Daniel Brühl als Fashion-Genie: "Becoming Karl Lagerfeld"

Karl Lagerfeld (Daniel Brühl, links) und seine große Liebe Jacques de Bascher (Théodore Pellerin): Die sechsteilige Miniserie "Becoming Karl Lagerfeld" erzählt ab 7. Juni die Jahre 1972 bis 1981 im Leben des Modegenies deutscher Herkunft. (Bild: ©Disney 2024 )
Karl Lagerfeld (Daniel Brühl, links) und seine große Liebe Jacques de Bascher (Théodore Pellerin): Die sechsteilige Miniserie "Becoming Karl Lagerfeld" erzählt ab 7. Juni die Jahre 1972 bis 1981 im Leben des Modegenies deutscher Herkunft. (Bild: ©Disney 2024 )

Was geschah vor dem Zopf? Daniel Brühl spielt in "Becoming Karl Lagerfeld" (Disney+, ab 7. Juni) den deutschen Modeschöpfer. Anfang der 70-er ist er Ende 30 und frustriert, weil in Paris kaum jemand sein Genie versteht. Taugt die Biopic-Serie zur "Haute Couture" oder ist sie ein Laufsteg-Flop?

Vor etwas mehr als fünf Jahren, am 19. Februar 2019, starb Karl Lagerfeld an Prostatakrebs. Seine 85 Jahre sah man dem Hamburger aus gutem Haus, der in Paris Karriere machte, bis zum Schluss kaum an. Der Modeschöpfer Karl Lagerfeld war auch in deutschen Medien omnipräsent: als schneller Denker, origineller Gesprächspartner und natürlich Stilikone. Doch wie wurde Lagerfeld zu dem, der er war? Diese Frage versucht die sechsteilige Miniserie "Becoming Karl Lagerfeld" (Disney+, ab 7. Juni) zu beantworten. Daniel Brühl spielt "KL" in dessen Lebensjahren von Ende 30 bis Ende 40.

Die Erzählung setzt 1972 ein: Karl lebt gemeinsam mit seiner Mutter (Lisa Kreuzer) in Paris und arbeitet als noch unbekannter Prêt-à-porter-Designer für Chloé. Der introvertierte, auf Abstand bedachte Deutsche ist frustriert darüber, dass sein Ruhm noch keineswegs dem bei sich selbst festgestellten Talent entspricht. Anders als bei seinem Freund, dem berühmten Yves Saint Laurent (Arnaud Valois), traut man dem Deutschen nicht zu, in die Riege der ganz großen Modeschöpfer vorzudringen.

Doch Lagerfeld ist ehrgeizig. Er will eine eigene Kollektion herausbringen und bereitet eine Modeschau vor, in der die "Entscheider" des damaligen Paris überzeugt werden sollen. Gleichzeitig verfolgt man in der Serie mit dem jungen Dandy Jacques de Bascher (Théodore Pellerin) einen zweiten Protagonisten. Lagerfeld und de Bascher lernen sich 1972 in Paris kennen. Er soll die große - und vielleicht einzige Liebe - des Modepapstes gewesen sein. Der echte de Bascher starb 1989 mit 38 Jahren an Aids.

"Becoming Karl Lagerfeld" entstand nach dem biografischen Roman "Kaiser Karl" von Raphaëlle Bacqué, die auch am Drehbuch mitarbeitete. Gezeigt werden die Jahre 1972 bis 1981 und damit der Aufstieg des am Anfang noch durchaus unsicheren Deutschen, der zu Beginn der Serie noch nicht einmal seinen ikonografischen Zopf, sondern Vollbart trägt.

Karl Lagerfeld (Daniel Brühl) im Diskofieber: Die Serie "Becoming Karl Lagerfeld" zeigt den 2019 verstorbenen Deutschen als einen Mann, der zwar schon erkennbare Ähnlichkeit mit dem älteren Genie und Exzentriker hat, den man kannte - der aber noch von vielen Unsicherheiten, Misserfolgen und einer unerfüllten Liebessehnsucht begleitet wird. (Bild: ©Disney 2024 )

Selbstinszenierung und Selbstzweifel

Nach "Cristóbal Balenciaga" (Disney+) und "The New Look" (Apple TV+) ist "Becoming Karl Lagerfeld" bereits die dritte Streamingserie für Modefans im Jahr 2024. Offenbar setzt man derzeit gerne auf eskapistische Stoffe mit schönen Textilien und Silhouetten - samt den biografischen Verwerfungen ihrer flamboyanten Schöpfer. Wobei eine große Liebesgeschichte gern mitgenommen wird. Das Liebesdreieck Karl Lagerfeld, Jacques de Bascher und Yves Saint Laurent (de Bascher hatte auch eine längere Affäre mit Saint Laurent) steht erzählerisch natürlich im Mittelpunkt des Begehrens und der Krisen des jungen Karl Lagerfeld.

Die Besetzung der Serie passt. Daniel Brühl, der deutsche Superstar des internationalen Serienfernsehens, liefert wieder eine gute Figur ab. Die Dialoge im französischen Original sind durchaus scharfzüngig, auch wenn sie in der deutschen Synchro etwas von ihrer spitzen Eleganz verlieren. Wenn Lagerfeld auf Deutsche trifft, auf seine Mutter oder die alternde Schauspiel-Diva Marlene Dietrich (Sunnyi Melles), wird auch ein bisschen Deutsch geredet.

Auch die 70er-Ausstattung der mit viel Disko- und Popmusik der Zeit gefüllten Serie plus einem originallen Soundtrack von Evgueni und Sacha Galperine ("The Undoing", "Scene from a Marriage") wissen zu überzeugen, auch wenn das, was hier erzählt wird, sicherlich nicht jeden interessieren wird.

Letztlich ist es Geschmackssache, wie sehr einen Selbstinszenierung und Selbstzweifel des noch nicht so wie in späteren Jahren gefestigten Karl Lagerfeld interessieren, der hier schon mal am Ende einer Folge hemmungslos weinen darf. Für jene, die nur den unantastbaren Lagerfeld kennen, mag das sechsteilige Biopic von Showrunnerin Isaure Pisani-Ferry daher als Psychogramm eine Entdeckung sein. Für den Rest gibt es eine ordentlich geschriebene und gespielte Serie mit viel schwuler Liebe, einer Aufstiegs- und Zweiflergeschichte und Figuren, bei denen Außenwirkung und Innenleben naturgemäß mehr miteinander zu tun haben, als bei Otto-Normal-Verbraucher. Aber so muss es natürlich sein, bei einer Serie über Mode und ihre Schöpfer.

Freunde, aber auch Konkurrenten bis aufs Blut. Übrigens nicht nur beruflich, sondern auch in Liebesdingen: Karl Lagerfeld (Daniel Brühl, links) und der damals schon sehr erfolgreiche Yves Saint Laurent (Arnaud Valois) Anfang der 70-er in Paris. (Bild: ©Disney 2024 )
Freunde, aber auch Konkurrenten bis aufs Blut. Übrigens nicht nur beruflich, sondern auch in Liebesdingen: Karl Lagerfeld (Daniel Brühl, links) und der damals schon sehr erfolgreiche Yves Saint Laurent (Arnaud Valois) Anfang der 70-er in Paris. (Bild: ©Disney 2024 )