Anne Will über ihr Fernseh-Aus: "Ich habe alles richtig gemacht!"

Anne Will moderierte den zuschauerstärksten Polittalk im deutschen Fernsehen. Ende 2023 verabschiedete sie sich jedoch. Bei "3nach9" erklärte sie, warum. (Bild: NDR / Wolfgang Borrs)
Anne Will moderierte den zuschauerstärksten Polittalk im deutschen Fernsehen. Ende 2023 verabschiedete sie sich jedoch. Bei "3nach9" erklärte sie, warum. (Bild: NDR / Wolfgang Borrs)

Seit fünf Monaten hat die ehemalige ARD-Talkerin Anne Will kein Fernsehstudio mehr betreten. In der Radio-Bremen-Talkshow "3nach9" erzählte sie am Freitagabend, wie sie eine neue Aufgabe fand und wie sie heute auf die Welt schaut.

Vor 32 Jahren hat Anne Will (58) ihren ersten Fernseheinsatz für die ARD. Da ist sie Streckenreporterin beim Berlin-Marathon. Plötzlich läuft Stephan Freigang an ihr vorbei, der kurz davor bei den Olympischen Spielen in Barcelona die Bronzemedaille im Marathonlauf gewonnen hat. Freigang feiert an diesem Tag seinen 25. Geburtstag, und Anne Will bietet ihm ein Glas Sekt an. Heute würde sie das nicht mehr machen, sagt Anne Will am Freitagabend in der von Judith Rakers und Giovanni di Lorenzo moderierten Radio-Bremen-Talkshow "3nach9".

Für Anne Will ist der Marathonlauf der Beginn einer Fernsehkarriere. Sie moderiert Talkshows in den regionalen dritten Fernsehprogrammen von SFB und WDR, es folgen die Tagesthemen in Ersten. Ab 2007 hat sie ihre eigene Talkshow, die sie selber produziert. Zuerst sendet sie am Sonntag um 21.45 Uhr, ab 2011 gut vier Jahre am späten Mittwochabend, um dann 2016 wieder auf ihren angestammten Sendeplatz am Sonntag zurückzukehren. 2023 gibt der NDR das Ende ihrer Talkshow bekannt. Caren Miosga löst sie im Januar dieses Jahres ab.

Ihre Talkshow habe ihr Spaß gemacht, erzählt Anne Will bei "3nach9". Sie habe tun und lassen können, was sie wollte. Und sie habe ein tolles Team gehabt. Doch irgendwann kamen Zweifel. "Ich hatte das Gefühl, dass unser Beruf einer ist, der noch so viel mehr bereithält." Da müsse noch etwas anderes sein. Nur was, das weiß Anne Will lange nicht. Erst kurz vor der letzten Sendung sei ihr klar geworden: Ein Podcast soll es sein.

Den betreibt sie nun. "Politik mit Anne Will" heißt er. Mit den Platzhirschen der Szene kann sie es noch nicht aufnehmen, aber die Einschaltquoten sind für den Anfang ordentlich. "Ich habe das Gefühl, ich habe alles richtig gemacht. Ich fühle mich wesentlich lebendiger", so Anne Will. "Podcast ist eine richtig schöne Form. Ich vermisse gar nichts."

"Ich habe einen Grundoptimismus"

Früher habe sie gesagt, sie fühle sich als Glückskind. Das habe sich inzwischen geändert. "Aber ich habe einen Grundoptimismus", fügt Anne Will hinzu. Doch in den letzten Jahren sei so viel auf der Welt passiert, das sie sich nicht hätte vorstellen können. "Das hat mein Lebensgefühl, an dem Empfinden, dass ich ein Glückskind bin, das zum Beispiel einen dauerhaften Frieden in Europa erfahren hat, sehr erschüttert. Das spüre ich an mir."

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine setze ihr sehr zu. Anne Will: "Ich empfinde es als richtig, wenn der Verteidigungsminister sagt, wir müssten als Land, und da meint er uns als Gesellschaft ja auch, kriegstüchtig werden. Solche Begrifflichkeiten hätte ich vor ein paar Jahren vollkommen Fehl am Platz gefunden."

Doch weder der Krieg in der Ukraine noch Ereignisse wie die Klimakrise haben Anne Will den Optimismus nehmen können. "Ich bewahre mir den Grundoptimismus, dass wir hoffentlich Wege und Möglichkeiten finden, da umzusteuern. Vielleicht klappt das nicht, was die Klimakrise angeht, aber dass man zu einem Frieden zurückfindet."

Aber Anne Will hat noch eine schwierige Aufgabe, die sie gemeinsam mit ihrem Bruder geschultert hat: Ihre Eltern. "Meine Eltern leben noch, aber es geht ihnen nicht so gut. Die sind in Sicherheit, das war mir sehr wichtig." Anne Wills Vater leidet an Parkinson, ihre Mutter ist dement. "Das macht etwas mit mir."

Doch bei "3nach9" ist Anne Will gut gelaunt. Sie ist fröhlich und locker, und sie zeigt, dass sie wie ein Wellensittich pfeifen kann. Wie ein blauer. Ja, man kann es spüren: Anne Will ist eine optimistische Frau.