Ampel-Bilanz bei "Hart aber fair": "Zu sehr am Fußball orientiert und zu wenig am Basketball"
Die Ampel hat mit Krisen zu kämpfen, fällt jedoch auch immer wieder durch internen Streit auf. Ist die Regierung überfordert? Bei "Hart aber fair" zogen Gäste wie Michael Keller (Grüne), Christian Dürr (FDP) und Dokumentarfilmer Stephan Lamby eine ernüchternde Zwischenbilanz.
Ukrainekrieg, Inflation und eine geplante Energiewende: Seit Amtsantritt hat es die Ampelregierung nicht einfach. Doch in den vergangenen Monaten sorgten ständige Streitereien, etwa um das Gebäudeenergiegesetz, für Kopfschütteln im Land - und sorgten für ein teils angekratztes Vertrauen in die Politik. Moderator Louis Klamroth erklärte daher am Montagabend bei "Hart aber fair": "Halbzeit für die Ampel, da ist es Zeit für ein Zeugnis."
Und wie fällt das aus? Journalist und Autor Stephan Lamby, der für seine ARD-Doku "Ernstfall" Spitzenpolitiker wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) über fast zwei Jahre begleitet hat, stellte zunächst klar, dass er "keine Haltungsnoten" verteilen wolle. Gleichzeitig gab er zu, dass er vor allem den Heizungszoff der Regierung als "destruktiv" wahrgenommen habe. Wenn die Regierung sich über ein halbes Jahr streite, "dann lähmt sie sich". Dem stimmte auch die Direktorin der Akademie für Politische Bildung, Ursula Münch, zu. Münch merkte jedoch auch an, dass man bei aller Kritik auch die schwierigen Rahmenbedingungen beachten müsse und der Druck auf die Regierung momentan "enorm hoch" sei. Ihre Halbzeit-Bilanz der Ampel? "Ich würde schon Richtung 'befriedigend' gehen."
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr fügte mit ernster Miene hinzu: "Wir sind in einer Situation, wo wir Krieg und Krise haben und merken, dass nach 20 Jahren in diesem Land zu wenig passiert ist." Jetzt brauche es mehr Reformen. "Einige haben wir angestoßen, mehr müssen noch kommen." Gleichzeitig gab er zu, dass vor allem "das 'Wie' der Kommunikation" und der Streit um das Heizungsgesetz völlig "überflüssig" gewesen seien. Grünen-Politiker Michael Kellner ergänzte: "Wir haben uns auch oft selber die Beine gestellt. Wir haben uns vielleicht zu sehr als Ampel am Fußball orientiert und zu wenig am Basketball." Heißt: "Wir haben zu wenig gemeinsam gespielt."
Christian Dürr: "Man kann sich natürlich gegenseitig Lüge unterstellen!"
Dann stellte ARD-Moderator Louis Klamroth die Frage, wer den ersten Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes an die Presse durchgestochen haben könnte. Ursula Münch erklärte prompt, dass sie es zwar nicht wisse, aber vermute, dass es von der FDP veröffentlicht wurde. Daraufhin konterte Christian Dürr entschieden: "Was faktisch nicht sein kann, weil wir es schlicht nicht hatten." Als CDU-Mann Brinkhaus leise lachte, fügte Dürr sauer hinzu: "Man kann sich natürlich gegenseitig Lüge unterstellen!" Brinkhaus reagierte gelassen: "Wenn irgendwas auf Papier ist, kriegt's Füße."
Brinkhaus' Forderung: "Wir müssen alle mal nach vorne gucken." Die Politik müsse laut des CDU-Politikers "zeigen, dass sie handlungsfähig ist", weil sich die Gesellschaft sonst weiter "zu radikalisieren" drohe. Hier stimmte Dürr zu und sagte mit zuversichtlichem Blick auf den geplanten Deutschlandpakt: "Wenn wir das zusammen hinkriegen, erreichen wir nach 20 Jahren endlich mal wieder ein großes Reformpaket für Deutschland. Das würde mich ausdrücklich freuen."
In diesen Optimismus hinein machte Louis Klamroth deutlich, dass bei einer aktuellen Bundestagswahl rund 22 Prozent der Bürger die AfD wählen würden. "Schlottern Ihnen da nicht als Regierungspartei die Knie?", wollte Klamroth von FDP-Politiker Dürr wissen. Der zeigte sich jedoch zuversichtlich und stellte klar, dass man mit der angedachten Reformpolitik auch die AfD wieder verkleinern wolle.
Autor Stephan Lamby klagte jedoch an: "Hinter den 22 Prozent steckt Angst und für die Angst tragen Sie eine Mitverantwortung." Ursula Münch ergänzte, dass auch die CDU als Oppositionspartei eine Mitschuld trage. Viele mit der Ampelkoalition unzufriedenen Wähler würden nicht bei der Union landen, "sie gehen zu dieser destruktiven Opposition". CDU-Mann Ralph Brinkhaus gestand ein: "Normalerweise müsste dieses Potenzial bei uns landen. Da müssen wir uns an die eigene Nase fassen."
Dokumentarfilmer Lamby: Ampel hat "ganz schön Bammel vor dem nächsten Jahr"
Zum Ende der Sendung fragte Louis Klamroth in Richtung Stephan Lamby: "Hält die Ampelregierung noch zwei Jahre?" Der Journalist antwortete zunächst überraschend zuversichtlich: "Ja, da habe ich keine Zweifel." Gleichzeitig warnte er jedoch auch: "Die haben ganz schön Bammel vor dem nächsten Jahr." Und das werde für die amtierende Regierung noch mal schwieriger als das aktuelle.
Besonders mit Blick auf die anstehende Europawahl sowie die Präsidentschaftswahl in den USA sehe Lamby große Hürden, die es zu bewältigen gelte: "Ich habe nicht den Eindruck, dass die Bundesregierung ausreichend - auch intellektuell - vorbereitet ist auf das, was da kommen kann, sowohl in Deutschland wie in den USA." Der Autor wolle demnach nicht wissen, was ein potenzieller Wahlsieg von Donald Trump "für Europa und für Deutschland" bedeuten könnte. Umso mehr machte sich Lamby im Gespräch mit Klamroth für eine Intensivierung der Beziehungen zu Frankreich und Großbritannien stark, um die Ukraine davon unabhängig langfristig im Kampf gegen Russland zu unterstützen.