"Vorsicht Bombe"

Beate Zschäpe muss sich vor Gericht verantworten. (Bild: dpa)
Beate Zschäpe muss sich vor Gericht verantworten. (Bild: dpa)


Uwe Böhnhardt konnte sich im Ernstfall auf Beate Zschäpe verlassen - das zeigen alte Gerichtsdokumente im NSU-Prozess

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Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt haben Spaß. Sie lachen darüber, dass jemand so "blöde" ist, 200 D-Mark für drei CDs zu bezahlen - CDs, die es nicht im Laden zu kaufen gibt, weil ihr Inhalt menschenverachtend ist. In seinem Zimmer in der elterlichen Wohnung in Jena bewahrte Böhnhardt die CDs der rechtsradikalen Bands Macht und Ehre, Landser und Commando Pernod auf. Darauf Lieder mit Titeln wie "NSDAP", "Kanacken raus" und "Schlag sie tot". Böhnhardt ist offensichtlich stolz auf das Geschäft. Der 19-Jährige ruft Zschäpe an, mit der er damals liiert war. Es wirkt vertraut, wie die beiden miteinander reden. Der Anruf wird Böhnhardt zum Verhängnis. Die Behörden hören das Telefonat am 18. Juni 1996 mit.

Wegen Volksverhetzung wird Böhnhardt vom Landgericht Gera zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Als Heranwachsender wird er nach Jugendstrafrecht verurteilt. "Nach Überzeugung der Kammer ist es erforderlich, dass der Angeklagte unter dem Eindruck des Strafvollzugs nachreift", heißt es im Urteil vom 16. Oktober 1997. Das Dokument wird am 150. Tag des NSU-Prozesses vor dem Oberlandesgericht München verlesen. Doch die Gefängnisstrafe tritt Böhnhardt nie an.

Drei Monate nach dem Urteil taucht Böhnhardt mit Zschäpe und Uwe Mundlos unter. Am 4. November 2011 werden die Leichen von Böhnhardt und Mundlos in einem Wohnmobil in Eisenach gefunden, und die Welt erfährt von der rechtsterroristischen Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU). Zehn Morde, zwei Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle sollen die Neonazis Mundlos und Böhnhardt in der Zwischenzeit verübt haben. Und Zschäpe soll all das nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft gewusst, gebilligt und unterstützt haben.

Angeklagt war Böhnhardt damals nicht nur wegen der menschenverachtenden CDs. Er soll 1997 in einer Aprilnacht an einer Autobahnbrücke bei Jena eine Puppe mit einer Schlinge um den Hals aufgehängt haben. Die Puppe war versehen mit einem Davidstern und der Aufschrift "Jude". Daneben ein Karton, das mit einem Kabel mit der Puppe verbunden war. Ein Verkehrszeichen war mit der Aufschrift "Vorsicht Bombe" übermalt.

In erster Instanz wurde Böhnhardt vom Amtsgericht Jena wegen der Puppe, der Bombenattrappe und der CDs zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Ralf Wohlleben, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe bemühten sich damals, ihrem Freund zu entlasten. Das Gericht aber glaubte ihnen nicht. Doch das Urteil wurde aufgehoben. Der Freispruch für die Puppe mit der Bombenattrappe folgte in der nächsten Instanz vom Landgericht Gera.

Die Richter in Gera folgten den Geschichten der Neonazifreunde. Böhnhardt sei zur Tatzeit mit ihnen erst auf einer Geburtstagsfeier, dann in Zschäpes Wohnung gewesen. Dort hätten sie Skat und Nintendo gespielt. Die Freunde hatten offensichtlich aus dem ersten Urteil gelernt. Während sie sich damals an keine Details des angeblichen Spieleabends erinnern konnten, präsentierten sie nun Einzelheiten. So habe Wohlleben beim Nintendo gegen Mundlos gewonnen, weil Mundlos die Spiele nicht gekannt habe. Die Richter glaubten ihnen. Böhnhardt wurde im Fall des Puppentorsos freigesprochen und für die Verbreitung der CDs zu gut zwei Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Richter scheinen durchaus erkannt zu haben, wer da vor ihnen sitzt. In ihrem Urteil schreiben sie: Böhnhardt habe vor Gericht "selbst eingestanden, dass er sich an rechts ausgerichteten Aktionen ebenfalls beteiligt hat und noch beteiligen will, um seiner Gesinnung Ausdruck zu verleihen". Weiter heißt es: "Der Angeklagte geht dabei bedenkenlos gegen die Würde anderer Menschen vor, ohne hierzu einen konkreten persönlichen Anlass zu haben." Das Gericht hoffte auf einen erzieherischen Effekt der Strafe. "Es muss ihm vor Augen geführt werden, dass er sich nicht über die Rechtsordnung und die Würde anderer Menschen, ohne dass dies für ihn auch strafrechtliche Folgen hat, hinwegsetzen kann." Doch Böhnhardt machte immer weiter. Im Jahr 200 begann er zu töten.