Diagnose Liebeskummer: Wenn das Herz zerbricht

Der Titel des Films „Love and other drugs" mit Jake Gyllenhaal und Anne Hathaway aus dem Jahr 2010 könnte es nicht besser auf den Punkt bringen: Die Liebe ist eine Droge mit all ihren Risiken und Nebenwirkungen - Rausch und Entzug, Euphorie und Verderben inklusive. Dass dieser Satz nicht nur eine abgedroschene Textpassage aus kitschigen Liebeliedern ist, hat die

Medizin längst bewiesen. Aufgrund von Liebeskummer kann es im schlimmsten Fall zum "Broken-Heart-Syndrom" kommen - eine potentiell lebensbedrohliche Erkrankung. Doch was hat es mit gebrochenen Herzen auf sich und welchen Einfluss hat die Droge Liebe sonst noch auf unseren Körper?

Sean Mackey von der Stanford University School of Medicine in Kalifornien hat uns bereits die positiven Aspekte der Liebe wissenschaftlich vor Augen geführt. Glaubt man seinen Studien über leidenschaftliche Liebe, dann wirkt diese auf ähnliche Weise wie ein Schmerzmittel. In Experimenten zeigten der Wissenschaftler und sein Team verliebten Studenten Fotos von ihren Partnern, während den Versuchspersonen von einer Wärmeelektrode Schmerzen in Form von Hitze zugefügt wurden. Das Ganze wurde in einer speziellen Röhre - dem Magnetresonanztomographen (MRT) - durchgeführt, um so die Hirnaktivität der Probanden aufzuzeichnen.

Die Liebe: Opium für's Volk?

In der Auswertung wurde klar: Liebe war nicht bloß eine Ablenkung vom Schmerzreiz, sondern wirkte ähnlich wie ein Schmerzmittel oder Drogen. Körpereigene Glücksbotenstoffe wie Dopamin sind ein Grund dafür. Die Verliebten zeigten außerdem Aktivitäten im selben Gehirnbereich, dem Belohnungszentrum, wie auch unter schmerzlindernden Medikamenten oder Drogen wie Opium und Kokain.

Liebeskummer: Ein furchtbarer Entzug

Die Liebesdroge wäre aber kein richtiges Rauschmittel, wenn es nicht auch die unangenehme Kehrseite gäbe. Die Wissenschaftlerin und Liebesexpertin Helen Fisher von der New Yorker Rutgers University hat mittels Hirn-Scans von frisch-verlassenen Menschen gezeigt, dass im Gehirn dieser Menschen ähnliche Bereiche aktiv sind wie bei Drogensüchtigen mit Entzugserscheinungen, die keinen „Stoff" mehr haben.

Auch wenn diese Untersuchungen zusätzlich gezeigt haben, dass über die Zeit hinweg die Entzugssymptomatik verschwindet - der Lebensabschnitt kurz nach einer Trennung ist für die Psyche und den Körper eine wahre Belastungsprobe. Das wissen die meisten Menschen aus eigener Erfahrung.

Das gebrochene Herz: Eine psychosomatische Diagnose

Während ein gebrochenes Bein innerhalb weniger Monate genesen ist, verhält es sich mit Liebeskummer gänzlich anders. Ein "gebrochenes Herz" kann in der Medizin sogar zu ernstzunehmenden Krankheitsbildern führen. Die Fachdisziplin, die sich damit beschäftig, ist die Psychosomatik - ein relativ junges Fachgebiet der Medizin, welches systematisch die Wechselwirkungen zwischen Seele und Leib, zwischen Psyche und Soma erforscht und behandelt. "Dass das Herz auch dabei eine zentrale Rolle einnimmt, zeigt sich darin, dass sich eine eigene Spezialisierung, ein Fach namens Psychokardiologie entwickelt hat, die an keiner Uni, die etwas auf sich hält, fehlen darf", erklärt Dr. Tobias Roekl, Facharzt für Psychosomatik aus München, gegenüber Yahoo! Nachrichten.

Diagnose: Broken-Heart-Syndrom bei Liebeskummer

Das medizinische Phänomen des sogenannten „Broken-Heart-Syndroms" ist durch plötzlich beginnende, heftige Brustschmerzen und Luftnot gekennzeichnet, die für mehrere Stunden andauern - Symptome, die stark denen eines akuten Herzinfarkts ähneln. Grund dafür ist hier aber allein die Psyche.

"Die Psyche wirkt in starken Emotionen auf geradezu alle körperlichen Ebenen ein: Von den Entzündungsparametern, der Blutgerinnung, den Muskelzellen, über die Hormone bis zu den höheren Sinnesfunktionen verändern starke Gefühle unseren Körper", so Roekl.

Wissenschaftler gehen heutzutage davon aus, dass Liebeskummer zu einem Überschuss an Stresshormonen wie Adrenalin und Noradrenalin führen kann, die für die Funktionsstörung des Herzens verantwortlich sind. Der Grund: Bei erhöhter Stresshormonkonzentration im Blut verkrampfen die kleinen Herzkranzgefäße, die den Herzmuskel mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen. Folglich wird das Herz schlechter durchblutet und erfährt ein Leck an Sauerstoff, den es zum Arbeiten braucht.

Symptome wie beim Herzinfarkt

Das Elektrokardiogramm (EKG) und auch die Laborwerte können die gleichen Veränderungen wie beim richtigen Herzinfarkt zeigen. Der große Unterschied zum Infarkt sind jedoch die offenen Herzkranzgefässe: Während sie bei einem klassischen Infarkt verkalkt und verlegt sind, bleiben sie beim Broken-Heart-Syndrom gesund und offen. Hier ist es „nur" der Liebeskummer, der die Adern verkrampfen lässt.

Neben starkem Liebeskummer können auch andere Lebensumstände oder Erfahrungen zum Broken-Heart-Syndrom führen. Egal ob Autounfall, Raubüberfall, eine schlimme medizinische Diagnose, Naturkatastrophen, heftiger Streit mit dem Ehepartner oder der Tod eines geliebten Menschen - es sind all diese emotionalen Ausnahmesituationen, die einem Menschen das „Herz brechen" können und so der Krankheit ihren bildhaften Namen eingebracht haben.

Keine bleibenden Schäden aber Komplikationen beachten

Anders als beim Herzinfarkt stirbt beim gebrochenen Herz kein Herzgewebe ab. Nach bisherigen Erkenntnissen wird die Brustpumpe also nicht dauerhaft geschädigt und nimmt in den meisten Fällen schon nach wenigen Tagen bis einigen Wochen die Arbeit wieder voll auf. Seltene Komplikationen des Broken-Heart-Syndrom sind Rhythmusstörungen, Kammerflimmern oder sogar ein kardinaler Schock. Da diese Symptome im schlimmsten Fall zum Tod führen können, werden die Patienten vorsichtshalber für einige Tage auf der Intensivstation beobachtet.

Therapie durch Psychosomatiker

Nach Therapie der akuten Phase des "gebrochenen Herzens", die meist in die Hand eines erfahrenen Kardiologien fällt, sollten dann unbedingt Psychologen oder Psychosomatiker involviert werden.

"Das Broken Heart Syndrom ist ein echtes psychosomatisches Krankheitsbild. Zu einer angemessenen Behandlung gehört dringend neben der akutmedizinischen Versorgung in der Kardiologie bzw. Intensivstation auch eine psychosomatische Therapie, in welcher die Erkrankung und die psychischen Anteile an der Entstehung gründlich aufgearbeitet werden können", erklärt Dr. Tobias Roeckl. Im nächsten Schritt gehöre dazu auch eine effiziente Prophylaxe mit Entspannungstraining und Lifestylemanagement. In manchen Fällen könne sogar auch eine eigenständige Psychotherapie notwendig werden.

Die Psyche: Eine Herzensangelegenheit

Das Broken-Heart-Syndrom zeigt, dass die Psyche in der Entstehung von körperlichen Krankheiten mehr mitspielt, als wir zunächst vermuten. "In allen Leitlinien der großen kardiologischen Gesellschaften wird daher aufgerufen, die psychische Situation genau zu erfassen, und mitzubehandeln. So werden aus Kardiologen echte Spezialisten für Herzensangelegenheiten", so Dr. Roeckl.

Autor: Felix Gussone