Vergessene Seuchen: Rinderwahn, Vogelgrippe und die große Hysterie
BSE! SARS! EHEC! Die Verzweiflung war groß, die Menschen in Angst. Regelmäßig versetzen gefährliche Seuchen die Leute in Panik. Nur einige Wochen später sind sie jedoch meist wieder vergessen. Yahoo! erklärt Ihnen, was aus den Schrecken von damals geworden ist.
Die Vogelgrippe
Abertausende vernichtete Hühner auf der ganzen Welt. Dann plötzlich tote Schwäne in der Ostsee, Infektionswannen für Autos vor Rügen. Im Frühjahr 2006 erreichte die Vogelgrippe, auch bekannt als H5N1, Deutschland. Bei allen Warnungen vor dem hochansteckenden Virus vergaßen Ärzte, Funktionäre und Politiker offenbar eines: „Das Risiko für die Bevölkerung war hierzulande quasi nicht vorhanden“, sagt die Biologin Susanne Glasmacher vom Robert-Koch-Institut. Denn das Virus springe nur bei sehr intensivem Kontakt mit lebendem Geflügel auf den Menschen über, was häufiger in Süd-Ost-Asien der Fall sei. In Asien werden noch regelmäßig infizierte Geflügelbestände getötet. Laut Gesundheitsorganisation WHO gab es im vergangenen Jahr weltweit 32 Fälle von Vogelgrippe beim Menschen, wovon 20 tödlich waren.
Der Rinderwahnsinn
Der Rinderwahnsinn wurde 1994 in Deutschland ausgelöst, als die Bad Segeberger Tierärztin Margrit Herbst mit bis dahin 24 Fällen von BSE (Bovine spongiforme Enzephalopathie) in Deutschland an die Öffentlichkeit ging. Dafür wurde sie gefeuert. Im Jahr 2000 dann der Höhepunkt: Die Deutschen verzichteten auf Rindfleisch und Tiere wurden notgeschlachtet. Bereits 1996 starben in England, wo die Seuche 1985 erstmals ausgebrochen war, mehrere Menschen. Die tödliche Erkrankung des Rinderhirns kann auf den Menschen überspringen, wo sie eine neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auslöst. Laut Robert-Koch-Institut waren weltweit ein bis drei Millionen Tiere infiziert, es gab 200 Todesfälle. In Deutschland war kein Mensch betroffen. Die Seuche scheint nahezu verschwunden: Waren es im Jahr 2005 noch über 360 positiv getestete Rinder in Deutschland, so waren es vier Jahre später nur noch zwei, danach keine mehr. Die Angst vor der Seuche war noch schneller verflogen und die kurze Zeit gemiedenen Steaks lagen wieder auf den Tellern der Deutschen.
SARS
Sars, was war das noch mal? Das Schwere Akute Atemnotsyndrom tauchte erstmals 2002 in China auf und tötete innerhalb eines Jahres weltweit etwa 1.000 Menschen. Der Erreger, das Coronavirus, verursachte eine atypische Lungenentzündung. Die neun in Deutschland Erkrankten überlebten alle. Das war es dann auch schon mit Sars, obwohl der bis dato unbekannte Erreger ansteckend war und das Potenzial für eine weltweite Pandemie besaß. „Die Krankheit ist aus dem Blickfeld verschwunden“, sagt Expertin Glasmacher. „Offenkundig hat es der Erreger nur einmal geschafft, auf Menschen überzuspringen.“ Es wird vermutet, dass er von Fledermäusen und vom Larvenroller, einer Schleichkatzenart, kam. „Sars hatte einen entscheidenden Vorteil: es war erst ansteckend, wenn auch Symptome auftauchten“, erklärt Glasmacher. So konnte man die Lungenseuche durch Quarantäne und Einhalten der Hygienevorschriften gut eindämmen, auch wenn es keinen Impfstoff gab.
EHEC
Bis heute ist die Ehec-Pandemie aus dem Jahr 2011 (Enterohämorrhagische Escherichia Coli) für die Forscher ein Rätsel. „Wir wissen nicht, wo der Erreger herkam und wo er hingeht“, meint Glasmacher. Die Colibakterienart löste im Mai 2011 in Norddeutschland schwere Erkrankungsfälle aus, wobei die kleinen Blutgefäße stark betroffen waren. Die Folge: Blutzellen wurden zerstört und die Nierenfunktion geschädigt. Weltweit litten beinahe 4.000 Menschen an von Ehec verursachten Krankheiten, 53 starben. Auf der Suche nach der Herkunft des Erregers warnten Experten zunächst vor dem Verzehr von Salat, Tomaten und Gurken. Dann wollte man Sprossen, genauer gesagt aus Ägypten importierte ökologische Bockshornkleesamen als Quelle ausgemacht haben. Wann, ob und wo Ehec jemals wieder auftaucht, ist völlig unklar.
Die Schweinegerippe
Der Name ist zwar falsch, aber dafür umso griffiger. Als Schweinegrippe wird ein Subtyp des Influenzavirus H1N1 bezeichnet, der in den Jahren 2009/2010 die ganze Welt in Alarmzustand versetzte. Die Weltgesundheitsorganisation geht davon aus, dass weltweit über 18.400 Menschen in Zusammenhang mit der Schweinegrippe starben. Die einstige Pandemie ist vorbei, die Krankheit aber gibt es immer noch. „Der Erreger zirkuliert nach wie vor, hat sich aber zu einer saisonalen Grippe entwickelt“, sagt die Biologin Glasmacher vom Robert-Koch-Institut. Wer sich gegen die gewöhnliche Grippe impfen lässt, schützt sich zugleich vor H1N1.
Warum Seuchen ausbrechen
Manche Seuchen sind menschgemacht. Sammeln sich beispielsweise in der Tierhaltung in einem Wirtstier zwei verschiedene Subtypen des Influenzavirus, können die zu einem neuen, unbekannten Erreger mutieren. Auch der häufigste HIV-Typ wurde offenbar Anfang des 19. Jahrhunderts bei der Schimpansenjagd auf Menschen übertragen, so Glasmacher. Dank der Globalisierung verbreiten sich sowohl Erreger in Menschen, Tieren und Lebensmitteln schnell. Die Expertin empfiehlt, die Gesundheitssysteme von weniger entwickelten Ländern zu stärken. Wäre Sars in einem Land mit einem schlechten Gesundheitssystem ausgebrochen, hätte die Verbreitung vielleicht nicht gestoppt werden können, erklärt die Biologin. Selbst Warnungen im Vorfeld bringen manchmal nichts. „Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat einige Monate vor dem Ehec-Ausbruch ein Merkblatt zur Vorbeugung veröffentlicht“, so Glasmacher. Nur interessiert habe das offenbar niemanden.
Heute Panik, morgen vergessen - der Umgang mit Seuchen
Die Aufregung ist groß, wenn neue und gefährliche Krankheiten wie Ehec und BSE bekannt werden. Die Medien alarmieren ausführlich in Sondersendungen, die Bevölkerung ist ängstlich. Schon Wochen später ist die Hysterie meist wieder verschwunden, ob die Krankheit noch grassiert oder nicht. „Das ist das Schicksal aller Seuchen“, meint Glasmacher. Denn hier greifen die Mechanismen der Medienbranche: Irgendwann sind die Schreckensmeldungen von heute eben schon wieder von gestern und andere Themen interessant. „Risiken, die man kennt, schätzt man anders ein“, sagt Glasmacher. Die gewöhnliche Grippe ist so ein Beispiel. An der Influenza würden jedes Jahr 5.000 bis 8.000 Deutsche sterben, so die Biologin. Dabei gebe es sogar eine wirksame Impfung, nur werde die zu wenig genutzt. Die nächste große Seuche kann Glasmacher nicht vorhersagen. Sicher sei nur, dass sie komme. Alle ein bis zwei Jahre sei es an der Zeit.