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Akuter Medikamentenmangel: Ärzte-Chef schockt mit Flohmarkt-Vorschlag

Akuter Medikamentenmangel: Ärzte-Chef schockt mit Flohmarkt-Vorschlag

Angesichts der angespannten Lage im deutschen Gesundheitssektor und insbesondere der Knappheit bestimmter Medikamente, hat der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, mit einem ungewöhnlichen Aufruf zur Solidarität für Aufmerksamkeit gesorgt.

Reinhardt sagte dem Tagesspiegel gegenüber, Menschen sollten sich gegenseitig mit Medikamenten aus der Hausapotheke aushelfen. Wer gesund sei, müsse vorrätige Arznei an Kranke abgeben. Und wie? Sein Vorschlag: "Wir brauchen so was wie Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft."

Der Präsident der Bundesärztekammer ging mit seinem Vorstoß sogar noch weiter und unterstrich, dass hierfür auch Arzneimittel infrage kommen könnten, deren Haltbarkeitsdatum bereits einige Monate abgelaufen sei. In der Not könne man zahlreiche Medikamente immer noch gefahrlos verwenden.

Eigentlich ein ganz erstaunlicher Vorschlag, wenn man bedenkt, dass bei verschreibungspflichtigen Medikamenten von Eigenmedikation abgeraten wird.

Bild-Zeitung titelte: "Wie krank ist das denn?"

Wie konkret der Medikamente-Austausch ablaufen solle, detaillierte Reinhardt nicht, sorgte aber zum Teil für entrüstete Reaktionen. Die Bild-Zeitung titelte: "Wie krank ist das denn?" Und erklärte laut Eigeninformationen, in der Bundesregierung halte man den Vorschlag für unseriös. Gesundheitsminister Karl Lauterbach habe sich auf Anfrage nicht dazu äußern wollen.

Zur kritischen Lage in den Krankenhäusern insgesamt sagte Reinhardt, es müssten klare Prioritäten gesetzt werden und Menschen mit schweren Infektionskrankheiten in ganz Deutschland vorrangig behandelt werden.

Planbare Eingriffe sollten deswegen verschoben werden. Sein Appell an Patienten, "vier bis sechs Wochen die Zähne zusammenzubeißen, wenn das irgend möglich ist".

Aktuelle akute Infektionswelle trifft auf Medikamentenmangel

Besonders betroffen sind Fiebersäfte für Kinder. Hier hat selbst das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Angebotsprobleme gemeldet. Es rät allerdings Verbrauchern sowie Apotheken und Händlern von einer Bevorratung ab. Geprüft wird stattdessen, ob Kindern auch Medikamente wie Paracetamol oder Ibuprofen in Tablettenform gegeben werden können.

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin, Christian Karagiannidis, plädiert dafür, dass der Staat in Kooperation mit hiesigen Pharmaherstellern bestimmte Medikamente auf Vorrat produzieren lässt, damit diese immer in ausreichenden Mengen verfügbar sind.

Apotheker beklagen Bürokratie

Angesichts der Engpässe von bestimmten Medikamenten klagt die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) über unnötige Bürokratie. "Ein individuell hergestellter Fiebersaft in der Apotheke kostet natürlich mehr und die Krankenkassen erstatten das nicht, wenn es nicht auf dem Rezept verordnet steht. Der Arzt kann aber nicht wissen, dass es in der Apotheke keinen Fiebersaft geben wird", sagte Gabriele Overwiening der Deutschen Presse-Agentur. So entstehe nur wegen der Krankenkassen eine völlig unnötige Bürokratie.

Es wäre ihrer Ansicht nach sinnvoll, dass Apotheken entscheiden könnten, wann sie das Mittel selbst herstellen. Ein weiteres Problem sei der zeitliche Mehraufwand, sagte Overwiening. Denn: "Wir dürfen das auch nicht im Voraus herstellen."

Grüne fordern Sofortmaßnahmen

Laut einem Bericht des Spiegel forderten die Grünen von Bundesgesundheitsminister Lauterbach eine Reihe von Sofortmaßnahmen, um gegen fehlende Arzneien und Behandlungsmöglichkeiten für Kinder vorzugehen.

In dem 4-Punkte-Krisenplan hieß es unter anderem, dass Apotheken fehlende Medikamente zur Behandlung akuter Atemwegserkrankungen eigenständig und ohne erneutes Rezept durch den behandelnden Arzt oder die Ärztin herstellen dürfen sollten.

Auch sollen sie Alternativprodukte ausgeben können, ohne dass dafür ein neues Rezept ausgestellt werden muss. Zudem solle der Großhandel verpflichtet werden, alle Medikamente, die von der Weltgesundheitsorganisation in der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel geführt werden.

Tätliche Übergriffe auf der Kinderstation

Inzwischen kommt es aufgrund der Überlastung vor allem von Kinderkliniken nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) zunehmend zu Anfeindungen oder sogar Übergriffen gegen die dort Beschäftigten. DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt sagte der "Rheinischen Post, es häuften sich Fälle von Androhung oder der tatsächlichen Ausübung psychischer und physischer Gewalt gegenüber dem Gesundheitspersonal.

Der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, stufte die Lage an den Kinderkliniken ebenfalls als weiterhin schwierig ein. "Pflegekräfte aus den Erwachsenenstationen können nur bedingt die Engpässe auf den Kinderstationen lindern, da in der Pädiatrie auf ihren Bereich hoch spezialisierte Fachkräfte arbeiten“, sagte Gaß der Rheinischen Post. Gleichwohl versuchten die Krankenhäuser, solche Umschichtungen zu organisieren.

Überbelastung wird durch Personalausfälle verschärft

Unterdessen kämpfen Krankenhäuser weiter mit Personalausfällen und zahlreichen Patienten mit Atemwegserkrankungen. "Wir dürften beim Personal mittlerweile bei einem Ausfall von neun bis zehn Prozent liegen, das heißt, fast jeder zehnte Mitarbeiter ist erkrankt", sagte der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, der dpa. Das seien 30 bis 40 Prozent mehr Ausfälle als zu dieser Jahreszeit üblich.