DDR-Agentinnen in der BRD: So lebten sie wirklich

Weniger bekannt als ihr Mann Günter Guillaume: seine Frau Christel, die mit ihrem Mann im Dienste der DDR zu Spionagezwecken in der Westen übersiedelte. Das filmische Porträt ihres Lebens ist Auftakt der sechsteiligen ARD-Mediatheken-Serie "Die Spioninnen - im Auftrag der DDR". (Bild: WDR/picture alliance/zb/Manfred Uhlenhut)
Weniger bekannt als ihr Mann Günter Guillaume: seine Frau Christel, die mit ihrem Mann im Dienste der DDR zu Spionagezwecken in der Westen übersiedelte. Das filmische Porträt ihres Lebens ist Auftakt der sechsteiligen ARD-Mediatheken-Serie "Die Spioninnen - im Auftrag der DDR". (Bild: WDR/picture alliance/zb/Manfred Uhlenhut)

"Das geteilte Deutschland - nie zuvor gab es in einem Land mehr Spione und Spioninnen", heißt es in der ARD-Mediatheken-Serie "Die Spioninnen - im Auftrag der DDR". In sechs spannenden, vielschichtigen Dokus wird von ebenso vielen Frauen erzählt, die ihr Leben der Geheimdienst-Tätigkeit opferten.

Ein geteiltes Land mit gleicher Sprache und Kultur: Wohl niemals in der Geschichte der Spionage war es leichter, seine Agentinnen und Agenten beim jeweils anderen zu platzieren, als in 40 Jahren BRD- und DDR-Geschichte. Die Dokureihe "Die Spioninnen - im Auftrag der DDR" stellt ab Dienstag, 10. Januar, in der ARD-Mediathek sechs Frauen vor, die auf unterschiedliche Art zu Agentinnen für die DDR wurden: Christel Guillaume, deren Mann Günter Kanzler Willy Brandt zum Rücktritt zwang, ist dabei der wohl bekannteste Name. Ihr ist der Auftaktfilm gewidmet. Johanna Olbrich, die vielleicht erfolgreichste DDR-Spionin überhaupt, zog als Sonja Lüneburg nach Frankfurt und begann 1969 für die FDP zu arbeiten. Sie wurde enge Vertraute des späteren Wirtschaftsministers Martin Bangemann, begleitete ihn sogar in den Urlaub. Ein weiterer Film erzählt die Biografie von Gerda Schröter. Acht Jahre lang spionierte die Bonner Chiffrier-Spezialistin während der 60-er und frühen 70-er für die DDR westdeutsche Staatsgeheimnisse aus.

Richtig "erfolgreich" war auch Gabriele Gast, die über 20 Jahre als Auslands-IM und Spionin für die Stasi tätig war - von 1968 bis zur Auflösung der HVA in den Jahren 1989 und 1990. Nebenbei arbeitete Gast von 1973 bis zu ihrer Enttarnung 1990 für den westdeutschen Bundesnachrichtendienst, zuletzt im Rang einer Regierungsdirektorin. Dass auch politisch dem Sozialismus zugetane Frauen im Westen erfolgreich von der DDR-Spionage rekrutiert wurden, zeigt das Beispiel Lilli Pöttrichs. Sie wuchs in bürgerlichen Verhältnissen in Wiesbaden auf und unterschrieb 1976 eine Verpflichtungserklärung, für den DDR-Auslandsnachrichtendienst zu arbeiten.

Eine andere Geschichte, die 2017 wohl auch den ZDF-Mehrteiler "Der gleiche Himmel" mit Tom Schilling und Friederike Becht inspirierte, ist jene von Gabriele Kliem: Sie arbeitete während der 70-er als Übersetzerin an der Amerikanischen Botschaft in Bonn und wurde Opfer eines DDR-"Romeo-Agenten", der auf sie angesetzt wurde.

Johanna Olbrich, die vielleicht erfolgreichste DDR-Spionin überhaupt: Als Sonja Lüneburg zieht sie nach Frankfurt und beginnt 1969 für die FDP zu arbeiten. Sie wird enge Vertraute des späteren Wirtschaftsministers Martin Bangemann, begleitet ihn sogar in den Urlaub. (Bild:  WDR/Archiv Andrea Wolf)
Johanna Olbrich, die vielleicht erfolgreichste DDR-Spionin überhaupt: Als Sonja Lüneburg zieht sie nach Frankfurt und beginnt 1969 für die FDP zu arbeiten. Sie wird enge Vertraute des späteren Wirtschaftsministers Martin Bangemann, begleitet ihn sogar in den Urlaub. (Bild: WDR/Archiv Andrea Wolf)

Zahlenkolonnen gratulierte den Agenten zur Geburt des Babys

Die 30 bis 45 Minuten langen Porträtfilme von Lena Breuer und Marius Möller bleiben stets eng bei ihren Protagonistinnen und zeigen die meisten von ihnen im O-Ton-Interview. So rekapituliert die 2004 verstorbene Christel Guillaume in einem offenen Interview von 1990 - also kurz nach der Wende - ihr wie sie damals sagt "verpfuschtes Leben". Die Geschichten der DDR-Agentinnen sind bunt: Mal gehen sie mit einer ausgefuchsten Tarnung, "Legende" genannt, vom Osten in den Westen, was natürlich gerade vor dem Mauerbau gang und gäbe war. Mal werden sie im Westen angeworben - als "aktenkundige" überzeugte Sozialistinnen oder wie am Beispiel von Gabriele Kliem, als Opfer eines "Liebesanschlages". Dabei werden die Einzelgeschichten spannend, aber keineswegs effekthascherisch von der Kindheit bis zum späteren Reflektieren der "Tätigkeit" erzählt.

Und das durchaus mit Mut zum Seitenblick: Wie anstrengend ist es wirklich für die eigene Psyche, ein Doppelleben zu führen? Vor allem dann, wenn man wie im Falle von Christel und Günter Guillaume während der gemeinsamen Tarnexistenz im Westen ein Kind zur Welt bringt. "Agentenkinder" waren übrigens nicht erwünscht, denn sie zogen Zeit von der Spionage ab und stellten ein Sicherheitsrisiko dar.

Im Falle von Guillaume-Sohn Pierre, der 1957 zur Welt kam und der sich im Film ebenfalls erinnert, war die Geburt des Agentenbabys sogar ein Eckpfeiler der Enttarnung: Die mittlerweile dechiffrierten Zahlenkolonnen, die den Guillaumes über frei empfangbare Kurzwellen-Radionachrichten ihre Einsatzbefehle gaben, gratulierten eines bestimmten Tages unter anderem zur Geburt des Kindes. Auch dass die sozialistische Führung DDR Agenten stets mehr zutraute als weiblichen Kräften, obwohl gerade im Falle der Guillaumes wohl der umgekehrte "Talent"-Fall vorlag, wird in den Filmen, in denen zahlreiche Spionage-Experten und Historiker zu Wort kommen, offengelegt. Eine Doku-Serie so spannend wie ein Agenten-Thriller. Statt True Crime- einfach mal True-Spy-Stories - in diesem Fall eine gute Idee!

Die ehemalige Spionin Gerda Schröter: Acht Jahre lang spionierte die Bonner Chiffrier-Spezialistin während der 60-er und frühen 70-er für die DDR westdeutsche Staatsgeheimnisse aus. (Bild: WDR / privat)
Die ehemalige Spionin Gerda Schröter: Acht Jahre lang spionierte die Bonner Chiffrier-Spezialistin während der 60-er und frühen 70-er für die DDR westdeutsche Staatsgeheimnisse aus. (Bild: WDR / privat)