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Werden die blutigsten Morde im Vatikan nach einem Vierteljahrhundert endlich aufgeklärt?

Es war die blutigste Tat, die den Vatikan in der jüngsten Geschichte erschütterte. Noch heute - fast ein Vierteljahrhundert nach dem gewaltsamen Tod von drei Menschen - kämpfen eine Mutter und ihre Anwältin um umfassende Aufklärung. Nun erschien das Buch "Sangue in Vaticano", Blut im Vatikan, in dem die italienische Anwältin Laura Sgrò ihre Recherchen veröffentlicht.

Rätselhafte Morde im Vatikan

Was geschah am Abend des 4. Mai 1998? Kurz nach 21 Uhr soll der 23-jährige Schweizer Garde Cédric Tornay seinen Vorgesetzen Aloïs Estermann und dessen Ehefrau, die Venezolanerin Gladys Meza Romero, mit seiner Dienstwaffe getötet und sich dann selbst das Leben genommen haben.

Laut Heiligem Stuhl habe sich Tornay beruflich übergangen gefühlt. Er sei psychisch instabil gewesen - er habe eine Zyste im Gehirn gehabt, sei abhängig von Alkohol und Cannabis gewesen.

Der Vatikan leitete Ermittlungen ein, die unter Verschluss blieben. Tornays Mutter Muguette Baudat schaltete Anwälte ein, die jahrelang keinen Zugang zu den Beweisstücken erhielten. Seitdem fordert sie öffentlich Aufklärung, um die Todesumstände ihres Sohnes zu klären.

Einsicht in Ermittlungsakten

Erst vor wenigen Jahren erhielt ihre neue Anwältin Sgrò Einglicke in die Akten.

Ich konnte die Akte einsehen... mit zwei Polizisten in meinem Rücken, die mir über die Schulter sahen.

Diese sagte, es sei eine Schande, "dass die Angelegenheit vor 24 Jahren unter Verschluss kam, weil der Vatikan einen Schuldigen ausgemacht hatte, ohne dass die Mutter Gelegenheit hatte, die Unterlagen einzusehen." Nachdem Sgrò eineinhalb Jahre lang nicht locker ließ und "der Staatssekretär sich für mein Anliegen einsetzte, konnte ich die Akte einsehen - mit zwei Polizisten in meinem Rücken, die mir über die Schulter sahen."

Nur wenige Notizen durfte die Anwältin machen, an Kopieren war gar nicht zu denken. Ihre Stichpunkte wurden danach vom Vatikan durchgesehen und schließlich freigegeben.

Zweifel am offiziellen Tathergang

Geheimniskrämerei, die das Misstrauen der Mutter weiter anfachte. Ihrer Meinung nach hat sich Tornay nicht selbst getötet. Dafür spreche die Stelle, an der die Kugel in den Kopf eingetrat.

Seltsam auch der Abschriedsbrief, den der Sohn seiner Mutter angeblich kurz vor der Tat geschrieben habe. Für Baudat steht fest, dass es sich bei ihm um eine Fälschung handelt.

Im französischen Fernsehen "France 2" begründet sie, ihr Sohn hätte als Adresse nie ihren früheren Nachnamen verwendet. Darüber hinaus habe ein Graphologe die Handschrift analysiert und eine Fälschung bestätigt.

Von der Zyste, die der Vatikan neun Monate nach der Tat erstmals erwähnte, habe ihr Sohn ihr niemals erzählt. Homosexuell sei er auch nicht gewesen, sondern mit einer Frau verlobt. Das Bild, das der Vatikan von einem angeblich instabilen jungen Mann zeichnet, sei falsch.

Wer waren die angeblichen Opfer?

Der Heilige Vater hat mir geantwortet - was, darüber darf ich nicht sprechen.

Der 43-jährige Estermann war ein Vertrauter des früheren Papstes Johannes Paul II.. Er gehörte der streng katholischen Richtung Opus Dei an, seine venezolanische Ehefrau Gladys offenbar den Freimaurern. Hat es einen Machtkampf gegeben?

Ungeklärte Fragen, die die Anwältin Sgrò in ihrem Buch "Sangue in Vaticano" aufwirft. Einen Schuldigen nennt sie nicht. Doch ihre Zweifel am offiziellen Tathergang hätten sich weiter erhärtet.

Papst Franziskus schaltet sich ein

Bringt Sgròs Buch nach fast einem Vierteljahrhundert endlich die Steine ins Rollen? "Ich habe dem Papst das Buch geschickt", sagt sie. "Der Heilige Vater hat mir geantwortet - was er schreibt, darf ich nicht sagen. Er hat mir einen privaten Brief geschickt. Das war eine große Geste der Anerkennung, auch für seine Familie. Denn es handelt sich um die erste spürbare Reaktion nach 24 Jahren - was bedeutet, dass wir vermutlich richtig liegen."

Eine späte Reaktion, durch die Tornays Mutter nach dem gewaltsamen Tod ihres Sohnes vielleicht endlich Ruhe findet.