dreckige Akkorde. Hauptsache, sie sind laut und können eine Jugendbewegung auslösen.
"Pistols" tut keinem weh
"Pistol" erzählt die drei wildesten Jahre der Band bis zur ersten Auflösung 1978. Im Zentrum steht Gitarrist Steve Jones (Toby Wallace), dessen Memoiren "Lonely Boy: Tales from a Sex Pistol" die Grundlage der Miniserie bilden. Seine Liebesgeschichte mit Chrissie Hynde (Sydney Chandler) ist einer der emotionalen Anker der Miniserie, obgleich sie großzügig fiktionalisiert wurde.
Überhaupt nehmen es die Serienmacher mit der Realität nicht ganz so genau, zumindest nicht im dokumentarischen Sinne, wie Drehbuchautor und Showrunner Craig Pearce in einem Interview freimütig einräumte: "Wir wollten keine Dokumentation, sondern ein Drama drehen. Die Zuschauer sollen mitfühlen, was die Charaktere durchmachen."
Wer könnte so etwas besser inszenieren als ein Mann, der schon aus den größten Drecklöchern Wohlfühloasen gemacht hat? Auch mit dem Punk kommt Regisseur Danny Boyle ("Trainspotting", "Slumdog Millionaire") ganz gut klar: Dank seiner Kunstfertigkeit ist "Pistol" einerseits schrill und übertrieben, anderseits mitfühlend und menschlich - und immer ein bisschen schnoddrig. Das sieht auf dem Bildschirm alles ziemlich gut aus, doch bisweilen wirken die Sex Pistols auch wie eine Karikatur. Wirklich weh tut der Punk in der Disney-Version jedenfalls niemandem.