"Ökologischer Wahnsinn": In Rumänien boomt das Luxus-Vergnügen Heli-Skiing

In Rumänien boomt ein neuer Luxus-Sport: Die ARD-Doku "Heli-Skiing - Leider geil!?" zeichnet ein kritisches Bild. (Bild: ARD)
In Rumänien boomt ein neuer Luxus-Sport: Die ARD-Doku "Heli-Skiing - Leider geil!?" zeichnet ein kritisches Bild. (Bild: ARD)

Per Heli auf den Berg und mit ganz viel Spaß hinunter. Eine ARD-Doku heftet sich an die Skier einer Gruppe deutscher Luxus-Ski-Touristen in Rumänien. Angesprochen auf die kritische Öko-Bilanz rechtfertigt sich einer: "So richtig umweltfreundlich ist Skifahren sowieso nicht."

In den Alpen verschwinden die Gletscher. Der Klimawandel dezimiert die Skisaison. Umso größer ist der Andrang an den Liften, wenn das Wetter doch mal gnädig ist mit den Wintersport-Begeisterten. Skifahren, da wird kaum einer widersprechen, war schon mal entspannter, freudvoller und naturnäher als heute. Doch der Erfindungsreichtum, dem gebeutelten Naturraum neue Geschäftsmodelle abzuringen, scheint ungebrochen.

In Rumänien hat nun ein junges ARD-Filmteam aus der "Y-Kollektiv"-Gruppe ein Nischen-Angebot ausgemacht, das auf dem Weg zum Trend-Sport ist: Heli-Skiing. Einerseits scheint der so gar nicht in den um Nachhaltigkeit ringenden Zeitgeist zu passen. Andererseits steht er exemplarisch für einen zunehmend schizophrenen Umgang mit den Themen Klimawandel und Naturschutz.

Reporterin Joanna Thurow begleitete in den Karpaten vier Tage lang eine Freundes-Gruppe aus Berlin und Köln, die den ultimativen Wintersport-Kick per Helikopterflug sucht und findet. "Heli-Skiing - Leider geil!?" titelt der Beitrag, der in der ARD-Mediathek abrufbar ist.

600 Euro pro Tag kostet der Heli-Service. Geflogen wird aber nur bei ausreichend gutem Wetter. (Bild: ARD)
600 Euro pro Tag kostet der Heli-Service. Geflogen wird aber nur bei ausreichend gutem Wetter. (Bild: ARD)

Hohe Lawinengefahr: "Manchmal passieren schlimme Dinge"

Für 600 Euro pro Tag bringt einen der Helikopter in die entlegenen Ecken des Ski-Gebiets im Südwesten Rumäniens. Die deutsche Reisegruppe hat das Fluggerät nebst Pilot vier Tage gebucht. Ein Tag ist einkalkuliert als Schlechtwetter-Puffer. Pro Person inklusive Unterkunft kostet dieser sehr exklusive Winter-Kurzurlaub knapp 2.500 Euro. Das ist es allen, die vor der Kamera sprechen, wert. Das hohe Lawinenrisiko - unlängst erst kam in den Karpaten ein 44-jähriger niederländischer Heli-Ski-Tourist ums Leben - auch. "Manchmal passieren schlimme Dinge", bestätigt ein Mitarbeiter. Haftung für den Fall der Fälle übernimmt die Firma nicht.

Gartenbau-Unternehmer und Ski-Fan Christian reizen präparierte Pisten trotz all dem fast gar nicht mehr: "Das Gefühl, weit weg von allem zu sein", finde er nur noch im freien Gelände. Fünf Minuten etwa dauert der Flug auf den Berg, zehn Minuten die Abfahrt. Dann ist der Spaß auch schon vorbei, bevor er per Flugtaxi von Neuem beginnt. Aber der hat sich nach Ansicht der deutschen Touristen gelohnt. "So was von geil!", schnaufen sie beseelt. "Ein Traum auf Erden. Das hat man nirgendwo, wenn man in Österreich unterwegs ist." Am Ende des Drehtags ist der Heli mehr als sechs Stunden durchgehend im Einsatz gewesen.

Die Vorteile des Heli-Skiings liegen auf der Hand - respektive auf dem Berg: "Ein Traum auf Erden. Das hat man nirgendwo, wenn man in Österreich unterwegs ist."  (Bild: ARD)
Die Vorteile des Heli-Skiings liegen auf der Hand - respektive auf dem Berg: "Ein Traum auf Erden. Das hat man nirgendwo, wenn man in Österreich unterwegs ist." (Bild: ARD)

Sechs Flugstunden - ergibt 2,7 Tonnen CO2

Angesprochen auf den enormen Kerosin-Verbrauch zu Vergnügungszwecken sagt der Manager der Heli-Ski-Firma der deutschen Reporterin: "Natürlich sind da Stimmen, die schlecht über uns sprechen." Er konzentriere sich lieber auf das Positive. Dann macht der Manager eine verblüffende Rechnung auf: "Ein Helikopter stößt weniger CO₂ aus als ein Auto, mit dem Menschen in die Stadt zur Arbeit fahren." Diese "Statistik" könne man im Internet nachlesen.

Das ARD-Recherche-Team kommt auf andere Kennzahlen: Bei sechs Flugstunden verbrauche ein Helikopter des in Rumänien verwendeten Typs etwa 2,7 Tonnen CO₂. Ein durchschnittliches Benziner-Auto müsste für den identischen Ausstoß 12.000 Kilometer fahren. Verteilt auf die Reisegruppe wären das gut 850 Kilometer pro Person.

Damit konfrontiert zuckt Christian aus der deutschen Reisegruppe die Schultern: "Wenn ich mir manche Skigebiete im Sommer angucke, denke ich mir, so richtig umweltfreundlich ist Skifahren sowieso nicht." Den Kunstschnee, mit dem Pisten präpariert werden, findet er "deutlich weniger umweltfreundlich" als die Heli-Variante in der freien Natur.

"Das Gefühl, weit weg von allem zu sein", treibt Ski-Touristen in die Helikopter. (Bild: ARD)
"Das Gefühl, weit weg von allem zu sein", treibt Ski-Touristen in die Helikopter. (Bild: ARD)

ARD-Reporterin: "Ich kann's vollkommen nachvollziehen, warum Leute das machen"

Robert, der mit seinem Vater angereist ist, nennt den Umweltaspekt schmallippig ein "schwieriges Thema". Seine Schlussfolgerung aus der Klimakrise, wenn man es richtig deutet: Alle Möglichkeiten nutzen, solange sie vorhanden sind. "Wer weiß, wie lange wir das noch machen können."

In den Alpen ist Heli-Skiing fast überall verboten, auch weil die Tierwelt massiv unter dem Dauerlärm der Rotorblätter leidet. Doch international - besonders in Kanada - wächst die Nachfrage. Darum soll auch am rumänischen Doku-Drehort das Skigebiet vergrößert werden. Im angrenzenden Dorf, so berichtet Reporterin Joanna Thurow, stünden den Expansionsplänen einige Menschen kritisch gegenüber. Offen vor der Kamera wolle darüber aber niemand sprechen. Der Gründer der Heli-Ski-Firma mag einen Konflikt mit Anwohnern und Natur nicht abstreiten: "Natürlich" gebe es den. Aber: "Wenn es nicht zu viele Unternehmen machen, ist es möglich - alles in Maßen."

Das Maßhalten - eine Kernkompetenz der Tourismusindustrie war das bislang nicht. Wohl auch deshalb zieht die selbst Ski-begeisterte ARD-Reporterin am Ende ihrer sportiven Recherche-Reise ein gemischtes Fazit: "Ich kann's vollkommen nachvollziehen, warum Leute das machen. Gleichzeitig bleibt es ökologischer Wahnsinn, das kann man nicht schönreden."

Reporterin Joanna Thurow bereitet nicht nur die Öko-Bilanz, sondern auch die Lawinengefahr große Sorge. (Bild: ARD)
Reporterin Joanna Thurow bereitet nicht nur die Öko-Bilanz, sondern auch die Lawinengefahr große Sorge. (Bild: ARD)