Nach Macron-Äußerung zu Taiwan: Baerbock betont Einigkeit der EU

Außenministerin Annalena Baerbock hat am Rande ihres China-Besuches versucht, angesichts umstrittener Äußerungen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum Konflikt um Taiwan den Eindruck europäischer Unstimmigkeit zu zerstreuen.

Außenministerin Annalena Baerbock (l, Bündnis 90/Die Grünen) und Chen Min'er (r), Parteisekretär der Stadt Tianjin, unterhalten sich im Saal des Gästehauses. (Bild: Soeren Stache/dpa)
Außenministerin Annalena Baerbock (l, Bündnis 90/Die Grünen) und Chen Min'er (r), Parteisekretär der Stadt Tianjin, unterhalten sich im Saal des Gästehauses. (Bild: Soeren Stache/dpa)

Macron habe am Vortag "noch einmal unterstrichen, dass die französische Chinapolitik eins zu eins die europäische Chinapolitik widerspiegelt", sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag am Rande ihres Besuches in der Hafenstadt Tianjin. Bei allen Differenzen in der EU sei es eine Stärke, "dass wir bei den zentralen Fragen von unseren Interessen und Werten nicht nur nah beieinander sind, sondern gemeinsame strategische Ansätze verfolgen".

Baerbock mit schlichtenden Worten zu Macrons Aussage

Macron hatte in Interview-Äußerungen nach seinem China-Besuch in der vergangenen Woche Europa zu einem eigenständigeren Kurs in der Taiwan-Frage aufgerufen und betont, Europa solle gleichermaßen Distanz zu China und zu den USA halten.

Baerbock unterstrich nun mit Blick auf die Peking-Visite Macrons, es sei "ein sehr wichtiges Zeichen" gewesen, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der französische Präsident gemeinsam in China gewesen seien. Wenn man einen gemeinsamen Binnenmarkt teile, könne man "gar keine unterschiedlichen Positionen zu dem größten Handelspartner der EU" - China - "und insbesondere zu Deutschland fahren". Die Bundesregierung stimme sich mit keinem anderen Partner in der EU so eng ab "wie mit unseren Freunden aus Frankreich".

Das steht auf der Agenda der Außenministerin

In Tianjin, südöstlich der Hauptstadt Peking, will die Grünen-Politikerin unter anderem den Unterricht an einer Pasch-Partnerschule besuchen und ein deutsches Unternehmen besichtigen, das Windturbinen produziert. Die zentralen politischen Gespräche sind in Peking geplant.

Baerbock hat zu ihrem Antrittsbesuch in China das Ziel betont, Chancen für eine künftige Zusammenarbeit auszuloten und Gefahren einseitiger Abhängigkeit abzubauen. "Für unser Land hängt viel davon ab, ob es uns gelingt, unser zukünftiges Verhältnis mit China richtig auszutarieren", sagte die Grünen-Politikerin vor dem Abflug zu ihrem ersten Besuch in China.

Ganz oben auf ihrer Agenda stehe aber auch das Interesse, "den Krieg vor unserer europäischen Haustür in der Ukraine schnellstmöglich, dauerhaft und gerecht zu beenden".

Nordkorea testet Raketen

Überschattet wird der Besuch durch einen neuen Raketentest Nordkoreas heute Morgen, Chinas Militärmanöver zur Einschüchterung des demokratischen Taiwans und die hohen Haftstrafen von 12 und 14 Jahren für zwei der bekanntesten chinesischen Bürgerrechtler Xu Zhiyong und Ding Jiaxi. Nach Angaben des südkoreanischen Generalstabs flog die nordkoreanische Rakete mit einer Reichweite von möglicherweise tausenden Kilometern in Richtung offenes Meer. Die Erprobung ballistischer Raketen, die mit Atomsprengköpfen bestückt werden können, ist Nordkorea durch UN-Beschlüsse untersagt.

Aktivisten haben an Baerbock appelliert, sich bei ihrem Besuch auch für die Menschenrechte einzusetzen. Die Grünen-Politikerin solle in Peking die sofortige Freilassung von Zhiyong und Jiaxi fordern, sagte Yaqiu Wang von der Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch am Donnerstag.

Auch solle Baerbock "unzweideutig die Besorgnis über die Verfolgung in Xinjiang, Tibet und Hongkong zum Ausdruck bringen", sagte die Forscherin der in New York ansässigen Organisation. Statt die Hände von staatlich ausgewählten Studenten zu schütteln und damit als Werkzeug der chinesischen Propaganda benutzt zu werden, sollte die Ministerin fordern, die Familien von inhaftierten Menschenrechtsaktivisten treffen zu können.

"Baerbock sollte gegenüber chinesischen Offiziellen auch klar machen, dass das künftige wirtschaftliche Engagement Deutschlands mit China von verbesserten Menschenrechtsbedingungen in dem Land abhängt", sagte Wang. Der Gegenwind, den Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach seinem China-Besuch vergangene Woche erlebt habe, sollte Baerbock eine klare Warnung sein, "sich nicht in ähnlicher Weise zu verhalten".

Auch angesichts der Rückendeckung Pekings für Russlands Präsident Wladimir Putin dürfte die Reise für Baerbock eine der diplomatisch schwierigsten Missionen ihrer bisherigen Amtszeit werden. China trage als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine besondere Verantwortung für den Weltfrieden, betonte Baerbock. Welche Rolle China mit seinem Einfluss auf Russland übernehme, "wird für ganz Europa und unsere Beziehung zu China Folgen haben", sagte sie.

"Kein Interesse an wirtschaftlicher Entkopplung"

"Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale - das ist der Kompass der europäischen China-Politik. In welche Richtung die Nadel künftig ausschlagen wird, liegt auch daran, welchen Weg China wählt", sagte Baerbock. Sie wolle Chancen für mehr Zusammenarbeit bei der Förderung der Zivilgesellschaft, beim Klimaschutz und in Zukunftsbranchen wie erneuerbare Energien ausloten. Es sei klar: "An einer wirtschaftlichen Entkopplung haben wir kein Interesse - dies wäre in einer globalisierten Welt ohnehin schwer möglich." Man müsse aber die Risiken einseitiger Abhängigkeiten systematischer in den Blick nehmen und abbauen, "im Sinne eines De-Risking".

Dies gelte gerade auch "mit Blick auf das Horrorszenario einer militärischen Eskalation in der Taiwanstraße, durch die täglich 50 Prozent des Welthandels fließen", sagte Baerbock. Sie werde deshalb auch die gemeinsame europäische Überzeugung unterstreichen, dass eine einseitige Veränderung des Status quo in der Meerenge der Taiwanstraße und erst recht eine militärische Eskalation inakzeptabel wären. Selbstverständlich wolle sie in China auch über den Schutz der universellen Menschenrechte sprechen, sagte die Ministerin. Dieser müsse Bestandteil fairer Wettbewerbsbedingungen sein.

Opposition übt Kritik

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte von Baerbock eine klare Strategie gegenüber Peking. "Ich hätte erwartet, dass Frau Baerbock ihre lang angekündigte China-Strategie vorlegt, bevor sie nach Peking reist", sagte der Vorsitzende der CSU-Abgeordneten im Bundestag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Unsere Unternehmen müssen endlich wissen, welche China-Politik die Ampel verfolgt, wie sie unsere Souveränität stärken und strategische Abhängigkeiten reduzieren will." Diese Antworten bleibe Baerbock weiter schuldig.

Die Vizechefin der deutsch-chinesischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Gyde Jensen (FDP), rief Baerbock zu klaren Worten auf. "Annalena Baerbock hat gezeigt, dass sie nicht auf leisen Sohlen daherkommt, um nur ja niemanden zu verschrecken", sagte Jensen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "So sollte sie auch in China klar Stellung beziehen, die Einhaltung von Menschenrechten einfordern, aber auch die von völkerrechtlichen Verträgen."

Im Video: Taiwan - Bundesregierung ruft zu "Deeskalation" auf