Horst Seehofer will Kanzler werden

Horst Seehofer will Kanzler werden

Merkel wird abgewatscht bei der CSU: Ist das die Kanzlerinnendämmerung? Zumindest offenbart sich eine große Ambition des bayerischen Ministerpräsidenten: sein Geheimplan zur Rettung der CSU.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Horst Seehofers zweiter Lieblingsjob ist Lehrer. Wie er die Kanzlerin am CSU-Parteitag abkanzelte, sie süffisant lächelnd aufklärte über bevorstehenden Zoff in der Koalition und was sie alles versäumt habe in den vergangenen Tagen, das war lehrmeisterhaft alter Schule. Sein erster Lieblingsjob ist indes weder Parteichef noch Ministerpräsident. Seehofer, von sich durchaus überzeugt, traut sich manches zu; Anderen dagegen weniger. Er sieht sich als eine Art Lukas, der Lokomotivführer der Politik. Als einsamen General, der es besser weiß und vorangeht.

Und Seehofer hat einen Plan.

Der Ingolstädter muss seine Partei retten. Die CSU liegt inhaltlich und strategisch am Boden. Die CDU nimmt sie nicht mehr ernst, die Wähler ahnen, dass die Zeit der Regionalparteien in Europa sich einem vorläufigen Ende zuneigt. Die Bayern wägen stets ab zwischen dem Nutzen, den eine bayerische Partei mit direktem Draht in die Bundesregierung hinein für das Bundesland erreicht und den Peinlichkeiten, die sie liefert. Letzteres gab es in der jüngsten Vergangenheit im Überfluss. Auf der Habenseite: Herdprämie, Autobahnmaut. Seehofer ahnt: Um seine Partei vor dem schnellen Niedergang zu bewahren, muss er den Draht nach Berlin nicht nur befestigen, er muss ihn zum Glühen bringen. Nichts krönte dieses Vorhaben mehr als endlich eine CSU-Kanzlerschaft. Franz-Josef Strauß und Edmund Stoiber scheiterten daran, Seehofer wird es versuchen; womöglich ist dies der Hintergrund seiner Ankündigung, 2018 nicht mehr als Spitzenkandidat bei den bayerischen Landtagswahlen sein Amt als Ministerpräsident nicht mehr zu verteidigen: nicht um in den Ruhestand zu wechseln, sondern um 2017 als Ministerpräsident und Kanzlerkandidat mit 68 Jahren in die Bundestagswahlen zu ziehen.

Und Seehofer merkt, dass die Zeitläufte nicht gegen diesen Plan arbeiten.

Vorsorgen für die Zeit nach Merkel

Alles hat ein Ende, auch Merkels Kanzlerschaft. Und die seit mittlerweile zehn Jahren Amtierende hat sich einer Mammutaufgabe gestellt, die auch erstmals massiv an ihren Zustimmungswerten kratzt – in der Flüchtlingsdebatte hat sich Merkel an die Spitze der Union gestellt und einen Kurs vorgegeben, den so Mancher in der Partei nicht gutheißt. So viel interne Opposition war noch nie. Zwar gibt es keinen Hinweis, dass die offene Flüchtlingspolitik Merkels scheitern wird – im Gegenteil: Immer mehr Alltag kehrt ebenso ein wie Klarheit über die Probleme. Unkenrufen zum Trotz entwickelt sich die Aufnahme so vieler Flüchtlinge zur Erfolgsstory.

Aber Seehofer denkt sich: Man weiß ja nie. Schließlich zahlt sich zumindest die Miene des Bedenkenträgers, zu der Seehofer seine Mannen verdonnert hat, gerade kurzfristig aus: Die öffentlich zur Schau getragene Skepsis manövriert die Partei in eine Win-Win-Situation: Läuft es gut mit der Flüchtlingsaufnahme, inszeniert sich die CSU als besorgte Rechtsstaatspartei. Läuft es schlecht, präsentiert sie sich als Prophetin. Zu verlieren haben die Christsozialen dabei nichts; sie kopieren schlechthin Merkels Stil der vergangenen Jahre.

Seehofer macht auf Merkel

Das Erfolgsrezept der CDU-Chefin lag immer darin, sich nicht festzulegen. Andere arbeiteten sich an Sachthemen und an ihr ab – Merkel blieb am Sonnendeck. Doch mit der Flüchtlingsdebatte hat sich Merkel erstmals in den Maschinenraum begeben, und dafür strebt die CSU zu den Liegestühlen: kritisieren kostet nichts.

Seehofers Rechnung liegt also darin, in der Strategie Merkel mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Und falls die Unzufriedenheit der Deutschen mit Merkel ob der Flüchtlingspolitik in den kommenden 15 Monaten massiv steigt, stünde er bereit. So wie Seehofer im Jahr 2008 die durch die Führungsquerelen im Chaosdreieck von Stoiber, Erwin Huber und Günther Beckstein nahezu suizidale CSU wieder aufrichtete, so will er dann in Deutschland die Zügel in die Hand nehmen.

Er könnte das. Wohin er geht, hört man ihm zu. Auch in Ostfriesland würde er den Schützenfestton treffen, der ankommt. Er ist nicht so kantig-grantelig rechtskonservativ wie einst Strauß, und nicht so indirekt-näselnd verknotet wie Stoiber. Er ist in der politischen Mitte präsentabel. Das ist sein Plan. Er wartet ab. Und wird vorerst weiter die Balance suchen zwischen staatstragender Loyalität und Sticheln am Rande. Schau‘n mer mal, wie weit er damit kommt.

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