5 Phasen, die jeder Telekom-Kunde kennt, wenn plötzlich die Internet-Verbindung weg ist

Albtraum-Moment eines jeden Internet-Nutzers: Plötzlich ist das Netz weg Foto: Andreas Gebert
Albtraum-Moment eines jeden Internet-Nutzers: Plötzlich ist das Netz weg Foto: Andreas Gebert

Es ist der Albtraum-Moment eines jeden Internet-Nutzers: Plötzlich ist das Netz weg – und kommt nicht wieder. Yahoo-Blogger Nils Jacobsen erlebte die böse Überraschung ausgerechnet nach seinem Urlaub und wünschte nach fünf Tagen in den Endlosschleifen der Telekom, er wäre in Italien geblieben...

1. Unglaube

Urlaub ist etwas Großartiges. Je länger man aus der vertrauten Umgebung kommt, desto größer die Entspannung. Zu Hause angekommen, soll das Gefühl der Gelassenheit möglichst lange bewahrt werden – nicht gleich durch die Post gehen, auch die neusten Emails können warten, man hat sie schließlich auch im Urlaub überflogen.

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Aber endlich wieder Apple TV, Netflix und Amazon Prime Video sind eine wunderbare Idee, also TV an – und großes Entsetzen. Statt des Überblicks von Apples neusten Filmen poppt ein Fenster mit Ausrufezeichen auf: „Neue Filme können nicht geladen werden, weil keine Verbindung zum Internet besteht“. Der Blick auf das iPhone bestätigt: Unter dem Wifi-Signal öffnet sich nichts.

Runter vom Sofa, panischer Blick auf den Router: Oje nur zwei Dioden leuchten: Power und WLAN – aber das Wifi geht nicht durch. Ruhig Blut, Stecker ziehen, 30 Sekunden warten, neu anmelden. Power blinkt sofort, doch dann lange nichts. Die WLAN-Lampe leuchtet, aber eine Verbindung wird nicht aufgebaut. Der Blutdruck steigt.

Schublade auf, letzte Telekom-Rechnung raus, Kundennummer gefunden, Anruf nach Mitternacht – wie gut, dass die Telekom einen 24-Stundenservice hat. Nach fünf Minuten erfahre ich mehr: „Es hat eine Störung in Ihrem Großraum gegeben. Über hundert Kunden sind betroffen. Bis spätestens acht Uhr Dienstag ist sie behoben.“  Ich grummele. „Das sind aber über 30 Stunden, morgen besteht keine Chance?“ „Unsere Techniker arbeiten mit Hochdruck dran. Rufen Sie sonst morgen wieder an.“

Zu doof, dass ich noch einen Artikel zum darauffolgenden Morgen schreiben muss, das Freelancer-Leben ist ein eben ständiges Abenteuer. Ich beruhige mich damit, dass ich mein iPhone als Hotspot nutzen kann und meine Datenflatrate gerade mal zur Hälfte aufgebraucht habe und so durch die Nacht und den morgigen Tag komme. Es ist ja nur ein Tag. 

2. Panik

Der Montag nach dem Urlaub ist ja immer ein Problemtag – ohne Internet wird er aber zur Höchststrafe, das wird mir sofort nach dem Aufwachen klar. Ich gedulde mich, schließlich arbeitet der Telekom-Techniker – und am Ende sind ja wegen der Großraumstörung alle betroffen.

Weil ich aber auch arbeiten muss, bleibt mir nur eine Lösung: Meine Datenflatrate vom iPhone weiter zu gebrauchen. Erstaunliche Erkenntnis: Sie schmilzt wie Eis in der Sonne. 6 GB beträgt mein Tarif inzwischen, mehr als 2,5 GB wären mir für den laufenden Monat eigentlich noch für die Browserei auf dem iPhone verblieben, doch die sind nach einem halben Tag auch weg.

Ich erinnere mich an ein ähnliches Szenario vor Jahren, als ich ebenfalls für Tage vom Netz abgeschnitten war und mir auch mit dem Telekom-Hotspot helfen musste – die Datenflatrate reichte damals. Anno 2016 flutschen mir die GBs nur so durch die Hände: Hier eine geöffnete Seite von Welt Online, auf der im Hintergrund Videos laufen, die ich nicht angeklickt habe, da die Videos in Facebooks Newsfeed – Zack, neu kaufen bitte.

Für 12,99 Euro bietet die Telekom 1 GB an – ich habe keine Wahl, es gibt schließlich Texte zu schreiben und die wollen recherchiert werden. Am Abend ist das nächste GB verbraucht, ohne dass ich willentlich Seiten mit Bewegtbild geöffnet habe, also noch mal buchen – 26 Euro für nichts, aber morgen soll ja alles besser werden.

Um mich zu versichern, rufe ich noch mal bei der Telekom-Hotline an und erfahre Erstaunliches: „Für Ihren Großbereich liegt keine Störung mehr vor. Bitte prüfen Sie Ihren Router.“ Also Router abstöpseln, anstöpseln. „Trennen Sie auch das DSL-Kabel und stecken Sie es nach einer Minute wieder rein“, erklärt mir die Telekom-Mitarbeiterin. Ich tue artig, wie mir geheißen – und nichts. Keine neuen Lampen blinken am Router, kein Internet ist verfügbar.

Panik ergreift mich. Ich habe über die Jahre gelernt: Ist bei der Telekom einmal der Wurm drin, dann kann es länger dauern.        
„Können Sie feststellen, wo der Fehler liegt?“ will ich mit Schweiß auf der Stirn wissen.
„Nein, im Moment kann ich gar nichts feststellen. Ihre Leitung empfängt kein Signal. Das ist komisch“, sagt mir die Telekom-Frau. Ich ahne, was das heißt – nichts Gutes.  „Wir schicken morgen Vormittag einen Techniker zu Ihnen“. Immerhin.   

3. Wut

Telekom-Router Foto: Rainer Jensen/Archiv
Telekom-Router Foto: Rainer Jensen/Archiv

Ein neuer Tag, ein neues Datenpaket wird fällig, ich habe ganz vergessen zu fragen, wie es mit Kompensationsleistungen aussieht, aber der Techniker ist ja sicher bald da. Als es um 17 Uhr – das Zeitfenster betrug 12 bis 16 Uhr –  weder ein Lebenszeichen vom Techniker noch vom Internet  gibt, rufe ich noch mal an.

Nach 15  Minuten in der Warteschleife erreicht mich gleichzeitig ein Anruf der Telekom-Nummer, wie freundlich, dass die zurückrufen. Es ist der Techniker. „Sind Sie umgezogen? In der Maria-Louisen-Straße 7 wohnt kein Jacobsen “, sagt mir der verdutzte Techniker. Ich kann das nicht glauben.

„Nein“, kann ich nur entgegen. „Da ich wohne ich auch seit 11 Jahren nicht mehr! Sie waren bei meiner Anschrift aus dem Jahr 2005! Ich wohne inzwischen in Hamburg Altona!“ „Ach so“, entgegnet der Techniker, „dafür bin ich nicht zuständig. Dann schick ich den Kollegen, wird aber erst morgen  was.“ Und hängt auf.

Ich fasse es nicht, ich  f a s s e es nicht!  Wie kann das denn passieren? Die Telekom schickt ihren Techniker zurück ins Jahr  2005. Das bestätigt mir auch die Hotline, als ich endlich wieder durchkomme: „Es wird nur ein Signal für eine ISDN-Leitung gemessen. Nutzen Sie noch ISDN?“  

Es ist der Moment, an dem ich fast zu schreien beginne und irgendwas gegen die Wand werfen will. Ich bin kein besonders geduldiger Mensch, und obwohl ich mir seit dem Beginn des Internet-Ausfalls gebetsmühlenartig den U2-Song „Stuck in a moment you can’t get out of“ („It's just a moment. This time will pass“) ins Gedächtnis rufe, gelingt mir das nicht. Tatsächlich zerreißt es mich, ohne Internet zu sein. Ich gestehe das gerne: Ich bin Internet-abhängig. So abhängig, wie ich von Strom, Wasser, Gas bin, bin ich abhängig von Bits und Bytes – nur vielleicht noch ein bisschen mehr, weil das mein verdammtes Leben ist. Das Arbeitsleben, das Privatleben und das Dazwischenleben.   

Als mir die Telekom-Frau erklärt, dass sie es sich auch nicht erklären könne, warum das System die alte Adresse ausspucke und die neuerliche Messung der Leitung kein Signal ergebe, drücke ich sie weg. Ich ertrage diese Situation schlicht nicht. Vor 72 Stunden bin ich gut erholt und mit den besten Absichten aus dem Urlaub gekommen, mir davon etwas zu bewahren, und mit jedem Tag, mit jeder Stunde, hat die Telekom sich davon etwas gestohlen, ohne dass sie mir das erklären könnte, ohne dass ein Ende in Sicht wäre – und dafür soll ich auch noch bezahlen, zweimal 13 Euro am Tag. Sieht so das neue Geschäftsmodell aus?

Schmerzlich muss ich mir eingestehen, dass es bis heute Momente in meinem weit fortgeschrittenen Erwachsenenleben gibt, in denen ich mich so hilfelos fühle wie ein 10-Jähriger, der den letzten Zug nach Hause verpasst hat – Momente wie diesen. Ich steige aufs Bike und radele in den Sonnenuntergang, bis meine Lungen hyperventilierten. Etwas weniger wütend komme ich zurück, doch mit Internet ist immer noch nicht zu rechnen. Noch einmal in der Hotline, noch einmal ein neuer Technikertermin.

4. Frustration

Tag vier ohne Netz, ich mache mich inzwischen auf das Schlimmste gefasst. Ich beruhige mich mit der Erkenntnis: Ich kann trotzdem online gehen, selbst wenn es 13 Euro pro GB kostet, ich bin nicht 3000 Meter hoch in den Alpen (selbst wenn ich da gerne wäre), diese Situation wird sich auflösen, denke ich mir.

An diesem Tag, der allerdings erneut vergeht, ohne dass sich der Techniker meldet oder das Internet wieder anspringt, macht es sich der Frust sofort wieder auf meiner Schulter bequem. Wie ein Kobold kommt der angehopst, guckt mich von oben an und grinst mich dumm an: Kann man nichts machen, nicht wahr?

Diese Erkenntnis setzt sich nach einem weiteren 45-minütigen Gespräch in der Hotline durch. Ich will nun endlich wissen, was Sache ist und erfahre dabei mehr, als mir lieb ist:
„Ihre Leitung wird nicht gefunden“, sagt mir die Telekom-Mitarbeiterin.
Ich sage ihr, dass ich das nicht verstehen kann, denn bis vor wenigen Wochen lief alles doch ohne Problem, seit Monaten, seit Jahren, seit letztem Jahrzehnt, seit letztem Jahrhundert, seit letztem Jahrtausend. Ich bin Kunde seit Mitte der 90er und habe etwas Vergleichbares noch nicht erlebt.

„Ich will Ihnen keine falsche Hoffnung machen“, wird die Telekom-Mitarbeiterin dann deutlich.  Die Leitung muss „bereinigt“ werden. Das könne dauern. Bestimmt drei bis fünf Werktage.  „Sie können sich aber beschweren“, gibt mir die Telekom-Dame dann noch einen gut gemeinten Ratschlag und die Nummer der Beschwerdestelle. „Bei ihrer Vorgeschichte geht’s dann vielleicht schneller.“ Ich komme mir vor wie ein Dauerpatient in der Hoffnung auf einen schnelleren Arzttermin… 

5. Resignation

Telekom-Schild REUTERS/Wolfgang Rattay/File Photo
Telekom-Schild REUTERS/Wolfgang Rattay/File Photo

Tag fünf offline. Wieder für 13 Euro pro GB Datenpakete buchen, wieder in der Telekom-Warteschleife gefangen. Keine Neuigkeiten, als ich endlich durchkomme. Ich will unterdessen einmal meine Zusatzkosten zur Sprache bringen und lerne wieder einmal etwas Neues über meinen Beziehungsstatus zur Deutschen Telekom, bei der ich seit 20 Jahren Kunde bin.

Den Ausfall und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten würden die Bonner sehr bedauern, er falle aber noch unter die Geschäftsbedingungen, denen ich als Privatkunde zugestimmt habe, ohne das zu erinnern. Wenn ich etwas an meinem Status ändern und Geschäftskunde werden möchte (merke: deutlich draufzahlen), könnten die entstandenen Zusatzkosten per Nachweis in der Kundenbuchhaltung geltend gemacht werden…

„Wir haben die Störungsmeldung abgeschlossen“, textet die Telekom unterdessen auf mein iPhone. Vorgang abgeschlossen, weiter offline – das klingt für mich inzwischen wie: Operation gelungen, Patient tot. Die wollen mich wohl verar…., denke ich und gehe in die Sommerluft.

Es ist ein seltsamer Zustand: Fünf Tage lang ohne Netz, in diesen fünf Tagen bestimmt fünf  Stunden Telefonate mit zehn verschiedenen Ansprechpartnern geführt, fünf Tage das Gefühl zu haben, zusätzlich an einem Projekt zu arbeiten, für das ich auch noch draufzahle. Ist es nicht verrückt, wie abhängig wir im Jahr 2016 immer noch vom Rohstoff des digitalen Zeitalters sind? Was ich verstehe: Dass das Internet ausfallen kann wie Strom, wie Wasser. Was ich nicht verstehe: Dass es fünf Tage und zehn Anrufe und etwa 100 Euro aus meinem Portemonnaie dauert, bis ein Dax-Konzern – immerhin der viertwertvollste der Republik – einen Fehler auf seiner Seite zu korrigieren versucht – und das bislang erfolglos.

Mit diesen Gedanken trotte ich von einem schönen Sommerabend an der Elbe nach Hause und überlege, welche Pasta wir nun zum Fisch essen sollten – Spaghetti oder Fussili –, als mir meine Frau auf die Schulter tippt und das iPhone hinhält, das mit WLAN-Symbol eine Seite lädt : „Das Internet geht wieder.“  Unglaube, Freude, Erlösung, wie nach Mario Götzes WM-Tor, als ich das MacBook aufklappe und – tatsächlich! – offene Seiten geladen werden: „Das Internet, das Internet!“ schreie ich völlig aufgelöst.

Was ich am nächsten Tag lerne, ist, dass es auch Geschäftskunden bundesweit getroffen hat,  dass die Telekom aktuell wohl mit Netzproblemen zu kämpfen hat.  Ich sehe einen gewissen Zusammenhang und frage mich, ob es bei mir die gleichen Probleme waren, von denen ich nur nichts erfahren habe, weil ich weiter hinten in der Reihe des Troubleshootings stand und rufe noch einmal bei der Telekom an. „Wir haben keine Notiz, woran es lang. Aber seien Sie doch froh, dass es wieder geht“, ist alles, was mir mitgegeben hat.

So ist das im Jahr 2016 als Telekom-Kunde: Man wird immer noch mit Gutsherrenmentalität behandelt – auch nach 100 Stunden offline, auch nach 20 Jahren als Kunde. Mit diesem unguten Gefühl endet eine Odyssee. Zurück bleibt die Gewissheit, dass sich das T-Drama jeden Moment wiederholen kann…

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