"Die Ärzte sagen, ich muss aufhören": Vanessa Mai spricht über die Schattenseite des Schlagerruhms

Die Schlagerwelt steht für gute Laune, Glamour und Ruhm. Aber sie hat auch ihre Schattenseiten. Vanessa Mai spricht in der Dokumentation "MAI time is now" darüber und blickt hinter die Fassaden des Schlagers. (Bild: Sony Music)
Die Schlagerwelt steht für gute Laune, Glamour und Ruhm. Aber sie hat auch ihre Schattenseiten. Vanessa Mai spricht in der Dokumentation "MAI time is now" darüber und blickt hinter die Fassaden des Schlagers. (Bild: Sony Music)

Alles sieht so glamourös aus: Aber die schillernde Schlagerwelt hat auch Schattenseiten. Vanessa Mai hielt dem Druck nicht stand, kämpfte dagegen an, eine Marionette des Systems "Schlager" zu sein und bezahlte mit ihrer Gesundheit. In der ARD-Doku "MAI time is now" gewährt sie exklusive Einblicke.

Auch eine scheinbar perfekte Vanessa Mai kommt an ihre Grenzen: In der dreiteiligen ARD-Dokumentation "Vanessa Mai - MAI time is now" gewährt die 30-Jährige teils erstaunliche Einblicke in ihr Privatleben und hinter die Kulissen der Schlagerbranche: "Es gibt ein System, System bedeutet Regeln, und Regeln bedeuten ein Korsett. Über die Jahre wurde dieses Korsett immer enger geschnürt", so die Musikerin.

Mit Anfang 20 legte sie einen kometenhaften Karrierestart hin. An der Spitze der Charts warteten auf Vanessa Mai jedoch nicht nur Ruhm und Glamour im Showbusiness. Falsche Freunde und enormer Erwartungsdruck forderten ihren Tribut, 2018 sagte sie, längst zu einem Topstar der Branche avanciert, urplötzlich ein Konzert in Rostock ab. In der bemerkenswert offenen ARD-Doku "Vanessa Mai - MAI time is now", die am Samstag, 22. Oktober, ab 23.55 Uhr, im Ersten an einem Stück zu sehen ist und bereits ab 8 Uhr morgens in der Mediathek zum Abruf bereitsteht, erzählt Vanessa Mai nun die ganze Geschichte und spricht freimütig über die Schattenseiten der schillernden Schlagerwelt.

"Wir haben so viel abgerissen damals, Ich war körperlich einfach durch", bekennt die 30-Jährige heute rückblickend. "Meine ganze Muskulatur hat einfach zu gemacht. Es war so ein Schmerz, ich konnte mich nicht mehr bewegen". Wegen einer Verletzung an der Halswirbelsäule habe sie eine Zeit lang nicht mehr tanzen können und sich nur noch nutzlos gefühlt... Eines will sie noch immer nicht wahrhaben: "Im schlimmsten Fall könnte ich gelähmt sein". Die Sängerin hält weiter an ihrer Leidenschaft fest, und das trotz des eindeutigen Rats ihrer Ärzte: "Sie sagen, ich muss aufhören." Mai kämpft noch heute mit den Folgen, wie in der Doku deutlich wird.

2019 folgte dann tatsächlich der Zusammenbruch und damit auch die "Schlager 2019"-Arena-Tour-Absage. Getrieben vom eigenen Perfektionismus verlor sie sich selbst - im Sog öffentlicher Ansprüche. "Menschen, von denen ich dachte, dass sie es gut mit mir meinten, haben mich tief enttäuscht", eröffnete die Künstlerin in einem Instagrampost. "Ich habe die Notbremse gezogen. Bin ausgestiegen, habe mich 'in die Sonne gesetzt', zurückgelehnt, über alles nachgedacht. Ich saß einfach eine Weile im falschen Zug." Vanessa Mai kehrte jedoch aus eigener Kraft zurück, den Schlager wieder an ihrer Seite. Wie erging es ihr bei ihrem ersten Konzert nach Corona? Die dreiteilige Dokumentation im Ersten klärt auf.

Vanessa Mai ist der Meinung, starke Frauen hätten keine Angst davor, wieder aufzustehen. Woher nahm die Sängerin die Kraft, ihren Zusammenbruch zu überwinden? (Bild: SWR/Sandra Ludewig)
Vanessa Mai ist der Meinung, starke Frauen hätten keine Angst davor, wieder aufzustehen. Woher nahm die Sängerin die Kraft, ihren Zusammenbruch zu überwinden? (Bild: SWR/Sandra Ludewig)

Toxischer "Helene Fischer-Vergleich"

"Starke Frauen haben keine Angst hinzufallen. Ähem doch, warte. Haben sie. Aber sie haben keine Angst davor, wieder aufzustehen", schrieb Vanessa Mai kürzlich auch auf Instagram. Mit dem Post macht die Künstlerin vor allem ihren weiblichen Fans Mut. Sie krempelte ihr Leben um, produziert nun auch Hits mit Deutschrappern und moderiert ihre eigene Talkshow. "Es war gar nicht mal das Genre, das mich so fasziniert hat, sondern wie frei die Menschen darin sind", erklärt Mai hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Rapper Olexesh 2018. Mit der Single "Wir 2 immer 1" habe sie Grenzen sprengen wollen: "Schlager ist nicht mehr das, was es früher war. Selbst bei mir ist er noch mit ganz vielen negativen Dingen im Kopf verknüpft. Ich wollte damit einfach aufräumen", konstatiert die Musikerin.

Darüber hinaus positioniert sich die Sängerin in der ARD-Doku gegen Bodyshaming. Vor allem der permanente "Helene Fischer-Vergleich" habe ihr zugesetzt. "Jeder Vergleich mit anderen Menschen ist toxisch", findet Mai. Sie sei damals immer mehr zu jener Person geworden, die andere für sie vorgemalt haben. "Da fing die Rebellion an, ich wollte mein eigenes Ding machen", blickt der Schlager-Star nun auf einzelne Entscheidungen zurück.

Vanessa Mai drückt sich durch ihre Musik aus. Mittlerweile arbeitet sie auch mit renommierten deutschen Rappern zusammen, schreibt gemeinsam Hits. Die Sängerin lebt nicht mehr nur für die Schlagerwelt. Als Autorin ihres ersten Buches "I Do It Mai Way" hat sie einen anderen Blick auf die wichtigen im Leben als vor ihrem Zusammenbruch bekommen, sagt sie. (Bild: SWR)

Kreierende Künstlerin oder Marionette des Systems "Schlager"?

Die Sängerin verfolgt klare Ziele und feilt an einem scharfen Profil: "Ich wollte immer eine kreierende Künstlerin sein, und ich wollte ernst genommen werden", betont sie. Ihre Erfahrungen, ihre Tiefschläge und ihre Träume verarbeitet die 30-Jährige auch in ihrem ersten Buch "I Do It Mai Way", das am 2. November erscheint. "Mein Leben, meine Kämpfe, meine Lektionen auf 243 Seiten. Ich hab geheult, gelacht und noch mal so viel über mich selbst gelernt in dieser Buchphase, wie ich es niemals für möglich gehalten hätte", schreibt Mai auf Instagram.

Überhaupt sind Soziale Medien ein wichtiges Sprachrohr der Künstlerin. Die Beziehung zu ihren Fans sei ihr besonders wichtig. Andreas Ferber, Ehemann und Manager, betont in der ARD-Serie eines immer wieder: "Vanessa ist eine sehr authentische Künstlerin. Sie muss sich immer 100 Prozent mit dem identifizieren können, was sie auch ihren Fans mitgibt." Für Vanessa Mai steht fest, dass sie ohne ihre Fans nicht da wäre, wo sie heute ist. "Egal, was kommen wird, wir haben eine Verbindung, die nicht leicht auseinanderzubringen ist", betont sie. Doch auf wen kann sie wirklich zählen, und wer ist der Künstlerin ein Dorn im Auge? Die Dokumentation gibt noch viele weitere Einblicke hinter die Kulissen der ach so schillernden Schlagerwelt.

Vanessa Mai weiß genau, was sie will. Sie versucht, die Grenzen des herkömmlichen Schlagers zu sprengen, um frei arbeiten zu können. In diesem Geschäft gebe es ein "Korsett", das einem die Luft abschnüren würde. Die Sängerin kämpfte dagegen an, um als kreierende Künstlerin ernst genommen zu werden. (Bild: SWR)
Vanessa Mai weiß genau, was sie will. Sie versucht, die Grenzen des herkömmlichen Schlagers zu sprengen, um frei arbeiten zu können. In diesem Geschäft gebe es ein "Korsett", das einem die Luft abschnüren würde. Die Sängerin kämpfte dagegen an, um als kreierende Künstlerin ernst genommen zu werden. (Bild: SWR)