Scholz beschwört Geschlossenheit der SPD

Berlin (dpa) - Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Geschlossenheit seiner Partei auch unter öffentlichem Druck beschworen. Manche hätten damit gerechnet, dass es auf dem SPD-Parteitag an diesem Wochenende in Berlin mit dem Zusammenhalt vorbei sei. Doch das werde nicht passieren, machte Scholz am Samstag in seiner Parteitagsrede klar. «Diese sozialdemokratische Partei wird auch die nächsten Jahre gemeinsam zusammen arbeiten», betonte er. Niemand habe damit gerechnet, dass die SPD das so lange durchhalte.

Scholz blickte vier Jahre zurück. Auch damals sei die SPD in einer sehr schwierigen Situation gewesen. Den Erfolg bei der Bundestagswahl habe den Sozialdemokraten zwei Jahre vor der Wahl 2021 noch niemand zugetraut. Aktuell steckt die SPD in einer ähnlichen Lage: Zwei Jahre vor der derzeit für 2025 geplanten Bundestagswahl sind die Umfragewerte der SPD erneut im Keller.

SPD schließt zum Auftakt des Parteitags die Reihen

Zum Auftakt ihres Parteitags hatte sich die SPD am Freitag zunächst ziemlich geschlossen präsentiert. Bei der Wahl der Parteispitze verzichteten die Delegierten darauf, das Führungstrio aus den Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie Generalsekretär Kevin Kühnert abzustrafen. Im Gegenteil: Esken und Kühnert verbesserten ihre Ergebnisse der letzten Wahl vor zwei Jahren deutlich. Klingbeil wurde für eine kämpferische Rede gefeiert.

Auch Scholz wurde mit langem Applaus empfangen - wenn auch ohne stehende Ovationen. Offene Kritik an seinem Regierungskurs gab es zunächst nicht. Mit Spannung wird nun erwartet, wie er am Samstag vor die Delegierten tritt. Nach der Klatsche des Bundesverfassungsgerichts wegen der Haushaltsführung der Bundesregierung ist der Kanzler angeschlagen.

Unzufriedenheit mit dem Kanzler so groß wie nie

In einer aktuellen YouGov-Umfrage attestieren ihm 74 Prozent, sehr schlechte oder eher schlechte Arbeit zu leisten. Nur 20 Prozent finden dagegen überwiegend gut, was er macht. Das ist der schlechteste Werte in der monatlich erhobenen Umfrage seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren.

Auch in dem am Donnerstag veröffentlichte ARD-«Deutschlandtrend» hatte sich nur noch jeder Fünfte mit der Arbeit des Regierungschefs zufrieden gezeigt. Nach Angaben des Senders war das der schlechteste Wert für einen Bundeskanzler oder eine -kanzlerin seit Beginn der Erhebung im Jahr 1997.

Scholz sichert Ukraine weitere Hilfe trotz Haushaltskrise zu

Trotz der Haushaltskrise hat Scholz der Ukraine anhaltende Unterstützung in ihrem Abwehrkampf gegen Russland zugesichert. Deutschland werde der Ukraine weiter finanziell und mit Waffen helfen, sagte Scholz. An die Adresse des russischen Präsidenten Wladimir Putin fügte er hinzu: «Er soll und er darf nicht darauf rechnen, dass wir nachlassen.»

Deutschland müsse in der Lage sein, die Hilfe weiter fortzusetzen und möglicherweise noch Größeres zu leisten, betonte Scholz. Man werde Entscheidungen treffen, «die uns in der Lage halten, dieses weiter zu tun».

Scholz schließt Abbau des Sozialstaats in Haushaltskrise aus

Scholz hat einen gravierenden Abbruch von Sozialleistungen wegen der Haushaltskrise ausgeschlossen. «Es wird in einer solchen Situation keinen Abbau des Sozialstaats in Deutschland geben», versprach der SPD-Politiker. Der Sozialstaat sei eine der größten Errungenschaften, die Deutschland zustande gebracht habe. Es gehöre zur DNA, zum Selbstverständnis des Landes, dass niemand aufgegeben werde. Das sei die Grundlage des Wohlstands, sagte Scholz.

Der Bundeskanzler zeigte sich zuversichtlich, in den Haushaltsverhandlungen mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu einem Ergebnis zu kommen. «Wir stehen nicht vor einer unlösbaren Aufgabe. Es müssen sich jetzt nur alle verständigen», sagte er. Zugleich räumte Scholz ein, die Situation sei sehr schwierig, «insbesondere, wenn man das nicht nur so machen kann, wie man das selber richtig findet, sondern sich auch noch mit anderen einigen muss».

Scholz hält an Bürgergeld-Erhöhung fest

Scholz (SPD) hat die geplante Erhöhung des Bürgergelds um rund zwölf Prozent verteidigt. Die deutliche Steigerung «nutzen diejenigen, die sowieso eigentlich finden, es ist immer zu viel, was denjenigen, die gerade keine Arbeit haben, gezahlt wird», sagte Scholz. «Ich finde aber, da muss man widerstehen.»

Angesichts der Haushaltskrise hatte es wieder vermehrt Diskussionen ums Bürgergeld gegeben. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte zuletzt in der «Bild am Sonntag» eine Neubewertung. Die CDU will nach Angaben von Generalsekretär Carsten Linnemann im Fall einer Regierungsübernahme arbeitsfähigen jungen Erwachsenen das Bürgergeld deutlich kürzen.

Scholz wirbt für Fachkräfte-Einwanderung

Scholz (SPD) hat eindringlich für die Einwanderung von Fachkräften geworben. Seine umstrittene Forderung nach Abschiebungen von Asylbewerbern ohne Bleiberecht in großem Stil wiederholte er aber nicht.

«Deutschland braucht als Einwanderungsland auch weiter die Perspektive, diejenigen aufzunehmen, die für das Wachstum und den Wohlstand dieser Gesellschaft erforderlich sind», sagte Scholz in seiner Rede. Er betonte, dass genauso, wie die irreguläre Migration begrenzt werden müsse, auch die Einwanderung von Fachkräften gefördert werden sollte.

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