Pferdefleisch-Skandal: Debatte über Lebensmittelpolizei

Aigner weist Vorstoß von SPD-Chef Gabriel zurück

Der Pferdefleisch-Skandal hat in Deutschland eine Debatte über eine zentrale Kontrollbehörde auf EU-Ebene ausgelöst. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte in der "Bild"-Zeitung die Gründung einer europäischen Lebensmittelpolizei nach dem Vorbild der Polizeibehörde Europol. Während Deutschlands Lebensmittelkontrolleure dies unterstützten, wies Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) den Vorstoß umgehend zurück.

Gabriel betonte, mit einer solchen "Eurofood" müsse die Zersplitterung und das Kompetenzwirrwarr im Bereich der Lebensmittelkontrollen beendet werden. "Wir dürfen es nicht zulassen, dass sich nur noch Besserverdiener gesunde Lebensmittel aus dem Biomarkt leisten können", sagte Gabriel dem Blatt.

Auch der Vorsitzende des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure (BLK), Martin Müller, befürwortete ein "Lebensmittel-Europol". Angesichts der internationalen Warenströme müsse die Verantwortlichkeit für Kontrollen von den Kommunen weg verlagert werden. "Wir müssen die Bundesebene und die europäische Ebene bei der Lebensmittelkontrolle stärken", sagte Müller. Zugleich forderte er "mindestens 1500 Lebensmittelkontrolleure" zusätzlich. Diese könnten auch bei einer Bundesbehörde angesiedelt sein.

Ein Sprecher von Aigner bezeichnete die Forderung nach einer europäischen Lebensmittelpolizei als "abwegig". Die Lebensmittelsicherheit für 500 Millionen Bürger könne nur mit Kontrollen vor Ort gewährleistet werden, sagte der Sprecher in Berlin. Zugleich betonte er, bei den in den Niederlanden aus dem Verkehr gezogenen 50.000 Tonnen Fleisch handle es sich nicht um einen neuen Skandal, sondern um die "Aufarbeitung der Ereignisse" vom Februar.

In Deutschland belieferte das betroffene niederländische Unternehmen nach bisherigem Stand 124 Betriebe. Die Behörden hierzulande überprüfen nun Händler, weiterverarbeitende Betriebe und Metzgereien.

Die agrarpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Christel Happach-Kasan, warnte Gabriel indes vor "populistischen Schnellschüssen". Die aktuellen Funde von falsch etikettiertem Fleisch zeigten, dass die Aufsichtsbehörden funktionierten.

Nach Angaben der Verbraucherorganisation Foodwatch ist das Ausmaß des Betrugs mit nicht deklariertem Pferdefleisch größer als bisher öffentlich diskutiert. Die Organisation beruft sich dabei auf eine Auswertung der Meldungen im Informationssystem RASFF, über das die Behörden in den EU-Staaten Warnmeldungen über Verstöße gegen das Lebensmittelrecht austauschen. Demnach erhielten die Behörden zwischen dem 1. Februar und dem 10. April Kenntnis von 58 grenzüberschreitenden Fällen, in denen Pferdefleisch nicht deklariert wurde.

"Auch nach dem ersten Pferdefleisch-Skandal im Februar ging der Betrug auf dem gesamten Kontinent offenbar munter weiter", erklärte foodwatch-Sprecher Martin Rücker. Dies belege, dass die Eigenkontrollen der Unternehmen "kläglich versagen".