Corinna Harfouch über ihre Schauspielsucht: "Ich weiß nicht, ob ich das irgendwann freiwillig aufgeben kann"

Sie feiert mit 68 Jahren ihr spätes Debüt als "Tatort"-Kommissarin: Corinna Harfouch nimmt mit dem Berliner Oster-Zweiteiler "Tatort: Nichts als die Wahrheit" die Ermittlungen an der Seite Robert Karows (Mark Waschke) auf.  (Bild: rbb/Pascal Bünning)
Sie feiert mit 68 Jahren ihr spätes Debüt als "Tatort"-Kommissarin: Corinna Harfouch nimmt mit dem Berliner Oster-Zweiteiler "Tatort: Nichts als die Wahrheit" die Ermittlungen an der Seite Robert Karows (Mark Waschke) auf. (Bild: rbb/Pascal Bünning)

Als Corinna Harfouch, 68 Jahre alt, den Anruf mit dem Angebot erhielt, neue Berliner "Tatort"-Kommissarin zu werden, musste sie "erst mal lachen", sagt sie. Ein Gespräch über den eigenen Wikipedia-Eintrag, das Geheimnis guten Schauspiels und ihren Wunsch, sich im Jetzt zu befinden.

Nach fast acht wilden Jahren mit dem emotionalen Over-the-top-Team Meret Becker und Mark Waschke als Berliner "Tatort"-Ermittler, geht es Ostern mit viel schauspielerischer Klasse weiter: Corinna Harfouch, 68, ist die Neue im rbb-Revier. Mit ihr stellt sich eine der größten deutschen Schauspielerinnen im Zweiteiler "Tatort: Nichts als die Wahrheit" (Sonntag, 9.4., und Montag, 10.4, jeweils 20.15 Uhr, Das Erste) als neue Partnerin von Kommissar Robert Karow (Waschke) vor. Susanne Bonard, Anfang 60, was man der Harfouch locker abnimmt, war früher eine LKA-Legende, bevor sie als Dozentin auf die Polizei-Akademie wechselte. Als sie dort mit rechten Umtrieben konfrontiert wird, kehrt die moralisch mit einem klaren Kompass ausgerüstete Polizistin in den aktiven Dienst zurück.

teleschau: Frau Harfouch, in Ihrem Wikipedia-Eintrag steht, dass sie zwischen 1993 und heute bereits sieben Episoden-Rollen im "Tatort" spielten. Können Sie sich noch an alle erinnern?

Corinna Harfouch: Oh Gott, ich habe mir meinen eigenen Wikipedia-Eintrag noch nie angesehen. Ich weiß auch nicht mehr, wie viele "Tatorte" es waren. Aber eine Ermittlerin habe ich da nie gespielt, glaube ich. Das war ich nur mal bei SAT.1 - "Eva Blond" hieß die Reihe. Sie lief vor rund 20 Jahren.

teleschau: Sie wurden früher nie gefragt, ob Sie "Tatort"-Ermittlerin werden wollen?

Corinna Harfouch: Das wurde ich schon, aber ich habe immer abgelehnt. Ich wollte mich nicht so binden und hatte Angst vor dieser "Heirat" (lacht).

Corinna Harfouch feiert als Susanne Bonard an der Seite von Kriminalhauptkommissar Robert Karow (Mark Waschke) ihren Einstand in Berlin. (Bild: rbb / Pascal Bünning)
Corinna Harfouch feiert als Susanne Bonard an der Seite von Kriminalhauptkommissar Robert Karow (Mark Waschke) ihren Einstand in Berlin. (Bild: rbb / Pascal Bünning)

"Man hat mich nun ein paar wenige Jahre jünger gemacht"

teleschau: Was musste passieren, dass Sie ihre Meinung ändern?

Corinna Harfouch: Der wichtigste Grund war, dass das Angebot aus Berlin kam. Das ist nah dran an meinem Zuhause. Ich möchte nicht mehr so weit reisen, um zu arbeiten. Außerdem ist mir Berlin vertraut, da kann ich mir was drunter vorstellen. Mein Wunsch für die kommenden Jahre ist, dass ich nicht mehr so viel arbeite, aber das Theater nicht darunter leidet. Also muss ich meine Drehzeiten und den Aufwand dafür reduzieren.

teleschau: Waren Sie überrascht, die Rolle der neuen Berliner "Tatort"-Kommissarin angeboten zu bekommen?

Corinna Harfouch: Das kann man wohl sagen. Ich habe erst mal gelacht - weil mein Alter ja eher jenseits des Rentenalters für Frauen im öffentlichen Dienst liegt. Ich habe dem rbb gesagt, dass sie das schlüssig erklären müssen, dass ich da auftauche. Aber man hat mich nun ein paar wenige Jahre jünger gemacht, aber schon auch darauf hingewiesen, dass es eine späte Rückkehr in den aktiven Dienst ist - von der Stelle einer Lehrkraft an der Polizeiakademie. Aber so passt es, finde ich. Und ich finde die Konstellation auch spannend.

teleschau: Kann man über ihre Figur das Thema Altersdiskriminierung im "Tatort" erzählen?

Corinna Harfouch: Nein, das möchte ich nicht erzählen, weil auf diesem Thema kein Fokus liegt. Ich, aber auch meine Rolle, wir sehen es als selbstverständlich an, dass man arbeitet und in der Gesellschaft tätig ist. Egal, welches Alter man hat.

Bereit zur Rückkehr von der Akademie "auf die Straße": Corinna Harfouch als "Tatort"-Ermittlerin Susanne Bonard. (Bild:  rbb/Marcus Glahn)
Bereit zur Rückkehr von der Akademie "auf die Straße": Corinna Harfouch als "Tatort"-Ermittlerin Susanne Bonard. (Bild: rbb/Marcus Glahn)

"Mit zwei streitenden Ermittlern kann ich nichts anfangen"

teleschau: Ihr erster "Tatort: Nichts als die Wahrheit" ist sehr Plot-getrieben, wie man sagt. Über Ihre Figur wird wenig verraten, außer dass sie einen Richter als Mann und einen studierenden Sohn hat, der noch im Haus wohnt ...

Corinna Harfouch: Die Figur erzählt sich doch einfach, indem sie da ist. Ich bin dafür, dass man das Private nicht übertrieben ausbreitet. So, wie es jetzt ist, finde ich, ist das ein gutes Maß. Ich brauche dieses Private nicht. Ich hoffe, dass sich mein Alter da ein bisschen "auszahlt". Dass ich nicht mit jedem Fall in eine neue persönliche Krise gerate. Stattdessen wünsche ich mir, dass meine Figur empathisch und schnell im Kopf ist. Dazu klar in ihren Gedanken und Entscheidungen. Wer älter ist, kennt sich mit Menschen besser aus. Wenn man sich außerdem dann noch für sie interessiert, hat man da schon einen klaren Vorteil.

teleschau: Die Beziehung ihrer Rollen-Vorgängerin, gespielt von Meret Becker, zur Figur von Mark Waschke war abwechselnd von großer Nähe und Distanz geprägt, von viel Wucht und Chaos. Das werden wir jetzt erst mal nicht mehr erleben, oder?

Corinna Harfouch: Es wird anders sein. Meine Erfahrung im Schauspielberuf hat mich gelehrt, dass es eine große Intimität in der Arbeit gibt, die nichts mit privater Intimität oder auch der Intimität der Rollen zu tun hat. Je schneller man diese Intimität in der Arbeit herstellt, desto besser ist die Arbeit. Es ist eine beglückende, großartige Sache, wenn man diese Arbeits-Intimität findet und danach trotzdem gut auseinandergehen kann. Man kann toll mit Menschen arbeiten, und es kann super intensiv sein - und danach gehen beide glücklich nach Hause.

teleschau: Das heißt, Sie werden sich mit Mark Waschke und seiner Figur Robert Karow gut, aber etwas distanzierter "verstehen"?

Corinna Harfouch: Ich wünsche mir jedenfalls viel mehr Intimität als Streit. Mit zwei streitenden Ermittlern kann ich nichts anfangen. Was soll das Ganze? Wir verhandeln hier doch größere Themen als dass es angemessen wäre, dass sich unsere Figuren auf der persönlichen Ebene streiten. Das war ursprünglich mal etwas stärker in den Drehbüchern angelegt, aber ich halte es nicht für gut. In Zukunft hoffe ich auf eine gute, verständige Zusammenarbeit - aus der man schauspielerisch übrigens auch viel mehr machen kann als aus dem Herumgezicke zweier Figuren.

Eine junge Schutzpolizistin hat sich das Leben genommen. Ihr letzter Anruf ging an eine ehemalige LKA-Größe, die inzwischen an der Polizeiakademie lehrt: Susanne Bonard (Corinna Harfouch). Sie und Robert Karow (Mark Waschke) stoßen auf ein rechtes Netzwerk und müssen feststellen, dass sie größeren Zusammenhängen gegenüberstehen als gedacht. (Bild: rbb/Pascal Bünning)

"Die Bühne ist auf jeden Fall eine Sucht"

teleschau: Wenn Sie von Intimität bei der Arbeit sprechen, geht es da um die berühmte Chemie, die zwischen zwei Schauspielern stimmen muss? Wie kann man die erreichen?

Corinna Harfouch: Ich kann Ihnen nur sagen, dass man sie grundsätzlich nicht dem Zufall überlässt. Man tut etwas dafür, damit diese Intimität entsteht. Es gibt eine Kultur, die man leben muss, damit es klappt.

teleschau: Was genau muss man tun?

Corinna Harfouch: Man muss Humor haben, das ist ganz wichtig. Es gilt, einen Weg zum Gegenüber zu finden. Das geht nur über Empathie und Verständnis für andere Menschen. Dafür muss man sich weder in den Armen liegen und schon gar nicht einer Meinung sein. Aber es muss immer um die Sache gehen, um die es eben gerade geht. Dafür muss man einen Weg finden, dass man nicht in irgendwelche "Privatismen" ausbüxt, sondern beim Thema bleibt.

teleschau: Also hat gutes Schauspiel etwas mit Achtsamkeit, Einfühlungsvermögen und Konzentration auf den Anderen zu tun?

Corinna Harfouch: Genau so ist es.

teleschau: Erleben Sie Schauspiel als Sucht, von der man schwer loslassen kann?

Corinna Harfouch: Ja, durchaus. Die Bühne ist auf jeden Fall eine Sucht. Da ist Raum, den man füllen muss, aber eben auch füllen kann. Die Sucht besteht tatsächlich in dem Empfinden einer Hochkonzentration, einer Klarheit, eines Sich-im-Jetzt-befinden. Etwas Vergleichbares hat man kaum noch irgendwo. Vielleicht, wenn man meditiert, was ich viel zu selten tue. Aber die Klarheit und das Gefühl, gerade voll im Moment zu sein - das ist es, was an der Bühne süchtig macht. Ich weiß nicht, ob ich das irgendwann freiwillig aufgeben kann.

"Polizeilegende" Susanne Bonard (Corinna Harfouch) und ihr Mann, Richter Kaya Kaymaz (Ercan Karaçayli), sind besorgt wegen rechter Tendenzen im Polizei- und Sicherheits-Apparat ihres Landes. (Bild:  rbb/Marcus Glahn)
"Polizeilegende" Susanne Bonard (Corinna Harfouch) und ihr Mann, Richter Kaya Kaymaz (Ercan Karaçayli), sind besorgt wegen rechter Tendenzen im Polizei- und Sicherheits-Apparat ihres Landes. (Bild: rbb/Marcus Glahn)