Aktivistin der "Letzten Generation" empört sich bei "Hart aber fair": "Wir werden ver*rscht"

Bei "Hart aber fair" waren sich alle einig, dass nicht genug für den Klimaschutz getan wird. Doch wo ansetzen? In Louis Klamroths Talkshow machte Carla Hinrichs von der "Letzten Generation" ihrem Ärger Luft. Zur Seite sprang ihr ausgerechnet der ehemalige Umweltminister Peter Altmaier (CDU).

"Klimakrise ist jetzt": Carla Hinrichs von der "Letzten Generation" unterstrich bei "Hart aber fair" die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen nachdrücklich. (Bild: ARD)
"Klimakrise ist jetzt": Carla Hinrichs von der "Letzten Generation" unterstrich bei "Hart aber fair" die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen nachdrücklich. (Bild: ARD)

Carla Hinrichs hielt ihre Wut und ihre Verzweiflung im ARD-Talk "Hart aber fair" am Montagabend nicht zurück. "Wir werden verarscht, von der Weltkonferenz, von den internationalen Staaten, von der eigenen Regierung, den Entscheidungsträgern, die uns verkaufen wollen, dass das der große Coup ist, wenn man 100 Millionen in den Fonds steckt, obwohl das Ahrtal - nur das Ahrtal - 300-mal so viel gekostet hat", kritisierte die Klimaaktivistin der "Letzten Generation". Hinrichs bezog sich dabei auf das Jahrhundert-Hochwasser 2021, 17.000 Menschen im Tal verloren ihr gesamtes Hab und Gut, mindestens 135 Menschen hatte es das Leben gekostet. Dass es sich beim angesprochenen Loss and Damage-Fund nur um einen Teil der Klimafinanzierung handelte, wie Grünen-Politikerin Julia Verlinden später klarstellte, ging in den Emotionen unter.

"Wir haben die Klimaschutzlücke, die uns die Koalition angeführt von der Union hinterlassen hat, massiv kleiner gemacht", zählte Verlinden Maßnahmen wie den Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Weichenstellung für die Heizungswende und Inventionen im Wert von "zig Milliarden Euro" für die Deutsche Bahn auf. Hinrichs war das nicht genug: "Wann geht es in die Umsetzung?", wollte sie wissen und zitierte eine Studie der Adenauer-Stiftung von vergangener Woche, die nicht nur hohe Zustimmungsraten beim Thema Klimaschutz, sondern auch für konkrete Maßnahmen wie Tempolimit oder 9-Euro-Ticket zeigte. Würde die Regierung diese nicht umsetzen, müsste man nachhelfen. "In der Demokratie funktioniert das über Druck, über Protest, über laut sein und auf die Straße gehen", betonte die Klimaaktivistin.

Unter dem Motto
Unter dem Motto "Ratlos beim Weltklimarat: Reißt Deutschland seine Klimaziele?" diskutierte Moderator Louis Klamroth mit seinen Gästen das Hitze-Rekordjahr und die Weltklimakonferenz. (Bild: ARD)

Aktivistin: Deutschland muss sich schämen, "große Töne zu spucken"

Ob auch die umstrittenen Aktionen der "Letzten Generation" funktionieren, zweifelte nicht nur Verlinden an. Dennoch stimmte sie mit den Klimaaktivisten darin überein, "dass es beim Klimaschutz zahlreiche Maßnahmen gibt, die wir noch umsetzen müssen und wollen - auch in dieser Legislatur". Aber: "Bei diesen Inventionen steht aber ein Fragezeichen dran", musste sie Klamroth mehrfach an diesem Abend an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts erinnern, Haushaltsmittel für den Kampf gegen Corona nicht für den Klimaschutz verwenden zu dürfen.

Es ist nicht das einzige Urteil, das der Bundesregierung Steine in den Weg legt: "Letzte Woche hat das eigene Gericht, das Oberverwaltungsgericht in Berlin-Brandenburg, diese Regierung verurteilt und gesagt, ihr haltet euch nicht an eure eigenen Gesetze", nannte Hinrichs ein Beispiel dafür, warum sie "Herrn Scholz nur noch sehr wenig" abnehme. Dass der Bundeskanzler bei der Weltklimakonferenz in Dubai kürzlich Entschlossenheit demonstrierte, aus fossilen Energieträgern auszusteigen, wäre wenig glaubwürdig: Deutschland müsse sich schämen, auf internationalen Konferenzen "große Töne zu spucken, wenn die eigenen Gerichte attestieren, dass es nicht reicht".

Unterstützung von unerwarteter Seite: Als ehemaliger Umwelt- und Wirtschaftsminister wurde Peter Altmaier (CDU) von Carla Hinrichs noch kritisiert, doch er gab ihr in einem gewichtigen Punkt recht. (Bild: ARD)
Unterstützung von unerwarteter Seite: Als ehemaliger Umwelt- und Wirtschaftsminister wurde Peter Altmaier (CDU) von Carla Hinrichs noch kritisiert, doch er gab ihr in einem gewichtigen Punkt recht. (Bild: ARD)

Altmaier: "Verlieren jede Glaubwürdigkeit"

Rückendeckung kam von unerwarteter Seite, vom ehemaligen Umwelt- und Wirtschaftsminister der großen Koalition, Peter Altmaier (CDU): "Wenn wir "selbst unsere eigenen Gesetze nicht einhalten, dann verlieren wir jede Glaubwürdigkeit, nicht nur national, sondern auch international". Altmaier bezog sich dabei vor allem auf den Plan der Bundesregierung, statt einzelner Sektorenziele künftig nur ein Ziel für alle Sektoren - Verkehr, Energie, Industrie etc. - zu setzen: "Das, was die Ampel vorhat, ist, dass man sich wieder den schwarzen Peter oder das faule Ei zuschieben kann." Verlinden verwies darauf, dass das Gesamtziel trotzdem erreicht werden müsse.

Es wäre eine "vernünftige Entscheidung", gab ihr Ökonom Clemens Fuest recht und plädierte für einen "Zertifikatehandel über Sektoren hinweg". Statt willkürliche Einsparungen in Sektoren anzukündigen, sollte man dort einsparen, "wo es am günstigsten ist. CO2-Preise müssen erhöht werden, daran fehlt es". Dass nationale Maßnahmen hingegen für den Klimaschutz etwas brächten, wagte er zu bezweifeln. Schließlich handle es sich um ein globales Problem, gab er zu bedenken. "Ob wir selbst den ÖPNV ausbauen oder nicht, das sind wünschenswerte Maßnahmen, wird aber global nichts bringen", pochte Fuest auf einen anderen Zugang.

"Wir sind aber global schon eine relevante Technologiemacht. Wir müssen anderen Ländern Technologien anbieten, die energiefreundliche Energieproduktion attraktiv machen, unabhängig von der Klimawirkung", setzte der Präsident des ifo Instituts auf Deutschlands Einfluss. So könne der Ausstieg aus fossiler Energie für Entwicklungsländer interessant und für Ölstaaten ein spannendes Businessmodell werden: "Sonst ist es eine Illusion zu glauben, wir könnten durch eine Senkung der Nachfrage nach Öl und Kohle das Klima schützen."

Nach Carla Hinrichs' Ausführungen musste auch Grünen-Politikerin Julia Verlinden eingestehen, dass sich auch in dieser Legislatur noch etwas ändern muss. Auch ARD-Meteorologe Sven Plöger hoffte auf ein Umdenken. (Bild: ARD)
Nach Carla Hinrichs' Ausführungen musste auch Grünen-Politikerin Julia Verlinden eingestehen, dass sich auch in dieser Legislatur noch etwas ändern muss. Auch ARD-Meteorologe Sven Plöger hoffte auf ein Umdenken. (Bild: ARD)

Sven Plöger: "Liegen noch weit weg neben der Spur"

"Wir liegen noch weit weg neben der Spur", verwies ARD-Meteorologe Sven Plöger auf eine weltweite Untersuchung von State of Climate Action, die 42 Sektoren hinsichtlich der Treibhausgasemissionen überprüft hatte. Nur beim Anteil der E-Fahrzeuge wäre das Ziel bis 2030 zu erreichen. "Würden wir aber alle Stellschrauben, die wir schon beschlossen haben, anwenden, dann würden wir auf 2,1 Grad kommen", gab der Metereologe Hoffnung, den aktuellen 2,7 Grad-Kurs zu stoppen und näher an das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Abkommens zu gelangen. "Wir haben eine riesige Aufgabe, alle zusammen, und ich hoffe, dass die Gesellschaft einen Step weiter macht, um in eine andere Richtung zu gehen, als das, was wir beobachtet haben", blickte er schon auf die Klimakonferenz 2024. "Denn sprechen wir uns in einem Jahr wieder", beendete Klamroth die Sendung.

Im Video: Klima-Urteil - Bundesregierung wird zu einem Sofortprogramm verurteilt