Begrenzter Panzervorstoß Israels im Gazastreifen - Immer mehr Tote

Israelische Panzer sind zu einem kurzen Einsatz in den Gazastreifen vorgestoßen. Möglicherweise eine Vorbereitung auf die erwartete Bodenoffensive. Die Opferzahlen im Gazastreifen steigen immer weiter.

Israelische Soldaten versammeln sich nahe der Grenze zum Gazastreifen im Süden Israels (Bild: Ohad Zwigenberg/AP/dpa)
Israelische Soldaten versammeln sich nahe der Grenze zum Gazastreifen im Süden Israels (Bild: Ohad Zwigenberg/AP/dpa)

Tel Aviv/Gaza (dpa) - Israelische Kampfpanzer sind erneut in den Norden des von der islamistischen Hamas beherrschten Gazastreifens vorgestoßen. Es seien dabei in der Nacht «zahlreiche Terroristen, terroristische Infrastruktur und Abschussrampen für Panzerabwehrraketen» aufgespürt und angegriffen worden, teilte die Armee am Donnerstag mit. Nach Ende des Vorstoßes hätten die Soldaten das Gebiet wieder verlassen. Er sei Teil der Vorbereitungen «für die nächsten Kampfphasen» gewesen, hieß es. Damit könnte die seit längerem erwartete Bodenoffensive gemeint sein, die eine Ausweitung des Konflikts zur Folge haben könnte.

Die Zahl der seit dem blutigen Überfalls der Hamas auf Israel am 7. Oktober durch israelische Gegenschläge in dem Küstenstreifen getöteten Palästinenser stieg weiter. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die zunächst nicht überprüft werden konnten, starben bisher 7028 Menschen, mehr als 18 000 seien verletzt worden. Das sind in zweieinhalb Wochen schon drei Mal so viele wie bei dem letzten großen Gaza-Krieg 2014, als während 50 Tagen dort 2250 Menschen starben. In Israel sind bisher mehr als 1400 Tote und rund 4000 Verletzte zu beklagen.

EU diskutiert über Feuerpausen für Gazastreifen

Beim EU-Gipfel in Brüssel wurde über Forderungen nach Feuerpausen diskutiert, damit humanitäre Hilfe zu den Zivilisten im Gazastreifen gelangen kann. Zu notwendigen Maßnahmen gehörten auch humanitäre Korridore, stand in einem Entwurf für die Abschlusserklärung des Spitzentreffens am Donnerstag und Freitag. Die sich verschlechternde humanitäre Lage in Gaza gebe Anlass zu größter Besorgnis.

Um Forderungen nach einem Waffenstillstand hatte es in den vergangenen Tagen heftigen Streit in der EU gegeben. Länder wie Deutschland und Österreich sprachen sich dagegen aus, dass sich die EU solchen Aufrufen öffentlich anschließt. Sie argumentierten, ein solcher Vorstoß sei angesichts des Terrors der Hamas unangemessen. Länder wie Spanien oder Irland setzten sich wegen der zivilen Opfer bei israelischen Angriffen für einen solchen Aufruf ein.

Israels Erzfeind Iran warnt vor Folgen einer Bodenoffensive

Die militärische Führung des Irans sagte Israel im Falle einer Bodeninvasion im Gazastreifen eine Niederlage vorher. «Lasst es mich Ihnen sagen: So wie der Stab des Mose zum Drachen wurde und die Heimtücke der Pharaonen durchkreuzte, so ist Gaza (...) der Drachen, der die Zionisten verschlingen wird, wenn sie den Boden betreten», zitierte die Nachrichtenagentur Tasnim den Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden (IRGC), Hussein Salami. Beobachter befürchten vor allem, dass die vom Iran abhängige schlagkräftige Hisbollah-Miliz im Libanon Israel stärker als bisher schon unter Beschuss nehmen könnte.

Netanjahu hält an Plänen für Bodenoffensive fest

Trotz der Forderungen nach einem Waffenstillstand oder zumindest nach Feuerpausen hält Israel an seiner Planung für eine Bodenoffensive gegen die islamistische Hamas fest. «Wir bereiten uns auf einen Bodenangriff vor. Ich werde nicht sagen, wann, wie und wie viele», sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in einer Fernsehansprache. «Alle Hamas-Mitglieder sind todgeweiht - über der Erde, unter der Erde, in Gaza und außerhalb von Gaza.» Israel führe einen «Kampf um seine Existenz», betonte Netanjahu.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (Bild: Christophe Ena/Pool via REUTERS)

Neue Raketenangriffe aus Gaza auf Israel

Militante Palästinenser im Gazastreifen griffen israelische Ortschaften auch während der heftigen Luftangriffe in dem Palästinensergebiet weiter mit Raketen an. In der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv heulten am Donnerstag wieder die Warnsirenen. Zuvor gab es auch in den Ortschaften am Rande des Gazastreifens immer wieder Raketenalarm, wie die israelische Armee mitteilte. Es gab zunächst keine Berichte über Opfer.

Am Mittwochabend war eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete in einem Haus in der Stadt Rischon Lezion südöstlich von Tel Aviv eingeschlagen. Dabei wurden drei Menschen verletzt, drei weiter Verletzte gab es im Großraum Tel Aviv.

Israel bombardiert erneut Hunderte Ziele im Gazastreifen

Die israelische Luftwaffe bombardierte nach eigenen Angaben erneut Ziele im Gazastreifen. Wie das Militär auf Telegram mitteilte, hätten Kampfflugzeuge im Laufe des vergangenen Tages mehr als 250 «Terrorziele» angegriffen. Dazu gehörten Kommandozentralen, Tunnelschächte und Raketenabschussrampen inmitten von Wohngebieten, von wo aus seit Kriegsbeginn auf israelisches Gebiet geschossen worden sei.

Zudem hätten Soldaten eine Abschussbasis für Boden-Luft-Raketen der Hamas in der Gegend von Chan Junis im Süden des Gazastreifens getroffen, hieß es weiter. Die Abschussbasis habe sich in der Nähe einer Moschee und eines Kindergartens befunden, so die Armee. Dies sei ein weiterer Beweis dafür, dass die Hamas bewusst zivile Einrichtungen für Terrorzwecke nutze.

WHO fordert Zugang zu Geiseln im Gazastreifen

Die nach neuen israelischen Angaben 224 Geiseln in der Gewalt der Hamas brauchen laut der WHO dringend medizinische Versorgung. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) solle sofort Zugang zu den Entführten erhalten, die ohnehin freizulassen seien, forderte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus.

Die Versorgungslage für die Menschen im Gazastreifen wurde immer prekärer. Seit Samstag seien zwar Dutzende Lastwagen mit Trinkwasser, Lebensmitteln und Medikamenten über den Grenzübergang Rafah aus Ägypten gekommen. Den Vereinten Nationen zufolge sind für die Versorgung der gut 2,2 Millionen Menschen im Gazastreifen aber eher 100 Lkw-Ladungen täglich nötig.

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