Claire Danes und Tom Hiddleston im Gothic-Schlamm
Nach ihren Langzeit-Rollen in "Homeland" und "Loki" suchten beide Stars neue Herausforderungen - und Claire Danes und Tom Hiddleston fanden sie in Apples Serienverfilmung des hochgelobten englischen Historienromans "Die Schlange von Essex".
Claire Danes und Tom Hiddleston heißen die Stars der sechsteiligen Literaturverfilmung "Die Schlange von Essex" (Start am Freitag, 13. Mai, mit einer Doppelfolge) bei Apple TV+. Zwei prominente Namen, die man mit ihren letzten "raumgreifenden" Rollen identifiziert. Danes, mittlerweile 43 Jahre, alt spielte zehn Jahre lang die psychisch angeschlagene CIA-Agentin Carrie Mathison in "Homeland". 2012 und 2013 gewann sie dafür den Emmy als beste Serien-Hauptdarstellerin. Tom Hiddleston, 41, alterte als Marvel-Fiesling Loki mit zwei "Thor"-Filmen und der seine Figur rehabilitierenden Serie "Loki", die um eine zweite Staffel verlängert wurde. Was also tun, wenn man zwar bestens im Geschäft, aber auch stark auf eine bestimmte Rolle festgelegt ist? Danes und Hiddleston entschieden sich für die Verfilmung des "British Book Award"-Siegers von 2017 und damit "for something completely different".
Die 1893 angesiedelte Serie folgt der wohlhabenden Witwe Cora Seaborne (Danes), die mit kleinem Sohn und ihrer Vertrauten Martha (Hayley Squires) von London nach Essex zieht, wo sie geheimnisvollen Berichten über ein mythisches Schlangenmonster nachgehen will. Im Küstenschlamm einer Fischergemeinde angekommen, entwickelt die Hobby-Naturwissenschaftlerin eine außergewöhnliche Bindung zum Dorfvikar (Tom Hiddleston). Als sich im Dorf seltsame Dinge ereignen, wird die alleinstehende Frau aus der Großstadt von den Einheimischen beschuldigt, das mystische Wesen angelockt zu haben. Mit Clémence Poésy (Fleur Delacour bei "Harry Potter") als Ehefrau des Vikars und Mutter seiner Kinder sowie Frank Dillane ("Fear the Walking Dead") als aufstrebender junger Mediziner hat die Apple-Miniserie noch zwei weitere größere Rollen zu bieten.
Gothic Tales, Herzchirurgie und Feminismus
Dass "Die Schlange von Essex" mit viel Vorschusslorbeeren ins derzeit wegen seiner starken Serien-Premieren gefeierte Programm von Apple TV+ wandert, hat nicht nur damit zu tun, dass die Romanvorlage der damals unbekannten Autorin Sarah Perry statt der erwarteten 5.000 Exemplare mal eben 200.000 Hardcover-Exemplare zum Start verkaufte, sondern auch damit, dass mit Clio Barnard eine der derzeit angesagtesten englischen Arthouse-Filmemacherinnen für Produktion und Regie verantwortlich zeichnet. Barnard, die für Filme wie "The Arbor" oder "The Selfish Giant " als eine Art neuer Ken Loach - also als authentische Chronistin des zeitgenössischen Englands der Underdogs und "kleinen Leute" - gefeiert wird, begibt sich mit der Verfilmung einer in der Gegenwart erschienenen Gothic Novel aus dem viktorianischen England auf eine völlig andere Fährte als ihre bisherigen Stoffe.
Trotzdem erzählt "Die Schlange von Essex" von Dingen, die über jene Zeit, in der die Gruselgeschichte angesiedelt ist, hinausreichen: vom Konflikt einer rasant voranschreitenden Wissenschaft mit Religion und alten Mythen, vom Auftreten erster Frauen, die selbstbestimmt leben wollten und von gesellschaftlichen Zwängen zwischen den Schichten sowie einem frappierenden Stadt-Land-Gefälle. Selbst die Anfänge der Herzchirurgie und erste Erkenntnisse Sigmund Freuds zu Hypnose und Unterbewusstsein werden als "latest news" aus einer größer werdenden Erkenntniswelt des Jahres 1893 im Stoff verhandelt. Und die Liebe? Natürlich darf auch sie nicht fehlen, sonst wäre aus dem Stoff kein Bestseller geworden und Claire Danes sowie Tom Hiddleston hätten in den Küstensümpfen von Essex am Ende des 19. Jahrhunderts doch ein bisschen wenig zu tun. Wer möchte schon Serien-Figuren über rund viereinhalb Stunden lediglich beim Zeitgeist-Diskurs beiwohnen?
Insgesamt hat die Miniserie ein bisschen das Problem, dass Sie sich nie für eine klare Richtung entscheiden kann: Sieht man eine Gothic-Gruselgeschichte oder ein authentisches Gesellschaftsstück? Oder folgt man gar einer Liebes-Soap "mit Niveau"? Bei allen interessanten Ansätzen, die der Stoff bietet, bleibt das Resultat - gerade wegen der hochkarätigen Kreativen - doch ein wenig hinter dem Anspruch zurück, im doch recht vollen Rennen um die stärksten Miniserie der Saison einen der vorderen Plätze zu belegen.