Schlagabtausch vor Asylgipfel
Berlin (dpa) - Vor dem für Mittwoch geplanten Gespräch zur Asylpolitik zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und den Ministerpräsidenten schieben Bund und Länder einander die Verantwortung für fehlende Fortschritte zu. Die Umsetzung wichtiger Beschlüsse, auf die man sich beim zurückliegenden Treffen im November geeinigt habe, seien an der «Untätigkeit dieser Bundesregierung» gescheitert, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident, Hendrik Wüst (CDU), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag).
Nicht oder nur teilweise umgesetzt worden seien die Beschleunigung der Asylverfahren von Menschen aus Staaten mit geringer Anerkennungsquote, die weitere Stärkung der europäischen Grenzagentur Frontex, die Erneuerung des EU-Türkei-Abkommens, die Prüfung, ob Asylverfahren außerhalb Europas möglich wären, sowie Migrationsabkommen mit wichtigen Herkunftsländern von Asylsuchenden. Darunter leiden laut Wüst die Städte und Gemeinden ebenso wie Flüchtlinge, die Hilfe benötigen.
Faeser verweist auf «Rückführungsverbesserungsgesetz»
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verwies dagegen auf das beschlossene Gesetzespaket mit «restriktiven Regelungen für mehr und schnellere Rückführungen». Die Reform sieht für die Behörden mehr Möglichkeiten vor, Ausreisepflichtige aufzufinden und ein Untertauchen zu verhindern. Beispielsweise wird die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von bislang 10 Tagen auf 28 Tage verlängert. Außerdem sollen Behördenvertreter in Gemeinschaftsunterkünften auch andere Räume als das Zimmer des Abzuschiebenden betreten dürfen. «Die für Rückführungen verantwortlichen Länder können diese Regelungen nun nutzen. Von der Bundespolizei werden sie dafür jede Unterstützung erhalten», sagte Faeser der «Süddeutschen Zeitung» (Montag).
Sprecher: Weniger unerlaubte Einreisen
Ihr Sprecher, Maximilian Kall, betonte am Montag in Berlin, das Bundesinnenministerium bereite sich bereits auf die nationale Umsetzung der auf EU-Ebene beschlossenen Reform der Gemeinsamen Europäischen Asylpolitik vor. Die auf deutscher und europäischer Ebene laufende Prüfung, ob Asylverfahren in Staaten außerhalb der EU rechtlich möglich seien, sei noch nicht abgeschlossen. Zu dieser Frage sei das Bundesinnenministerium aktuell mit Juristen und Juristinnen sowie Migrationsexperten im Austausch.
Der Sprecher verwies zudem auf den Rückgang der unerlaubten Einreisen nach Deutschland seit Einführung von Kontrollen im vergangenen Herbst. Faeser hatte Mitte Oktober Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz angeordnet.
Rund 329.000 Menschen hatten im vergangenen Jahr in Deutschland einen Erstantrag auf Asyl gestellt - etwa 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Die mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine, die seit Kriegsbeginn Ende Februar 2022 nach Deutschland kamen, sind in der aktuellen Statistik nicht erfasst, da sie kein Asyl beantragen müssen. Faeser hatte kürzlich eine Aufstockung des Personals angekündigt. Sie sagte der Zeitung: «Mit 1160 zusätzlichen Kräften beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und 300 Millionen Euro zusätzlich für die Digitalisierung und Beschleunigung der Asylverfahren zeigen wir, dass wir Tempo machen.» Dies müsse auf allen Ebenen passieren, auch in den Ausländerbehörden.
Am Wochenende hatten bereits Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und der hessische Regierungschef Boris Rhein (CDU) von der Bundesregierung ein Umsteuern in der Asylpolitik gefordert.
Streit um Bezahlkarte schon beendet
Einen Streitpunkt mit den Ländern hatte die Ampel-Koalition in der vergangenen Woche noch abgeräumt. Das Bundeskabinett beschloss am Freitag im Umlaufverfahren eine bundesrechtliche Regelung für eine Bezahlkarte für Asylbewerber, über die der Bundestag bald beraten dürfte. Ein Teil der staatlichen Leistungen für Asylbewerber soll künftig als Guthaben auf dieser Karte bereitgestellt werden. Das Ausschreibungsverfahren für die Karte, die von den Ländern eingeführt wird, läuft noch. Grünen-Politiker hatten zuvor erklärt, es brauche keine Änderung auf Bundesebene, um die Karte einzuführen - zudem gab es Befürchtungen, mit solchen Karten könne die Integration behindert werden. Die Länder pochten hingegen auf eine bundesweite Regelung, um Rechtssicherheit bei Klagen zu schaffen.