ARD-Doku zeigt neuen Stolz der Panzer-Bauer: "Deutsches Gerät ist gutes Gerät!"
"Wir müssen Deutschland dienen." Das sagt Armin Papperger, und sein Konzern Rheinmetall tut es, indem er Kriegsmaschinerie verkauft. Für seine ARD-Story "Inside Rheinmetall - Zwischen Krieg und Frieden" beleuchtete Journalist Klaus Scherer sechs Monate lang den Rüstungsgiganten. Von innen.
Der Countdown läuft, und bei Null rotzt der Stahlrüssel im Zehntelsekundentakt todbringenden Auswurf in die Pampa der Lüneburger Heide. Es sieht aus wie eine Szene aus einem Computergame. "Tanks 2023" könnte es heißen. Ist aber Realität.
Rheinmetall, der deutsche Rüstungsriese, testet die neue Munition für den "Gepard". Unter erschwerten Bedingungen: Die Munition wurde auf minus 46 Grad schockgefrostet. Damit man sehen kann, ob die Patronen auch im Winter funktionieren. Dem sibirischen. Oder ukrainischen. Damit der Kunde sagen kann: "Deutsches Gerät ist gutes und verlässliches Gerät."
Ein halbes Jahr ging NDR-Reporter und Grimme-Preisträger Klaus Scherer mit seinem Kamera-Team für die Doku "Inside Rheinmetall - Zwischen Krieg und Frieden" bei Deutschlands größtem Rüstungskonzern ein und aus. Das ist nicht alltäglich. Hersteller von Kriegsmaschinerie ließen sich bislang eher ungern hinter die Kulissen blicken.
Aber es hat sich viel geändert. Krieg ist spätestens seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Wortsinn näher ans Empfinden der Deutschen herangerückt. "Zeitenwende" ist deshalb auch Scherers Lieblingswort, das in der 45-minütigen "ARD-Story" sehr häufig fällt. Der Film ist in der ARD-Mediathek abrufbar.
"Aufstieg aus der gefühlten Schmuddelecke ins Tafelsilber der deutschen Wirtschaft"
Scherer und seinem Team gelangen eindrucksvolle Bilder. In seinem Film geht es aber nicht nur um Panzer und Patronen, sondern auch um Menschen. Vor allem um Konzernchef Armin Papperger. Der feierte am 30. Januar seinen 60. Geburtstag und bekam im März ein "nachträgliches Geschenk": Rheinmetall, 1889 vom Hörder Bergwerks- und Hütten-Verein als Munitionsbauer für das Deutsche Kaiserreich gegründet, wurde in den deutschen Leitindex DAX aufgenommen. Papperger durfte in Frankfurt stolz die Börsenglocke bimmeln.
Damit, so Scherer, sei der "Aufstieg aus der gefühlten Schmuddelecke ins Tafelsilber der deutschen Wirtschaft" gelungen. Papperger mag den Vergleich: "Es ist schön, dass man mal so gesehen wird." Und nicht mehr nur "als Buhmann in der Presse". Die Demonstranten draußen vor den Börsentoren sehen noch das "alte Image": "Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden in der ganzen Welt", reimen sie. Es ist eine knappe Handvoll, die da protestiert. Das war - Stichwort Zeitenwende - auch schon anders. Ein Mitarbeiter bestätigt, dass man einst von Security geschützt durch Demonstranten aufs Firmengelände geleitet wurde.
Der Börsenwert von Rheinmetall hat sich verdreifacht
Es ist halt eine Krux mit dem Geschäft mit dem Tod. Man verdient Geld, aber es klebt Blut daran. Das macht keinen Spaß, aber es ist notwendig. Und lukrativ: Seit Februar 2014, als der Russland-Ukraine-Krieg mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim faktisch begann, hat sich der Börsenwert von Rheinmetall verdreifacht.
Rheinmetall profitiert vom Krieg, das ist unstrittig. Gleichzeitig verklagte der Rüstungsriese die Bundesregierung: Weil die nach der Krim-Annexion die einst genehmigten Russland-Rheinmetall-Deals einfror. "Wir haben Waren für 130 Millionen gefertigt", erläutert Papperger. Und die will der Konzern von der Regierung zurück. Denn, so Papperger sachlich-geschäftlich: "Ich muss meine Aktionäre vor Schaden bewahren."
Anton Hofreiters persönliche Zeitenwende
Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) hielte es für "klüger", wenn Rheinmetall die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der entgangenen Russland-Millionen zurückziehen würde. Gleichwohl sieht Hofreiter, früher Rüstungsgegner bis in die Haarspitzen, die Notwendigkeit, der Ukraine zu helfen - auch mit militärischem Gerät aus Deutschland.
Hofreiter muss sich für seine ganz persönliche "Zeitenwende" von der politischen Konkurrenz als "Panzer-Toni" zeihen lassen. Aber er war zweimal in der Ukraine vor Ort. Er hat gesehen, was dieser "Eroberungskrieg einer Diktatur gegen eine Demokratie" bedeutet, von dem man sich nicht vorstellen konnte, dass es ihn "im 21. Jahrhundert mitten in Europa" noch einmal geben würde.
Armin Papperger: "Wir müssen Deutschland dienen"
In diese Kerbe schlägt auch der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev, mit dem sich Papperger zum Kaffee trifft, um Makeievs "Wunschliste" zu begutachten. "Wer theoretisiert und kritisiert, soll mal in die Ukraine kommen", sagt Makeiev. Für ihn gilt: "Deutsches Gerät ist gutes Gerät." Das gilt vor allem, was die Ukraine angeht, für den "Leopard". Der Panzer ist das Herzstück der Ukraine-Aktivität von Rheinmetall. Was Journalist Scherer als "perfekte Tötungsmaschine" bezeichnet, sieht Papperger als "Verteidigungsmaschine". Scherer erwidert: "Aber Panzer greifen an, Panzer töten." Papperger: "Er kann töten, er verteidigt."
Was, wenn der Ukraine-Krieg tatsächlich enden sollte? War es das dann mit dem Boom bei Rheinmetall? Papperger ist zuversichtlich. Es werde produziert, es werde herangeschafft, es werde repariert. Mit dem Plazet der Bundesregierung. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat "keine Berührungsängste mit der Rüstungsindustrie". Bei einem Termin stehen Pistorius und Papperger Seite an Seite und fest entschlossen. Papperger: "Wir müssen liefern. Es ist unsere verdammte Aufgabe, denn sowohl Bundeswehr als auch die Industrie muss Deutschland dienen."
Rheinmetall-Zulieferer: "Da denkt man nicht an Krieg"
Demnächst vielleicht aber auch Ungarn. Der Staat, der den internationalen Haftbefehl gegen den Kriegstreiber Putin nicht ausführen würde, ist auch Rheinmetall-Kunde. Der ungarische Verteidigungsminister Kristóf Szalay-Bobrovniczky, der sich Scherers kritische Nachfrage verbittet ("Wir wollten doch über Rheinmetall reden und nicht über Putin"), hat großes Interesse am Kampfpanzer "Panther".
Das Modell soll für Rheinmetall zum nächsten Flaggschiff werden und auch den Imageschaden durch den Puma - Insider-Häme: "Pannen-Puma" - beheben. Die Ungarn haben Anfang September den Vertrag geschlossen und werden wohl die erste Serie der neuen Panther bekommen. Zur Kritik an dem Ungarn-Deal sagt Papperger: "Ich bin kein Politiker."
Aber Rüstungsmogul und Macher. Deshalb wird auf den sogenannten "Friedhof" bei Kassel von Rheinmetall weiter aus reparaturbedürftigen oder schrottreifen Panzerteilen wieder kampffähiges Gerät hergestellt, im Werk tödliche Kriegsware liebevoll Hand-sortiert wie Weihnachtsschmuck. Und Testfahrten nicht nur für Kunden, sondern auch für Zulieferer durchgeführt. Dabei geht's nicht nur optisch zu wie beim "Baggerfahren auf dem Abenteuerspielplatz Kiesgrube", sondern auch vom Feeling her: "Da denkt man nicht an Krieg", gibt ein Angestellter einer Zulieferfirma zu.
Marius Meyering von Rheinmetall tut es dann am Rande eines Leopard-Tests doch. "Die Überlebenswahrscheinlichkeit ist im Leopard höher als in russischen Panzern." Unbesiegbar ist der "Leo" aber nicht. Aber das ist der Lauf der kriegerischen Welt: "Wenn er schon fünf russische T-72 abgeschossen hat und dann vom sechsten erwischt wird, dann ist das halt so. Das lässt sich nicht verhindern."
"Inside Rheinmetall" ist am Dienstagabend (24.10.) um 22.50 Uhr im Ersten zu sehen sowie bereits vorab in der ARD-Mediathek.