Cornelius Obonya: "Wenn du nicht gut bist, nützt dir der Name überhaupt nichts"
Im atmosphärisch dichten Schwarzwald-"Tatort: Unten im Tal" (Sonntag, 12. Februar, 20.20 Uhr, Das Erste) spielt der österreichische Schauspieler Cornelius Obonya einen schweigsamen Familienvater. Wer ist der Mensch hinter dem Charaktergesicht, das man im deutschen Fernsehen immer häufiger sieht.
In Österreich muss man Cornelius Obonya nicht vorstellen. Der 1969 in Wien geborene Schauspieler entstammt dem legendären Hörbiger-Clan. Er spielte lange am berühmten Burgtheater und verkörperte vor Lars Eidinger und Tobias Moretti den Prestige-trächtigen "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen. In Deutschland ist Obonyas markantes Gesicht nun ebenfalls immer öfter in größeren, anspruchsvollen Rollen zu sehen. So auch im "Tatort: Unten im Tal" (Sonntag, 12. Februar, 20.20 Uhr, Das Erste), in dem der mit der deutschen Regisseurin Carolin Pienkos verheiratete Obonya einen Mann spielt, dessen halbwüchsige Tochter vor zehn Jahren verschwand - und deren "Cold Case" nach dem Fund ihrer sterblichen Überreste wieder aktuell wird. Im Interview spricht Cornelius Obonya über Fluch und Segen der Schauspiel-Familie Hörbiger und darüber, warum er Fernsehen heute mehr mag als anspruchsvolles Theater, aber mit dem "volkstümlichen" Sender ServusTV gewaltige Probleme hat.
teleschau: Herr Obonya, woher kommt Ihr - für einen Österreicher - doch irgendwie ungewöhnlicher Name?
Cornelius Obonya: Aus Ungarn. Aber es gibt diesen Namen - genauso geschrieben, nur anders ausgesprochen - auch in Nigeria. Das weiß ich von meinem nigerianischen Kollegen Nick Monu. Der kam Anfang der 90-er, ein Jahr nach mir, an die Schaubühne Berlin und freute sich schon, als er sich vorab die Namen des Ensembles durchlas, auf einen Landsmann. Doch statt eines schwarzen Kollegen traf er einen weißen (lacht). Wir sind bis heute befreundet.
teleschau: Leben Sie denn noch in Berlin?
Obonya: Nein, das war in den 90-ern. Ich habe zwar eine deutsche Frau, aber wir sind nach Wien zurückgegangen, haben einen Sohn und fühlen uns hier wohl. Wien ist sehr lebenswert, wenn man alle zwei oder drei Monate mal das Ausland aufsucht. Kulturell muss man hier ein bisschen aufpassen. Wir Österreicher neigen dazu, im eigenen Saft zu schwimmen.
"In Österreich wird man schnell zur Promi-Leiche"
teleschau: Sie sind Teil des Hörbiger-Clans, aus dem viele bekannte Schauspielerinnen und Schauspieler hervorgingen. Ist es eigentlich ausgemachte Sache, dass man Ihren Beruf ergreift, wenn man in diese Familie hineingeboren wird?
Obonya: Nein. Ich wollte zunächst auch etwas anderes machen: Archäologie. Da verstand ich dann aber früh, dass ich nicht die Ruhe habe für diesen Job. Ich bin aber nach wie vor sehr daran interessiert. Ich lese und sauge alles auf, was mit Ausgrabungen und alten Funden zu tun hat. Schon mit 15 wusste ich dann, dass ich Schauspieler werden will. Aber es hat mir niemand Druck gemacht. Keiner in der Familie hat Erwartungen formuliert oder mir eingeschärft, dass ich die Familienehre würdig vertreten müsse. Das mit dem Familiendruck ist alles Quatsch.
teleschau: Es geht das Gerücht, dass man als Schauspieler in Österreich eine höhere Wertschätzung genießt als ich Deutschland ...
Obonya: Ja, das ist so.
teleschau: Aber wird man auch anders behandelt, wenn man das Hörbiger-Gen hat?
Obonya: Innerhalb der Branche nicht. Jeder steht für sich auf der Bühne oder vor der Kamera, und wenn du nicht gut bist, nützt dir der Name überhaupt nichts. Ganz im Gegenteil: In Österreich wird man schnell zur Promi-Leiche, sofern man die Erwartungen künstlerisch nicht erfüllt. Leute mit Vorschusslorbeeren sieht man hier besonders gerne abstürzen. Wenn man es aber schafft zu überzeugen und dann noch aus so einer Familie kommt, dann wird man sehr respektiert. Das ist tatsächlich toll - und angenehm. Trotzdem ist es mir stets lieber, nicht auf die Familie angesprochen zu werden.
"Abseits der Kamera haben meine Tante und ich immer sehr viel gelacht"
teleschau: Aber wie läuft das innerhalb Ihrer Familie: Tauscht man sich aus, gibt es Schauspieler-Familientreffen?
Obonya: Ja, man tauscht sich aus - wenn man sich sieht. Aber wir sehen uns eigentlich viel zu selten oder gar nicht. Christian Tramitz zum Beispiel. Ich glaube, er ist mein Groß-Groß-Cousin, aber wir sind uns noch nie im Leben begegnet. Man hört voneinander über die Medien. Der eine erwähnt den anderen in Interviews, so wie ich jetzt, aber es gab noch nie einen persönlichen Kontakt. Es ist mittlerweile ein Running Gag, wir lassen einander immer grüßen (lacht).
teleschau: Wie nah standen Sie ihrer vor Kurzem verstorbenen Tante Christiane Hörbiger?
Obonya: Wir standen uns nah, weil wir ab und zu miteinander gearbeitet haben. Das war immer wunderschön. Bei uns in der Familie galt immer: Wenn man miteinander arbeitet, geschieht das voller Respekt und auf Augenhöhe. Abseits der Kamera haben meine Tante und ich immer sehr viel gelacht. Sie war eine Frau mit krudem Humor. Auf dieser Ebene haben wir uns immer super verstanden.
teleschau: Letzte Familienfrage, aber auf die jüngere Generation bezogen. Ihr Sohn ist nach Ihrem Großvater Attila Hörbiger benannt und fast erwachsen. Wird er auch Schauspieler?
Obonya: Er hat den Wunsch schon mal geäußert. Trotzdem ist er immer noch Schüler, und als nächstes Ziel steht das Abitur an. Danach kann man weitersehen. Wenn meine Frau und ich merken, dass er es wirklich will, bekommt er unsere volle Unterstützung. Der Wunsch, Schauspieler zu werden, kann nur aus einem selbst heraus kommen. Es ist kein Beruf zum Reinriechen. Man muss es mit jeder Faser des Körpers wollen, sonst hat man keine Chance. Schauspieler zu sein, das geht nur mit voller Leidenschaft. Ansonsten wird man sehr, sehr viele Schmerzen erleiden.
"Die Leute haben uns für verrückt erklärt, weil wir ja ein kleines Kind hatten"
teleschau: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Karriere? Auf der Bühne sind Sie berühmt, im Fernsehen ist es bisher eher die zweite Reihe, die Sie bespielen ...
Obonya: Ich bin sehr spät zum Fernsehen gekommen, weil ich lange Jahre nur Theater gemacht habe. Dort war ich so beschäftigt, dass ich Fernsehangebote oft ausschlagen musste. Seit einigen Jahren mache ich nur noch Film - und bin mit der Ausbeute sehr zufrieden. Ich spiele gegenwärtig gar kein Theater und bin in keinem Ensemble. Bezogen auf die wenigen Jahre, die ich mich jetzt ausschließlich aufs Drehen konzentriere, bin ich zufrieden. Klar, Hauptrollen dürfen gerne kommen. Aber ich halte mich noch für jung genug, dass sich noch was entwickeln kann.
teleschau: Sie waren lange am berühmten Wiener Burgtheater, haben ein paar Jahre den "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen gegeben. Gab es einen Grund, warum Sie mit dem Theater gebrochen haben?
Obonya: Den gab es tatsächlich. Als mein Sohn zwei Jahre alt war, hatte ich zu meiner Überraschung die Audition für die Hauptrolle im Musical "The Producers" von Mel Brooks gewonnen, das auf Tournee ging. Es muss 2006 oder 2007 gewesen sein. Ich wollte das gerne machen und habe nach neun Jahren am Burgtheater das erste Mal darum gebeten, für eine Weile freigestellt zu werden. Diesem Wunsch ist man nicht nachgekommen, dann habe ich gekündigt. Meine Frau war damals als Assistentin auch am Burgtheater beschäftigt - und sie ist auch gegangen. Die Leute haben uns für verrückt erklärt, weil wir ja ein kleines Kind hatten. Doch der Aufbruch in ein neues Leben hat uns damals gutgetan.
teleschau: Aber man muss ja nicht gleich mit dem Theater an sich brechen ...
Obonya: Ach, ich war damals genervt von der Theaterkultur bei uns. Das war mir alles zu artifiziell und am Publikum vorbei. Meiner Meinung geht es heute vor allem darum, möglichst schnell zum "Theatertreffen" zu kommen, also Preise zu gewinnen. Dafür muss man einen gewissen Kanon inszenieren und einen gewissen Kanon spielen. Wer das nicht macht, braucht in diese Szene gar nicht reinzuriechen - dann hat man keine Chance. Ich möchte gerne Geschichten erzählen und die Leute unterhalten. Ich habe von der Kritik hochgelobte Stücke gespielt, aus denen die Leute reihenweise rausgegangen sind. Das kann es irgendwie nicht sein.
"Das ist mir zu 'heimatbewusst', impfgegnerisch und verschwörungslastig"
teleschau: Zurück zu Ihnen! Würden Sie sagen, dass Sie für einen bestimmten Typ Mann besetzt werden?
Obonya: Nein, nicht unbedingt - und das finde ich gut. Ich spiele in einem Film den finsteren Mörder und im nächsten einen unsicheren Violinisten mit Alkoholproblem. Sofern ich verschiedenste Fantasien beflügele, ist es doch am besten. Allerdings sind böse Menschen oft die interessanteren Rollen.
teleschau: Sind Sie in Österreich viel bekannter als in Deutschland?
Obonya: Ja, eindeutig ...
teleschau: Dort gab es auch mal eine Krimireihe, in der Sie den Kommissar spielten ...
Obonya: Sie meinen den "Altaussee-Krimi". Ja, aber da bin ich nach zwei Folgen ausgestiegen. Eigentlich sollten es sechs bis acht Filme werden, doch ich war mit Drehbuch und Regie nicht mehr einverstanden gewesen. Die Bücher wurden immer flacher. Außerdem habe ich große Probleme mit der Ausrichtung von ServusTV. Das ist mir speziell mit dem, was hier in Österreich passiert, zu "heimatbewusst", impfgegnerisch und verschwörungslastig. Ich hatte zwar schon vorher in der Serie "Meiberger - Im Kopf des Täters" gespielt, aber das war vor der Pandemie - und danach hat sich dann doch einiges verstärkt. Es war mir genug, ich habe die Produktion verlassen.
teleschau: Heißt das, Sie gingen im offenen Konflikt mit dem Sender?
Obonya: Offenen Konflikt würde ich das nicht nennen, aber ich habe eindeutig gesagt, dass gewisse Umstände für mich nicht tragbar sind. Man sollte sich, meiner Meinung nach, zu jeder Zeit bewusst sein, in welche Zusammenhänge man sich begibt.
"Die Sehgewohnheiten haben sich schon zum Besseren verändert"
teleschau: Nun spielen Sie eine Hauptrolle im Schwarzwald-"Tatort". Wie sehr geht es Ihnen auf den Geist, dass deutschsprachige Schauspieler so viele Krimis spielen müssen?
Obonya: Das geht mir schon auf den Geist, was jetzt aber nichts über die Qualität einzelner Produktionen aussagen soll. Dieser Schwarzwald-"Tatort" war künstlerisch ein ganz anderes Kaliber als das, worüber wir davor gesprochen haben - und zudem auch eine sehr angenehme Team-Arbeit. Aber das mit den vielen Krimis ist schon ein Problem. Die Sender verhalten sich wie das Kaninchen vor der Schlange, wenn es um den Blick auf die Quote geht. Es wird den Menschen oder dem Publikum sehr viel Wahrheit des Lebens vorenthalten beziehungsweise nicht allzu viel Intelligenz zugemutet, wenn es ums Fernsehprogramm geht.
teleschau: Was müsste man Ihrer Meinung nach tun?
Obonya: Gerade die öffentlich-rechtlichen Sender müssten sich viel mehr trauen als nur einfachste Unterhaltung zu liefern, von der man weiß, dass sie bisher gut funktionierte. Sie müssten mehr wagen als Krimi, teilweise recht flache Spielshows und Sangeskünste.
teleschau: Was könnte man stattdessen produzieren?
Obonya: Ein ähnliches Publikum, das man dort erreicht, geht für andere Sachen ins Kino. Das Interesse ist also breiter. Man muss nur an neue Dinge glauben und sie durchhalten. Mit ein bisschen Geduld werden sie dann auch Erfolg haben. Wie es - im negativen Sinne - funktioniert, haben einige private Sender über Jahrzehnte gezeigt. Das war alles simpel, absolut berechenbar, aber sie haben diesen Stiefel so lange durchgezogen, bis das Publikum sich daran gewöhnt hatte. Man kann als Sender mit Anspruch auch mal sagen, dass man an etwas Mutigem und Gutem trotz anfangs geringer Quote festhält.
teleschau: Aber warum schaltet das Publikum nicht einfach ab, wenn der tausendste Krimi nach "Schema F" läuft. Dann würde sich das Problem mit der Krimiflut wahrscheinlich von alleine geben ...
Obonya: Ich glaube, das klassische Fernsehen war in Sachen Unterhaltung ein Stück weit aufs Sedieren des Publikums aus. Ich kannte ein paar Menschen, die Sachen gucken oder guckten, die ich mir niemals anschauen würde. Und wenn ich dann frage, warum sie es geschaut haben, höre ich: "Ja, es lief doch nichts anderes." Doch die Sehgewohnheiten haben sich schon zum Besseren verändert. Und nicht nur aufgrund der Streamingdienste und deren Qualität. Und es geht ja. "Bonn: Alte Freunde, neue Feinde" zum Beispiel. Diese öffentlich-rechtliche Produktion ist wunderbar. So geht anspruchsvolle Unterhaltung.