Nach Bauernprotesten: EU kündigt "Überprüfung" der Agrarpolitik an
Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, einige Bestimmungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu überprüfen, mit dem Ziel, „Vereinfachungen anzubieten und gleichzeitig eine solide, nachhaltige und wettbewerbsfähige Politik für die Landwirtschaft und Ernährung der EU aufrechtzuerhalten“, so die Kommission.
Die Überprüfung sei eine „direkte Reaktion“ auf Anfragen von Organisationen, die Landwirte und Mitgliedstaaten vertreten, sagte die Kommission, sie befriedige jedoch nicht alle.
„Die Gesundheit von Landwirten und Anwohnern geopfert“
Zum Ärger von Umweltschützern, schlug die Kommission vor, Vorschriften zu lockern, von denen sie noch vor nicht allzu langer Zeit sagte, sie seien entscheidend für die Strategie der EU bis 2050 klimaneutral zu werden. Die von der Leyen-Kommission betrachtete sich lange als weltweiter Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel.
„Dies befriedigt eine Reihe von Verbänden im Agrarsektor, die auf den internationalen Märkten wettbewerbsfähig bleiben wollen, gleichzeitig wird aber die Gesundheit der Landwirte und Anwohner sowie den Schutz der Umwelt geopfern“, sagte der französische Landwirt und Generalkoordinator von Vía Campesina, Morgan Ody.
„Klimaziele bleiben intakt“
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beharrte darauf, dass die allgemeinen Klimaziele der EU intakt blieben, auch wenn sie betonte, sie werde „weiterhin unerschütterlich an der Seite unserer Landwirte stehen, die die Ernährungssicherheit der EU gewährleisten und an vorderster Front unserer Klima- und Umweltmaßnahmen stehen“.
Im Rahmen der Vorschläge wurden die Voraussetzungen für eine klimafreundlichere Landwirtschaft in Bereichen wie Fruchtfolge, Bodenschutz und Bodenbearbeitungsmethoden gelockert oder verringert. Kleinbauern, die rund zwei Drittel der Erwerbsbevölkerung ausmachen und innerhalb der kontinentalen Protestbewegung am aktivsten sind, werden nach den neuen Regeln von einigen Kontrollen und Strafen ausgenommen.
In den letzten Wochen protestierten Landwirte in ganz Europa, auch in Brüssel. Unzufrieden sind die Demonstranten unter anderem mit europäischen Regelungen, die auch auf die Bekämpfung des Klimawandels abzielen.
„Überzogenes bürokratisches Programm“
Kritiker sehen im „Green Deal“der Kommission ein überzogenes bürokratisches Programm von elitären Politikern, die jegliches Gespür für die Menschen auf dem Land verloren haben. Von der Leyens christdemokratische Europäische Volkspartei hat sich in jüngster Zeit zu den lautstärksten Vertretern der Bauern gemausert.
„Eigentlich würde ich es Populismus nennen“, sagte der grüne Europaabgeordnete Thomas Waitz. Die Vorschläge der Kommission greifen seines Erachtens tief in die Verpflichtungen der Landwirtschaft ein, ihren Teil zur Klimaneutralität im Rahmen des gepriesenen Green Deal der EU beizutragen. „Jetzt versuchen sie, den Zorn der Bauern vor Ort abzulenken und gegen den Green Deal zu instrumentalisieren.“
Wissenschaftler und Umweltschützer aus der ganzen Welt beharren darauf, dass drastische Maßnahmen notwendig sind, um die Erderwärmung zu verhindern, und wiesen darauf hin, dass Europa einer der Orte mit den düstersten Aussichten sei.
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Die Kommissionsvorschläge müssten zwar noch von den Mitgliedsstaaten unterstützt werden, doch angesichts der bisherigen Zugeständnisse hätten sie gute Chancen, schnell angenommen zu werden, sagten Beobachter.
Neben der EU selbst haben auch die Mitgliedstaaten mehreren Forderungen nachgegeben. Im Mittelpunkt der Beschwerden standen übermäßige Bürokratie, einschneidende Umweltvorschriften und unlauterer Wettbewerb aus Drittländern, darunter der Ukraine.
Die Kommission erklärte, dass die allgemeinen EU-Klimaziele weiterhin gültig seien, auch wenn jetzt mehr Flexibilität für Landwirte vorgeschlagen würde.
„Wir sind der erste Kontinent, der eine verbindliche rechtliche Verpflichtung abgegeben hat, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Wir haben das nicht nur getan“, sagte Kommissionssprecher Eric Mamer, „sondern wir haben mit dem Rechtsakt sogar einen Fahrplan bis 2030 festgelegt, um dies sicherzustellen. Wir sind auf dem richtigen Weg, dieses Ziel zu erreichen.“
Der Kommissionssprecher bestand darauf, dass die Vorschläge vom Freitag nicht von dieser Verpflichtung abweichen würden, auch wenn „es offensichtlich ist, dass wir uns von Zeit zu Zeit an veränderte Umstände anpassen“.