Fall Wulff spitzt sich zu: Staatsrechtler legt ihm Selbstanzeige nahe

Der Fall Wulff spitzt sich abermals dramatisch zu. Nun bricht die BW-Bank ihr Schweigen und erklärt: Der Unternehmer Geerkens habe den Kontakt zwischen Wulff und der Bank hergestellt. Erst kurz vor Weihnachten hat der Bundespräsident die letzten Verträge mit der BW-Bank unterschrieben. Ein Staatsrechtler hält unterdessen Ermittlungen gegen Wulff wegen Vorteilsnahme im Amt für "unausweichlich" - und legt ihm laut "Welt" eine Selbstanzeige nahe.

Der Unternehmer Egon Geerkens hat nach Angaben der BW-Bank den Darlehens-Kontakt zum heutigen Bundespräsidenten Christian Wulff hergestellt. Dies teilte die Bank am Freitag in Stuttgart mit. "Herr Wulff hat sich im Herbst 2009 telefonisch bei der BW-Bank gemeldet, auf Empfehlung von Herrn Egon Geerkens. Dem ging ein Gespräch von Herrn Geerkens mit einem Kundenberater der BW-Bank voraus." 

Am 21. März 2010 sei der erste Darlehensvertrag mit Wulff abgeschlossen worden. "Dieser bisher kurzfristig refinanzierte Geldmarktkredit wurde in ein langfristiges Darlehen geändert." Der entsprechende Vertrag sei am 12. Dezember 2011 von der Bank unterschrieben an Wulff geschickt worden. Wulff habe den Vertrag am 21. Dezember unterschrieben, sechs Tage später - am Dienstag nach Weihnachten - ging dieser bei der BW-Bank ein, wie es weiter hieß. 

Zu Konditionen und zur Höhe der Kreditsumme machte das Institut mit Verweis auf das Bankgeheimnis keine Angaben. "Die Aufsichtsgremien der Bank werden über die Darlehensvergabe umfassend informiert." 

Wulff steht seit Mitte Dezember in der Kritik - er hatte im Jahr 2008 als niedersächsischer Ministerpräsident von der Ehefrau des befreundeten Unternehmers Geerkens, Edith Geerkens, einen 500 000-Euro-Kredit für den Kauf eines Privathauses aufgenommen, diesen auf Nachfrage im niedersächsischen Landtag 2010 aber nicht erwähnt. 

Die BW-Bank gehört zur Landesbank Baden-Württemberg, die wiederum in Staatsbesitz ist. Nach "Spiegel"-Recherchen hatte die Bank Wulff einen Kredit gewährt, bei dem die Zinsen zunächst lediglich bei 0,9 bis 2,1 Prozent lagen. Damit wären die Zinsen um die Hälfte niedriger als bei der Immobilienfinanzierung anderer Kunden. 

In den vergangenen Tagen hatte sich die Bank nicht offiziell zu dem Thema geäußert. Einige Aufsichtsratsmitglieder forderten Aufklärung. Inzwischen liegen zwei Anzeigen gegen Verantwortliche der Bank wegen des Verdachts der Untreue bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart vor. Dies bedeutet allerdings nicht, dass es auch zu Ermittlungen kommen muss. 

Der Aufsichtsratschef der BW-Bank, Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU), hatte vor einigen Tagen erklärt, dass der Vorstand des Instituts wohl bei der nächsten Sitzung des Kontrollgremiums kurz über das Geschäft mit dem Bundespräsidenten berichten werde. Die Sitzung ist für den 30. April 2012 geplant.

Unterdessen hält es der Verwaltungsjurist und Staatsrechtsprofessor Hans Herbert von Arnim für „ziemlich sicher“, dass Christian Wulff mit der Annahme des privaten Kredits von Edith Geerkens gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen hat. Das berichtet die Zeitung "Die Welt". Das Ministergesetz verbiete Regierungsmitgliedern, „Geschenke in Bezug auf ihr Amt“ anzunehmen.

Von Arnim geht zudem davon aus, dass die Annahme des Kredits auch einen Verstoß gegen Paragraf 331 des Strafgesetzbuches (Vorteilsnahme im Amt) darstellt, so die "Welt". In seiner Analyse argumentiert er, es lägen „derart gewichtige Anhaltspunkte vor, dass staatsanwaltliche Ermittlungen in Bezug auf § 331 StGB unausweichlich erscheinen“. Laut der "Welt" empfiehlt er Wulff eine Selbstanzeige": Wenn dieser seine Erklärung ernst nehme, er habe stets legal gehandelt, könne er auf diesem Weg „eine gerichtliche Reinigung“ vom Vorwurf der Verletzung des Ministergesetzes herbeiführen.