Werbung

Das sind die 7 größten Konfliktpunkte der Ampel-Koalition – abgesehen von Heizungen

Offiziell haben sie sich lieb, aber hinter den Kulissen wird gerungen: Wirtschaftsminister Robert Habeck (links), Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner in Meseberg im März (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)
Offiziell haben sie sich lieb, aber hinter den Kulissen wird gerungen: Wirtschaftsminister Robert Habeck (links), Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner in Meseberg im März (Bild: REUTERS/Fabrizio Bensch)

Denkt man an Ampel, denkt man an Rot: Die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP gibt ein Erscheinungsbild des Zwistes und der Lähmung ab. Was ist dran? Und wo liegen die größten Baustellen? Eine Auflistung der strittigsten Punkte.

Eine Analyse von Jan Rübel

Immerhin, sie reden wieder miteinander. Der Dauerstreit über die Heizungen der Zukunft in Deutschland hat das Zeug, das Regierungsbündnis zu zerlegen – wenn man vielen Medienberichten glaubt. Kokolores, heißt es dazu aus dem Kanzleramt, wir reden stets miteinander und weniger übereinander, als die Unkenrufer glauben. Jedenfalls ist klar, dass das so genannte „Heizungsgesetz“ (in Wirklichkeit: Gebäudeenergiegesetzt, GEG) gewisse Unschärfen in sich trägt – und dass diese ganz Klimaschutzminister Robert Habeck von den Grünen angelastet werden, obwohl Bauministerin Klara Geywitz von der SPD genauso dran mitgeschrieben hatte.

Kompromissbereitschaft? Koalition vor Wochen der Wahrheit im Heizungsstreit

Kanzler Olaf Scholz (SPD) wird heimlich aufatmen, aber nur bis zu einem bestimmten Punkt: Die Kabale in der Ampel ist aus seiner Sicht okay, solange er und seine Sozialdemokraten nicht darunter leiden.

Doch der kritische Punkt ist langsam erreicht. Ohne Dämpfung kommt jeder Streit irgendwann an einem point of no return an, ab dem keine Handbremse mehr funktioniert. So ist es halt bei den Menschen. Die stillen Architekten der Koalition loten also in diesen Tagen intensiv aus, was noch geht. Da sind die Sherpas im Kanzleramt und die Parlamentarischen Geschäftsführer (PGF) der einzelnen Fraktionen, sie tauschen sich in Telefonrunden aus, glätten manche Welle. Denn sie wissen: Die Interessen der einzelnen Regierungsparteien sind zwar unterschiedlich. Aber von einem Ende des Bündnisses profitiert derzeit keine einzige, im Gegenteil. Die Runde der „Lösungsingenieure“ hat also gleich mehrere Orte ausgemacht, an denen es knirscht und bei denen Entscheidungen hermüssen. Welche sind es genau?

Die Schulden

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat ein Mantra. Er will die Neuverschuldung zurückdrehen, der FDP-Parteichef redet daher unverdrossen von der „schwarzen Null“, die nach den Sonderbelastungen der Pandemie wieder hermüsse. Doch dann kam der Ukrainekrieg. Und damit noch mehr Geldnot. Zwar wollen in der Ampel alle sparen. Aber es gibt gerade in der SPD einen Flügel, der nun in die große Schatulle greifen will, vor einer „Sparfalle“ warnt. Das führt dazu, dass Interessenkonflikte entstehen.

Verteidigung versus Kindergrundsicherung

Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) fordert strukturell mehr Ausgaben für sein Ressort – und er hat damit die gefühlt halbe Republik hinter sich. Auch in den Regierungsparteien reift die Erkenntnis, dass die vom Kanzler ausgerufene „Zeitenwende“ etwas kostet, und dies nicht nur einmal. Dies kollidiert indes mit anderen Vorhaben: Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass mit der Kindergrundsicherung endlich sozial unvermögende Familien besser gestellt werden – dass über Kindeswohl nicht nur gesprochen, sondern auch etwas getan wird. Die Grünen fordern dies, die FDP mauert – und die SPD schweigt.

Knackpunkt Asyl

Viele Menschen kommen, die Kommunen stöhnen, und künftig wird noch mehr zu stemmen sein. Daher bewegt sich in der Ampel bei diesem Thema sehr viel. Die SPD profiliert sich als Hardliner, will mehr Riegel, rigidere EU-Außengrenzen und konsequentere Abschiebungen. Die FDP sieht sie in Teilen bei sich – aber nicht ganz. Und die Grünen stehen noch etwas überrumpelt da. Im Detail wird eine Einigung auf einen einheitlichen Kurs schwierig werden.

Umfrage: Drei Viertel bewerten Klima in Ampel-Regierung als schlecht

Ein deutscher Inflation Reduction Act?

US-Präsident Joe Biden macht es vor, und Scholz formuliert es zumindest ähnlich: Für den grünen Umbau der Industrie soll massiv Geld fließen, die darin gesehenen Perspektiven sind immens. Biden ließ im aktuellen Haushaltsstreit überall Kompromissbereitschaft durchblicken – nicht aber bei seinem Programm Inflation Reduction Act, der genau diese Konversion und diesen Boom antreibt. In Deutschland stellt sich die Ampel diesen Ambitionen auch, aber zaghafter. Es wird an Scholz liegen, seinen Worten Taten folgen zu lassen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach möchte mehr in staatliche Hand bringen, die FDP setzt auf Privatisierung. (Bild: Getty Images)
Gesundheitsminister Karl Lauterbach möchte mehr in staatliche Hand bringen, die FDP setzt auf Privatisierung. (Bild: Getty Images)

Gesundheit und Pflege

Die Kosten steigen, die Dienste an den Kranken aber nicht. Und die Vorstellung, im Alter in einem Massenheim „versorgt“ zu werden, wird Alltag. Doch die Stellschrauben sind immens – und die Ampel zeigt sich uneins. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) würde gern mehr in staatliche Hand bringen, gerade die Krankenhäuser zumindest ein wenig vom Profitabilitätsdiktat befreien. Doch die FDP setzt weiterhin auf Privatisierung und das Zwei-Kassen-System. Eine Lösung scheint kaum in Sicht. Aber daran hat man sich in Deutschland gewöhnt, daher trägt dieses Thema eher weniger Spaltungspotenzial in sich.

Planungsbeschleunigung versus Straßenbau

Alle singen unisono: In Deutschland herrscht zu viel Bürokratie. Gerade neue Projekte dauern in den Verfahren zu lange, zu viele Köche rühren am Brei. Dies will die Ampel ändern. Doch die Grünen haben vor allem klimaschutzfördernde Themen im Kopf, während die FDP an Straßenbau denkt. Dies wiederum ist den Ökologen ein Gräuel. Hier sind die Parteien besonders verhakt.

Feministische Außenpolitik

Was die Ampel zur Neuordnung der Außenpolitik und der Entwicklungspolitik formulierte, sind letztlich moderne Selbstgänger, in Worte gefasste Erkenntnisse gewisser Fakten. Doch man muss dahinter auch stehen. Zumal die Opposition darin eine Chance sieht, sich darüber lächerlich zu machen. Vor allem Männer aus SPD und FDP sind in der Versuchung, sich nicht hinter die Fachressorts zu stellen. Derzeit hat dieser Streit eine symbolische Natur. Sollte er sich aber verselbständigen, könnte er der Koalition mehr schaden, als man aktuell denkt.

VIDEO: Scholz - FDP und Grüne sollen Heizungsstreit beilegen