Corona-Politik: Söder muss vom Einzelkämpfer zum Teamspieler werden

Der bayerische Ministerpräsident inszeniert sich als Macher. Doch in der Coronakrise geht es nicht um Individuen oder gar die Kanzlerfrage. Die Politik muss die Bevölkerung mit Informationen erreichen.

Markus Söder geht über die steinerne Freitreppe der Staatskanzlei zur wahrscheinlich letzten Kabinettssitzung vor der Sommerpause (Bild: Peter Kneffel/dpa/POOL/dpa)
Markus Söder geht über die steinerne Freitreppe der Staatskanzlei zur wahrscheinlich letzten Kabinettssitzung vor der Sommerpause (Bild: Peter Kneffel/dpa/POOL/dpa)

Nun hat Markus Söder also auch sein Fall Tönnies ereilt, wie Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen. Nach dem Fleischbetrieb im Kreis Gütersloh gibt es nun auch auf einem Bauernhof in Niederbayern einen lokalen Corona-Ausbruch.

Söder hat seit Beginn der Krise erfolgreich sein Bild als Fels in der Brandung in unruhigen Zeiten gemalt und alle Schwächen und Verfehlungen seiner Partei vergessen gemacht. Angesichts seiner Umfragewerte brachte er sich gar als möglicher Kanzlerkandidat in Stellung. Absolute Sicherheit schien denkbar.

Und das, obwohl die Pandemie hierzulande auch in Bayern ihren Lauf nahm und die Infektionszahlen dort im Verhältnis zu anderen Bundesländern mit am höchsten sind. Söder kritisierte bei Tönnies den „Agrarkapitalismus“ und warb für „Agrarökologie“. Das klang grün und ließ an die glückliche, bayerische Bauersfamilie denken.

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Die Realität sieht für viele Erntehelfer weit weniger romantisch aus. Nun haben sich 174 von ihnen – Menschen aus Ungarn, Bulgarien, Rumänien, der Ukraine – mit dem Coronavirus infiziert. Sowohl die Probleme in der Fleischwirtschaft wie auch die Arbeitsbedingungen für Saisonarbeiter sind seit Langem bekannt, Hygienevorschriften hin oder her. Kein Wunder, dass sich Söder nun kleinlaut gibt und mehr Kontrollen ankündigt.

Im Fall Tönnies wollte er Menschen aus dem Kreis Gütersloh die Einreise nach Bayern untersagen. Von Laschet sind solche Äußerungen über die Einwohner aus dem niederbayerischen Mamming nicht bekannt. Gut so. Es ist keine Zeit für Häme oder die Frage, wer Kanzlerkandidat der Union wird.

Umfassende Aufklärung wäre wichtig

Es geht um Grundlegendes. Die Regierenden werden die Geister, die sie riefen, nicht mehr los. Seit dem verordneten Stillstand im Land stehen sie sofort unter Druck, wenn die Infektionszahlen steigen.

Söder und Jens Spahn als Bundesgesundheitsminister wissen das. Sie haben die Verantwortung des Einzelnen an sich gerissen, wohl wissend, dass jeder Einzelne für den Erfolg im Kampf gegen die Pandemie entscheidend ist.

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Eine libertäre Haltung, für die Laschet steht, goutieren Umfragen indes nicht. Also werden verpflichtende Kontrollen von Rückkehrern aus den sogenannten Risikogebieten angeordnet, obwohl selbst das Robert Koch-Institut die neuen Infektionsherde nicht durch Reiserückkehrer verursacht sieht. Es gilt offenkundig dennoch, den Schein der Sicherheit zu wahren.

Viel wichtiger wäre es, umfassend aufzuklären: Jeder ist für sich und seine Umwelt verantwortlich; jeder soll Abstand halten, wo er kann. Nur so können Schulen und Kitas wieder öffnen, Arbeitnehmer wieder in die Betriebe und alle zusammen in eine Normalität zurückkehren, bei der nicht der Grad von Freiheit an Fallzahlen gemessen wird.