Harmlos aber hinterhältig: Das Reizdarm-Syndrom

Das Reizdarm-Syndrom (RDS) besteht aus einer Vielzahl unterschiedlicher Beschwerden im unteren Verdauungstrakt. Durchfälle, Verstopfungen, Schmerzen und Blähungen können dabei auftreten. Das Besondere: In der Medizin findet man für die Probleme keine organische Ursache. Bis zur Diagnose Reizdarm ist es deswegen für die Betroffenen häufig ein langer Weg: Unzählige Arztbesuche und jegliche Diagnostik haben keine greifbaren Veränderungen im Darm gezeigt und trotzdem sind sie da, die unangenehmen Beschwerden. Yahoo! Nachrichten klärt die wichtigsten Fragen rund um dieses medizinische Phänomen.

Es gibt Tage, da wird es Sabrina W. aus München einfach zu viel: Durchfälle, Übelkeit und unerträgliche Bauch- und Magenkrämpfe, die urplötzlich auftreten - unberechenbar und unaufhaltsam. Manchmal würde Sabrina am liebsten die ganze Zeit zu Hause bleiben. Zu groß ist die Angst davor, dass sich der Unterbauch wieder einmal in einer unpassenden Situation bemerkbar macht - ohne eine Toilette in greifbarer Nähe. Die 23-jährige Studentin leidet nicht etwa an einer Magen-Darm-Infektion, sondern an einem medizinischen Symptomkomplex: Dem „Reizdarmsyndrom" (RDS).

Empfindlicher Darm macht Beschwerden
Abgesehen von Einschränkung der Lebensqualität - die natürlich von Betroffenen als enorm empfunden werden kann - ist das RDS "harmlos". Es gibt keine Hinweise darauf, dass das RDS in Zusammenhang mit schwerwiegenden oder gefährlichen Erkrankungen steht, aus ihnen hervorgeht oder sie begünstigt. Doch woher kommt es dann? Forscher wissen mittlerweile, dass Menschen mit einem Reizdarm-Syndrom einen besonders „empfindlichen" Darm besitzen. Um das zu verstehen, muss man wissen, dass der Darm ein eigenes, überaus komplexes Nervensystem besitzt, das unter anderem die Darmbewegungen für den Transport der Nahrung reguliert.

Das Reizdarm-Syndrom ist nicht rein psychischer Natur
Bei Patientinnen wie Sabrina W. weiß man, dass es genau hier zu Fehlregulationen kommt: Der Darm und seine Nervenzellen reagieren überempfindlich auf alltägliche Veränderungen wie Luftansammlungen, die den Darm dehnen, zu Schmerzen führen und die Darmbewegungen stören. Darüber hinaus spielen in der Entstehung des RDS genetische Faktoren (das RDS kommt in Familien gehäuft vor), vergangene Darminfektionen, die Ernährung (wenig Ballaststoffe, viel Fett) und Stress eine Rolle.

Zwar können negative Lebensereignisse oder Alltagsstress die Reizdarm-Symptome auslösen oder verschlimmern. Stress als alleiniger Verursacher ist jedoch unwahrscheinlich. Wie es fälschlicherweise oft heißt, ist der Reizdarm also nicht nur eine psychische Erkrankung mit eingebildeten Symptomen, sondern ein Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren.

Auf welche Symptome muss ich achten?
Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) sind Hauptsymptome des Reizdarm-Syndroms wiederkehrende Bauchschmerzen - häufig an der linken unteren Seite des Bauchraumes - verbunden mit veränderten Stuhlgewohnheiten wie Durchfällen (meist nach dem Essen oder gleich nach dem Aufstehen), Verstopfung oder beides im Wechsel. Zusätzlich treten Blähungen und Schleimbeimengungen im Stuhl auf. Sehr typisch für das RDS ist vor allem eine Besserung der Symptome nach dem Stuhlgang.

Neben Symptomen im Darmtrakt gibt es auch Beschwerden, die zwar nicht den Verdauungstrakt betreffen, aber oft mit dem Reizdarm-Syndrom einhergehen. Diese Begleiterscheinungen können sein: Kopf- und Rückenschmerzen, Migräne, Abgeschlagenheit und Schlafstörungen. Das Reizdarmsyndrom kann übrigens von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt sein: Bei den einen dominieren Durchfälle (Durchfall-Form), andere leiden vor allem unter Verstopfung (Verstopfungs-Form), wiederum andere haben vorwiegend Bauchschmerzen (Schmerz-Form).

Symptome können auch auf schwerwiegende Erkrankung hinweisen
Die Diagnose Reizdarm ist eine reine Ausschlussdiagnose, das heißt, sie kann erst dann gestellt werden, wenn andere Krankheiten sicher ausgeschlossen wurden. Dies ist insofern wichtig, als dass das Reizdarmsyndrom an sich eine harmlose Erkrankung ohne gesundheitliche Folgen darstellt, die Symptome jedoch denen gefährlicher Erkrankungen ähneln können.

Ausgeschlossen werden müssen chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn, eine Laktose-Intoleranz (Milchzucker-Unverträglichkeit), Magen-Darm-Infektionen und vor allem Darmkrebs. Bei allen Veränderungen des Stuhls sollte deswegen immer ein Arzt konsultiert werden.

Keine ursächliche Therapie möglich
Leider gibt es bisher keine ursächliche Behandlung des Reizdarmsyndroms, weil man schlichtweg die Ursache nicht genau kennt. Dennoch gibt es einige therapeutische Maßnahmen, die beim Reizdarmsyndrom helfen können. Hierzu zählen: Regelmäßige Mahlzeiten in kleinen Bissen statt üppige Gelage, ausreichende Flüssigkeitszufuhr bis zu zwei Liter am Tag und Meiden von blähenden Lebensmitteln wie zum Beispiel Zwiebeln und Hülsenfrüchten.

Sabrina W. aus München schwört außerdem auf Entspannungsmethoden wie Yoga, oder progressive Muskelrelaxation. Bei ihr helfen diese Behandlungen, um den Alltagsstress zu bewältigen und zur Ruhe zu kommen. Das wirkt sich auch auf ihren Darm aus. Da das RDS eine psychologische Komponente besitzt, können darüber hinaus auch psychologische Verfahren wie eine kognitive Verhaltenstherapie hilfreich sein.

Autor: Felix Gussone

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