Als Alice Schwarzer vom "Stellvertreterkrieg" spricht, eskaliert der "Maischberger"-Talk

Mit dem Vorwurf der "Verschwörungsmythen" konfrontiert, verbat sich Alice Schwarzer solche "Polemik". (Bild: ARD / WDR)
Mit dem Vorwurf der "Verschwörungsmythen" konfrontiert, verbat sich Alice Schwarzer solche "Polemik". (Bild: ARD / WDR)

"Was für ein elender Quatsch!" So zahm das "Maischberger"-Gespräch mit Alice Schwarzer in der ARD losgegangen war, so schnell nahm es Fahrt auf und brachte die Frauenrechtlerin in Rage. Unter anderem ging es um Influencerinnen, Waffenlieferung an die Ukraine und Transsexualität ...

Ob die Lust am Streit ihr angeboren sei, wollte Gastgeberin Sandra Maischberger in der nach ihr benannten ARD-Sendung von ihrem Gast Alice Schwarzer wissen, die am kommenden Samstag 80 Jahre alt wird. "Sieht so aus", antwortete diese. Schlag auf Schlag ging es in den letzten 20 Minuten, in denen die "Emma"-Gründerin zunächst Einblicke in ihr Liebesleben gab, dann gegen die Welt der Influencerinnen ausholte, ihre umstrittene Sicht zum Thema Transsexualität bekräftigte und heftig mit dem ARD-Ukraine-Korrespondenten Vassili Golod aneinander geriet.

Der hatte zuvor gemeinsam mit ARD-Moderatorin Anna Planken und dem "FAS"-Kolumnisten Rainer Hank unter anderem über die Demonstrationen in China diskutiert, die sich gegen die strikte Null-Covid-Politik und Staatspräsident Xi Jinping richteten, der, so der aus München zugeschaltete China-Experte und "SZ"-Journalist Kai Strittmatter, vermutlich auch nach der Pandemie nicht von den neu geschaffenen Überwachungsmethoden lassen werde. Dass Menschen nun aus Sehnsucht nach Freiheit auf die Straße gingen, nannte er "bewundernswert" und "historisch".

ARD-Korrespondent Vassili Golod, gebürtiger Ukrainer, kritisierte Alice Schwarzer scharf.  (Bild: ARD / WDR)
ARD-Korrespondent Vassili Golod, gebürtiger Ukrainer, kritisierte Alice Schwarzer scharf. (Bild: ARD / WDR)

Chef der Bundesnetzagentur gibt sanfte Blackout-Entwarnung

Ein fließender Übergang zum Thema der einseitigen Abhängigkeiten Deutschlands - "Energie von Russland, Industrie von China und Sicherheit von den USA" -, die "im Nachhinein ein Riesenfehler" seien, wie Rainer Hank es nannte. Zum Thema Energieversorgung sprach Maischberger mit dem Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller (B'90/Grüne), der, was die mitunter gefürchteten Blackouts im Winter anging, vorsichtige Entwarnung gab: Deutschland sei grundsätzlich gut aufgestellt und vorbereitet, nichtsdestotrotz appellierte er, im Privaten weiter die angestrebten 20 Prozent einzusparen.

Für viele Menschen in der Ukraine ist das bei uns noch abstrakte Horrorszenario aufgrund der zerstörten Wärme-, Strom- und Wasserversorgung bereits bittere Wirklichkeit, dennoch plädiere, so Vassili Golod, jede Person, mit der er in der Ukraine spreche, dafür durchzuhalten, wenn auch in der Erwartung weiterer Unterstützung aus dem Westen. Auch Unterstützung mit Waffen, was wenig später zum hitzigen Schlagabtausch mit Alice Schwarzer führen sollte.

So unterhaltsam wie streitbar: Alice Schwarzer rundet in Kürze das 80. Lebensjahr. (Bild: ARD / WDR)
So unterhaltsam wie streitbar: Alice Schwarzer rundet in Kürze das 80. Lebensjahr. (Bild: ARD / WDR)

Alice Schwarzer "den Tränen nahe"

Deren Auftritt begann geradezu rührend, als sie mit Sandra Maischberger über den Film "Alice" sprach, den die ARD am Mittwochabend, 30.11., um 20.15 Uhr zeigen wird. Darin ist unter anderem zu sehen, wie die Feministin ihre erste große Liebe, den Franzosen Bruno, nach zehn Jahren für eine Frau verlässt. Als sie diesen Abschied nun noch mal im Film sehen konnte, sei sie "den Tränen nahe" gewesen, gestand sie.

Doch alsbald kam die kämpferische Seite der Alice Schwarzer zum Vorschein, wenn sie etwa beklagte, dass sich durch Influencerinnen die "breite Straße", die von den Pionierinnen des Feminismus geebnet worden war, wieder verenge. "Ich find' gefährlich, dass jungen Mädchen erzählt wird: Konsum macht glücklich. Und als Frau muss man immer 'ne glatte Haut haben und schlank sein." Ihre Generation wollte "nicht glattere Haut, wir wollten die Welt verändern!" Das müsse ja kein Widerspruch sein, so Maischberger, Schwarzer befürchtete dennoch die Vermittlung falscher Werte. "Und sie verlieren sehr viel Zeit mit so was!"

"Das Grauen muss aufhören!" Da waren sich alle im Studio (hier Alice Schwarzer und Sandra Maischberger) einig. Über das Wie allerdings weniger. (Bild: ARD / WDR)
"Das Grauen muss aufhören!" Da waren sich alle im Studio (hier Alice Schwarzer und Sandra Maischberger) einig. Über das Wie allerdings weniger. (Bild: ARD / WDR)

"Da sind wir im Bereich der Verschwörungsmythen!"

Deutlich schärfer wurde der Ton, als Maischberger Schwarzer auf den von ihr initiierten Offenen Brief an Olaf Scholz ansprach, in dem sie und weitere Prominente Ende April einen Stopp der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine gefordert hatten. Ob sie dahinter immer noch stehe? "Aber mehr denn je!" Sie sei überzeugt: "Mit Waffen verlängert sich das Grauen!" Stattdessen solle Deutschland "maximale humanitäre Hilfe leisten" und "dazu beitragen, dass möglichst bald verhandelt wird".

Das werde ja getan, entgegnete Maischberger. Ob ein Stopp der Waffenlieferungen aber zu einem schnellen Frieden führen würde, werde von vielen Seiten bezweifelt. Als Schwarzer daraufhin von einem "Stellvertreterkrieg zwischen Amerika und Russland" sprach, schaltete sich der in der Ukraine geborene Journalist Golod ein: "Da sind wir im Bereich der Verschwörungsmythen angekommen!"

Schwarzer verbat sich die "Polemik", Golod wehrte sich: "Amerika hat erst mal gar nichts damit zu tun, dass Russland die Ukraine angreift! Dass Russland nicht akzeptiert, dass die Ukraine ein demokratischer Staat ist." Würde die Ukraine aufgeben, "dann würde Russland noch mehr Territorium einnehmen und noch mehr Menschen terrorisieren!"

Ist Alice Scharzer transfeindlich? "Was für ein elender Quatsch!"

Die Zeit war zu knapp, als dass dieser hitzige Zwist weiter ausgefochten werden konnte, es musste ja noch ein anderer angesprochen werden: der Vorwurf, Alice Schwarzer sei transfeindlich. "Was für ein elender Quatsch!", entgegnete der Gast. Seit 1984 setze sie sich für die Rechte von transsexuellen Menschen ein, rechnete Schwarzer vor.

Sie wolle lediglich ein geplantes Gesetz verhindern, das bereits 14-Jährigen erlaubt, jährlich ihr Geschlecht beim Standesamt ändern zu können, obwohl diese vielleicht gar nicht wirklich mit ihrem Körper, sondern mit ihrer Geschlechterrolle ein Problem haben. Gerne bringe sie in eine weitere Sendung ihre "vielen transsexuellen Freunde und Freundinnen mit, die selber auch schockiert sind", um das Thema ausführlich zu diskutieren. Maischberger: "Das ist ein Deal!"