Bei "Anne Will": Linken-Politiker schlägt Blauhelm-Mission mit chinesischen Soldaten vor

Jan van Aken (Linke) hatte bei "Anne Will" einen erstaunlichen Vorschlag: Chinesische Soldaten sollen in einer UN-Mission in die Ostukraine entsandt werden. (Bild: ARD)
Jan van Aken (Linke) hatte bei "Anne Will" einen erstaunlichen Vorschlag: Chinesische Soldaten sollen in einer UN-Mission in die Ostukraine entsandt werden. (Bild: ARD)

Viele Deutsche wünschen sich mehr diplomatische Bemühungen bei der Lösung des Ukraine-Kriegs. Doch wie soll das möglich sein? Bei "Anne Will" hob Jan van Aken (Linke) erneut die Bedeutung Chinas hervor - und brachte eine UN-Mission in den besetzten Gebieten ins Spiel.

Die Sehnsucht nach Frieden in der Ukraine ist groß. In deutschen Talkshows wird aktuell lebhaft darüber diskutiert, ob Waffen und/oder Diplomatie-Bemühungen schneller zum Ziel führen - so war es auch am Sonntag bei "Anne Will" (ARD). Natürlich müsse Aggressor Russland von seinen Zielen abrücken, aber: "Wer hat Einfluss auf den Kreml?" - Diese rhetorische Frage stellte Jan van Aken (Linke), der bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu internationalen Krisen- und Konfliktgebieten arbeitet. Die Antwort gab er gleich selbst: China. Doch lässt sich das autokratische Regime in Peking auf diese Rolle ernsthaft ein?

Eine Voraussetzung für erfolgreiche Friedensverhandlungen sei immer gewesen, dass der "große Bruder" mit dabei gewesen sei, referierte der Linken-Politiker. "Bei Russland ist der große Bruder China", meinte van Aken. Er befand: "China hat kein Interesse am Krieg, China möchte, dass der Krieg beendet wird." Das Positionspapier, welches China bei der Münchner Sicherheitskonferenz präsentierte, sei doch ein "guter Anfang". Dem früheren Bundestagsabgeordneten wird zu viel über Waffenlieferungen diskutiert. Van Aken ist sich sicher: "Das Gerede über Waffen verhindert eine Entwicklung kluger und neuer Ideen für Diplomatie."

Widerspruch erfuhr van Aken von der einzigen Ukrainerin in der Runde sowie vom Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen. "Russland wird nicht aufhören", stellte Ljudmila Melnyk, Wissenschaftlerin am Institut für Europäische Politik, klar. Jetzt auf Waffen zu verzichten, werde dazu führen, dass Russland weitere Territorien erobere. Diplomatische Bemühungen sollten aber parallel laufen. "Wir haben ja genau das, was Herr van Aken propagiert, 2014, 2015 versucht", erinnerte Christoph Heusgen, der Minsk 2 mit ausverhandelt hatte. Kreml-Chef Wladimir Putin verneine jedoch die Existenz der Ukraine.

Ljudmyla Melnyk, Projektleiterin und Wissenschaftlerin am Institut für europäische Politik, verwies auf die ukrainischen Interessen. (Bild: ARD)
Ljudmyla Melnyk, Projektleiterin und Wissenschaftlerin am Institut für europäische Politik, verwies auf die ukrainischen Interessen. (Bild: ARD)

"Jede Friedensverhandlung ist mit der Waffe an der Schläfe"

Daraufhin zitierte van Aken Militärexpertin Claudia Major, die kürzlich erklärt habe, dass es drei Wege zum Ende eines Krieges gebe: Eine Seite gewinne - das sieht van Aken nicht kommen -, beide Seiten werden kriegsmüde - das würde noch viele Jahre dauern -, oder es gebe in einem Land politische Veränderungen. "Sie müssen politisch was im Kreml ändern", so van Aken. Aber da er nicht an einen Putsch gegen Putin glaube, hob er erneut die Rolle Chinas hervor: "Ohne China gibt es keine Verhandlungen." Bezogen auf die Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz ergänzte der Linken-Politiker: "Jede Friedensverhandlung ist mit der Waffe an der Schläfe - jede!" Wenn Scholz seine bildhafte Absage ernst meine, bedeute das, es käme überhaupt nicht zu Verhandlungen.

Ljudmyla Melnyk wird zu wenig über die Wurzeln des Krieges gesprochen. "Wir kennen Putin", bekräftigte die Wissenschaftlerin - und man kenne die Verbrechen in Tschetschenien und Syrien. Und jetzt Verhandlungen mit diesem Mann? "Glauben wir, dass das alles zu einem Sinneswandel plötzlich führen könnte?"

"Vertrauen ist nicht da", musste auch van Aken einräumen. Dennoch stelle sich die Frage, wie es Sicherheitsgarantien für die Ukraine geben könne - die NATO könne diese nicht geben. Deshalb schlug van Aken bei "Anne Will" ein UN-Mandat für die besetzten Gebiete vor, an dessen Ende ein Referendum stehen solle - wie früher auch im Saarland praktiziert. "Das sind Möglichkeiten, die am Ende stehen könnten, ohne, dass man Putin vertrauen muss." Heusgen hielt dagegen: Bereits vor der Invasion 2022 habe es diesen Plan gegeben, aber Putin habe "keinen Waffenstillstand akzeptiert".

Christoph Heusgen, der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, erinnerte daran, dass Russland bei Minsk 2 vertragsbrüchig wurde. (Bild: ARD)
Christoph Heusgen, der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, erinnerte daran, dass Russland bei Minsk 2 vertragsbrüchig wurde. (Bild: ARD)

"Putin wird niemals auf einen chinesischen Soldaten schießen"

Doch wie soll das aussehen? Wieder wurde über China diskutiert. China habe die territoriale Integrität der Ukraine im Budapester Memorandum bestätigt, sich nun aber im UN-Sicherheitsrat enthalten, merkte Christoph Heusgen an. Nicht nur Russland habe also den Vertrag missachtet.

"Sollen das dann möglicherweise chinesische Soldaten sein, die das vor Ort umsetzen?", schlug van Aken bezüglich eines möglichen Blauhelm-Mandats vor. "Putin wird niemals auf einen chinesischen Soldaten schießen." Die engsten Verbündeten Russlands seien die sogenannten BRICS-Staaten: Brasilien, Indien, Südafrika und China. Wenn diese Nationen große Kontingente bei den Blauhelm-Truppen stellen würden, "dann wird Russland nicht angreifen".

Ukrainerin: UN-Idee "gelinde gesagt zynisch"

Tatsächlich stieß der Vorschlag bei Heusgen auf offene Ohren, wenngleich der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz erneut darauf hinwies, dass sich sowohl Indien als auch China im Sicherheitsrat enthalten hätten. Aber: "Man sollte das versuchen." Van Aken fand die Enthaltung Chinas in diesem Fall vorteilhaft: "Nur dadurch haben sie noch die Möglichkeit, Mediator und Vermittler zu sein."

Ljudmyla Melnyk sieht das ganz anders. Die Idee mit der UN-Mission bezeichnete sie als "gelinde gesagt zynisch". Vor der Invasion Russlands habe in den Gebieten niemand Referenden gewollt. In den Gebieten gebe es ohnehin nur noch "verbrannte Erde". Menschen seien schon nicht mehr dort.