Datenschutzbeauftragte warnt vor gezielter Wahlwerbung

Berlin (dpa) - Die Berliner Landesdatenschutzbeauftragte Meike Kamp hat die politischen Parteien davor gewarnt, beim Wahlkampf für die bevorstehenden Europawahlen gezielt Werbung an bestimmte Personengruppen auszuspielen.

Die Parteien sollten aber nicht nur auf das sogenannte Microtargeting bei digitaler Wahlwerbung verzichten, sondern auch für Angriffe auf ihre IT-Systeme sowie Desinformation gewappnet sein, heißt es in einem offiziellen Schreiben von Kamp an alle im Bundestag vertretenen Parteien mit Sitz in Berlin.

Nach einer Beschwerde der europäischen Datenschutzvereinigung Noyb aus dem März 2023 hatten einzelne Parteien zuletzt bei der Bundestagswahl 2021 das umstrittene Microtargeting auf Facebook verwendet. Das US-Netzwerk habe dabei im Hintergrund die politischen Ansichten der Nutzerinnen und Nutzer ausgewertet. Datenauswertungen hätten ergeben, dass Facebook-User gezielt mit politischer Werbung adressiert wurden. Dies sei per se zwar nicht verboten. Allerdings seien politische Meinungen nach Artikel 9 der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) besonders geschützt und dürften nicht Grundlage einer gezielten Werbeansprache sein, erklärte Noyb.

Kamp wies jetzt in ihrem Schreiben darauf hin, dass neben den Online-Plattformen, auf denen die Werbung geschaltet wird, auch die Parteien eine rechtliche Verantwortung für die Datenverarbeitungen tragen. Die Parteien nutzten die von den Werbenetzwerken über potenzielle Wählerinnen und Wähler gesammelten personenbezogenen Daten, indem sie daraus erstellte Interessenkategorien für die gezielte Ausspielung ihrer Wahlwerbung auswählten. «Es besteht die Gefahr, dass das zielgenaue Ausspielen von politischer Werbung auf der Grundlage von umfassenden Nutzungsprofilen den öffentlichen Diskurs verzerrt, polarisierende Inhalte verstärkt und Debatten fragmentiert.»

Kamp: Risiken für freie Meinungsbildung

Wahlwerbung, die auf der Grundlage von umfangreichen Nutzungsprofilen selektiv ausgespielt werde, berge Risiken für die freie Meinungsbildung, erklärte Kamp. Für die Adressaten dieser Werbung sei es schwer einzuordnen, was die Werbenden veranlasst habe, speziell sie mit dem spezifisch zugeschnittenen Inhalt anzusprechen. Es sei zu befürchten, dass Adressaten und Adressatinnen von Wahlwerbung «nur noch mit dem konfrontiert werden, was sie individuell hören möchten, sodass zentrale Funktionen der Parteien wie die politische Willensbildung und die Anregung zum öffentlichen Diskurs auf der Strecke bleiben».

In ihrem Schreiben an die Parteien warnt die Datenschutzbeauftragte auch vor den Gefahren von Desinformationskampagnen und Cyberangriffen. Desinformation könne verschiedene Formen annehmen, von gefälschten Nachrichtenartikeln und manipulierten Bildaufnahmen bis hin zu gezielten Social-Media-Kampagnen. «Angriffe auf die IT-Infrastruktur einer Partei können in diesem Zusammenhang darauf abzielen, vertrauliche Informationen zu stehlen, um sie zur Verbreitung oder zur Legitimierung von Fehlinformationen zu nutzen.»

Die Wahl zum Europäischen Parlament findet vom 6. bis 9. Juni 2024 statt.