Verräterische Fotos im Netz

Schon ein Foto im Netz kann mehr verraten, als manchem lieb ist. Wer sich zum Beispiel in einem Dating-Portal nur mit dem Bild und einem Pseudonym anmeldet, kann laut US-Wissenschaftlern leicht mit Standard-Software identifiziert werden. Und zwar vom Klarnamen bis hin zur Sozialversicherungsnummer.

Normalerweise bleibt professionelle Überwachungssoftware Staaten und anderen großen Organisationen vorbehalten. Dies könnte sich jedoch sehr bald ändern. Schon anhand eines mit dem Smartphone geknipsten Bildes soll es laut den zwei US-Forschern Alessandro Acquisti und Ralph Gross in naher Zukunft möglich sein, personenbezogene Details wie Namen, Beruf, Interessen und Vorlieben zu erfahren.

Um dies zu beweisen untersuchten die Forscher die Profil-Bilder eines Dating-Portals, bei dem sich die Nutzer mit einem Pseudonym anmelden, um ihre Privatsphäre zu schützen. Der Suchalgorithmus begrenzte sich auf eine Stadt in Nordamerika und fand für die Region laut Spiegel-Informationen etwa 275.000 Facebook-Profile und gut 5.800 Profile auf der Dating-Seite. Im nächsten Schritt fand der Algorithmus zu 13,9 Prozent der Flirtprofile ein passendes Facebook-Bild. Eine durch Menschen durchgeführte Überprüfung der Ergebnisse zeigte, dass der Computer in den meisten Fällen richtig lag — zu 610 Dating-Profilen, also 10,5 Prozent, konnte „sicher" oder „wahrscheinlich" ein übereinstimmendes Facebook-Profil gefunden werden.

In einem weiteren Experiment wiesen die Wissenschaftler Studenten auf einem Campus nur anhand einer Videoaufnahme ihres Gesichts ihren Facebook-Profilen zu. Außerdem schafften sie es, in einigen Fällen mit den erstellten Aufnahmen die Sozialversicherungsnummer der Studenten ausfindig zu machen.

Die gleichen Informationen sollen sich auch durch eine von dem Team entwickelte Smartphone-App in Echtzeit ausfindig machen lassen. Die Vorstellung von Privatsphäre soll ihrer Meinung nach durch die Verbindung neuester Gesichtserkennungs-Software, hoher Rechenkraft dank Cloud-Computing und den öffentlichen Informationen in sozialen Netzwerken schon bald eine neue Bedeutung bekommen.

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Die Forscher gehen aber noch deutlich weiter. Da immer mehr frei zugängliche Profilfotos mit den dazu gehörenden persönlichen Details im Netz zu finden sind, könnte bald die personenbezogene Online-Werbung auf die reale Welt übertragen werden. Vorstellbar wäre zum Beispiel folgendes Szenario: Eine junge Frau betritt eine Boutique und wird dabei von einer Überwachungskamera gefilmt. Sofort greift ein hochentwickeltes Erkennungsprogramm und verknüpft die junge Frau in Sekundenschnelle mit ihrem öffentlichen Profil in einem sozialen Netzwerk. Name, Alter, Beziehungsstatus und Vorlieben sind dem Ladenbesitzer sofort bekannt und er kann ihr personalisierte Werbung zukommen lassen.

Die Forscher nennen dies eine „Demokratisierung der Überwachungstechnik" und gehen davon aus, dass diese Entwicklung nicht mehr umkehrbar ist. Längst sind die Nutzer sozialer Netzwerke nicht mehr anonym unterwegs. Wie leicht sich Personeninformationen tatsächlich zuordnen lassen und für welche Zwecke sie genutzt werden können, ist nur den wenigsten bewusst.

Matthias Sternkopf / ZEITjUNG