AfD stellt Team gegen Brüsseler «Eurokratie» auf
Was hat die Staatssekretär-Riege von Bundesinnenminister Seehofer mit den Kandidaten gemeinsam, die von der AfD auf die vorderen Plätze ihrer Liste für die Europawahl gewählt wurden? Frauen sucht man hier vergeblich.
Magdeburg (dpa) - Ihr Ziel sei es «Deutschland aus diesem EU-Alptraum herauszuführen», sagt die hessische AfD-Kommunalpolitikerin Christine Anderson. Auf der Europawahlversammlung der AfD in Magdeburg erntet sie dafür am Sonntag donnernden Applaus.
Wie sie zur Frauenquote stehe, wird Anderson gefragt. «Ich möchte gewählt werden, weil ich meinen Mann stehe», gibt sie zurück - die mehrheitlich männlichen Zuhörer sind verzückt. Mit Listenplatz acht ist die Aktivistin des fremdenfeindlichen Pegida-Bündnisses die bestplatzierte Frau auf der Kandidatenliste der AfD für die Wahl am 26. Mai. Auch auf Platz neun landete mit Sylvia Limmer aus Bayern eine Kandidatin.
Die AfD-ler sind sich bei ihrem seit Freitag in Magdeburg laufenden Treffen einig: Die EU ist ein «Bürokratiemonster», das unsinnige Stickoxid-Grenzwerte beschließt und die Souveränität Deutschlands beschneidet. Der AfD-Fraktionsmitarbeiter im Bundestag, Matthias Gellner (Nordrhein-Westfalen), fantasierte etwa von einem drohenden europäischen «Superstaat». «Stellt Euch vor, unsere Vorfahren würden sehen, was hier im Land mittlerweile vor sich geht, und ich garantiere Euch, sie würden diese links-grünen Selbstzerstörer und Deutschlandhasser mit Schimpf und Schande aus unserem Land jagen.»
Bis Montagabend will die AfD 40 Plätze besetzen. Sollte das nicht gelingen, könnte die Liste auf einem Parteitag im sächsischen Riesa Mitte Januar komplettiert werden. Dort will die AfD auch ihr Wahlprogramm beschließen.
Die ersten drei Tage waren dominiert von Reden, in denen die Kandidaten die deutsche und europäische Migrationspolitik geißelten. Als Verbündete im Europäischen Parlament sehen sie Parteien wie die rechte italienische Lega und die nationalkonservative polnische PiS. In die Europawahl wird die Partei von Parteichef Jörg Meuthen geführt. Er war am Freitag zum Spitzenkandidaten gewählt worden.
Der Parteitag zeigt: Der Chef Jörg Meuthen hat seine Position in der AfD gefestigt. Er fährt seit zwei Jahren einen ambivalenten Kurs: Bürgerlich im Habitus, wohlwollend gegenüber dem rechtsnationalen Flügel und dessen Gründer Björn Höcke. Der Thüringer Landeschef hatte Warnungen des Parteivorstandes vor einer drohenden Beobachtung durch den Verfassungsschutz als «politische Bettnässerei» abgetan.
Meuthen sagte mit Blick auf die Europawahl: «Über 15 Prozent bundesweit ist ein gutes Ergebnis. Mein Ehrgeiz geht aber deutlich weiter.» Der AfD-Politiker Maximilian Krah hofft in seiner Heimat Sachsen sogar auf mindestens 30 Prozent. Dies werde bundesweite Auswirkungen haben. «Lasst uns euer Eisbrecher sein, damit wir überall in Deutschland sächsische Verhältnisse haben», sagte Krah unter dem Jubel der Delegierten. Am 1. September 2019 sind in Brandenburg und Sachsen Landtagswahlen, am 27. Oktober in Thüringen.
Neben Meuthen auf Platz eins und Krah auf Platz drei wählte die Versammlung Guido Reil (Nordrhein-Westfalen) auf den zweiten und den baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Lars Patrick Berg auf den vierten Platz. Berg erklärte, Europa müsse eine Festung der Sicherheit bieten, «die uns beschützt vor menschen- und frauenverachtenden Messerstechern und Vergewaltigern». Platz fünf sicherte sich Bernhard Zimniok aus München.
Die wegen Großspenden aus dem Ausland an ihren Kreisverband in die Kritik geratene Fraktionschefin Alice Weidel nahm am Wochenende nicht an dem Kongress teil. Ein kleiner Demonstrationszug von AfD-Gegnern zog am Samstag ohne Zwischenfälle durch Magdeburg. Teilnehmer der Protestaktion trugen Plakate mit Slogans wie «Kein Platz für Nazis».
In Baden-Württemberg erklärten rund drei Dutzend Mitglieder ihren Austritt aus der AfD-Jugendorganisation und begründeten das schriftlich mit einem «Radikalisierungsprozess», der in den vergangenen Wochen an Fahrt gewonnen habe. Die Junge Alternative im Südwesten wird seit einigen Tagen vom Verfassungsschutz beobachtet.
Die aktuellen Umfrageverluste für die AfD hält Meuthen nicht für eine Trendwende und sprach von «kleinen Rückschlägen». Die Spendenaffäre, die Debatte über eine mögliche Beobachtung der Partei durch den Inlandsgeheimnis sowie «die mediale Bearbeitung von Chemnitz» hätten der AfD nicht gut getan, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die AfD liegt im aktuellen ARD-«Deutschlandtrend» bei 14 Prozent. In Umfragen der vergangenen zwei Monate hatten zwischen 16 und 18 Prozent der Wähler angegeben, sie wollten den Rechtspopulisten ihre Stimme geben, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre.