In Deepfake-Show trifft sich Dieter Hallervorden selbst - und rechnet mit Kritikern ab

"Schön, dass wir die Kuh Elsa vom Eis bringen. Danke, lieber Dieter, für unser Leben." Mit diesen Worten bedankt sich der junge Dieter Hallervorden zum Schluss von "Me & Myself - Mein jüngeres Ich & ich", der neuen Show von Sky, bei sich selbst. Das klingt schräg. Und ist es auch.

Die künstliche Intelligenz machts möglich: Dieter Hallervorden begegnete in
Die künstliche Intelligenz machts möglich: Dieter Hallervorden begegnete in

"Nein, ich habe nichts gesoffen und auch keine Drogen genommen." Show-Gastgeber Michael Mittermeier baut zu Beginn der Show "Me & Myself - Mein jüngeres Ich & ich" mit gutem Grund vor, denn so was hat es im deutschen Fernsehen tatsächlich noch nicht gegeben: Ein Star, in diesem Fall Schauspiel- und Komiker-Legende Dieter Hallervorden, trifft sich selbst, das Publikum sieht doppelt. Zur Rechten von Moderator Mittermeier nimmt der aktuelle Hallervorden, seit heute 88 Lenze zählend, auf dem Besuchersofa Platz. Zur Linken sitzt die 36 Jahre jüngere Ausgabe - ein 52-jähriger Hallervorden aus dem Jahr 1987.

Die beiden haben sich viel zu erzählen, denn zwischen einst und jetzt ist viel geschehen. Damals war Hallervorden als "Didi" ein Komiker-Gigant, dem "ernsthafte" Rollen aber verwehrt blieben. Heute wird Hallervorden auch von der seriösen Kritik als Charakterdarsteller verehrt, der im Herbst seiner Karriere in "Sein letztes Rennen" (2013) und "Honig im Kopf" (2014) seine stärksten Rollen spielte. Die Show landet also den ersten Volltreffer, indem sie einer echten deutschen Schauspiellegende huldigt.

 

Der doppelte Hallervorden - eine technische Premiere

Technisch ist die Show keine Sensation mehr, aber ein Novum fürs deutsche Fernsehen. Dass sich Hallervorden und Hallervorden (vermeintlich) live gegenüber sitzen, macht die Künstliche Intelligenz möglich. Genauer gesagt eine Deepfake-Technologie, mit deren Hilfe aus Hallervorden-Filmmaterial aus den späten 70er- bis frühen 90er-Jahren Trainingsdaten generiert wurden, auf Basis derer eine digitale Maske des 1987 (gar nicht mehr so) jungen Hallervorden gefertigt wurde. Die Technologie wurde schon in den "Matrix"-Filmen verwendet.

Die digitale Maske wird für die Ausstrahlung der Sendung einem realen menschlichen "Platzhalter" aufgesetzt. Heißt: Die Zuschauer am Bildschirm sehen den "jungen Hallervorden", wie er bei Einblendungen vom sprechenden Senior-Hallervorden über dessen Schulter lächelt oder sich mit Mittermeier unterhält. Die handverlesenen Didi-Fans im Studio sahen dagegen bei der Aufzeichnung im Studio einen Mitarbeiter der Produktionsfirma auf dem Sofa sitzen, der ohne digitale Maske nur marginal Ähnlichkeit mit Hallervorden hat.

Des Rätsels technische Lösung: Für die Ausstrahlung bekam Dieter Hallervordens jüngere Ausgabe eine digitale Maske verpasst, im Studio saß ein menschlicher
Des Rätsels technische Lösung: Für die Ausstrahlung bekam Dieter Hallervordens jüngere Ausgabe eine digitale Maske verpasst, im Studio saß ein menschlicher

 

"Trostloser Typ mit Minderwertigkeitskomplexen": Spitze gegen Donald Trump

Deepfake und KI sind alltäglich geworden. In der Sky-Show wird sie zum Wohle des Publikums eingesetzt, als technisches Zuckerl für eine neuartige Unterhaltungsshow. Dass die Technologie Risiken birgt, weil Medien verfälscht und falsche Szenarien als wahr verkauft werden können, ist nicht erst bekannt, seit Papst Franziskus digital in eine hippe Rapper-Joppe gebastelt wurde.

Dass in der Zukunft nicht alles Gold ist, das glänzt, dünkt auch dem jungen Hallervorden, als er erfährt, dass Donald Trump, den er 1987 nur als "trostlose Immobilientype mit Minderwertigkeitskomplexen" kannte, "inzwischen" sogar US-Präsident war. "Jetzt krieg ich doch ein bisschen Angst", sagt er angesichts des Undenkbaren, das möglich wurde.

 

Freche Frage nach den Trinkgewohnheiten

Angst oder zumindest große Augen könnte auch der bekommen, der Deepfake für ein modernes U-Boot hält - also keine Ahnung hat. So ein Ur-Fan, der mit Didi aufwuchs, kann heute immerhin schon stramm über 60 sein. Solche Old-School-Laien werden mit der technischen Sensation aber allein gelassen, denn in der Show selbst wird das "Wie ist das nur möglich?" mit keinem Wort erläutert. "Hach, ist das alles aufregend", mag man mit einem Didi-Bonmot sagen, aber es wäre ein bisschen Mehr an Erleuchtung vielleicht mehr gewesen.

Andere Chancen, die das neuartige Format dank der skurrilen Konstellation bietet, dass man einen Menschen doppelt erlebt, nutzt "Me & Myself" sehr schön. Der junge Hallervorden darf den in Ehren Ergrauten frech fragen, ob er "seinen Schluckmuskel immer noch öle", weil "du warst doch früher immer gut dabei".

Der Senior wiederum beweist dem "Junior", dass seine "Tangolatten" noch immer gut in Schuss sind und setzt zum Tänzchen mit einer kessen Blondine aus dem Publikum an. Die entpuppt sich, zum Erstaunen des Juniors, als Christiane Hallervorden, des Schauspielers amtierende, dritte Ehefrau. "Junior" kann's nicht fassen: "Wo, wie und wann werden wir uns kennengelernt haben?"

Dass er so eine
Dass er so eine

 

Der doppelte Hallervorden rechnet mit den Kritikern ab

Die Show wurde von Sky als "einmalige Eventprogrammierung zum 88. Geburtstag von Dieter Hallervorden" angekündigt, es ist also, bei aller technischen Innovation, eine Hommage-Show. Der 40-minütige Streifzug durch Hallervordens bald 65-jährige TV-, Kino- und Theater-Karriere kann natürlich nur ein Anriss bleiben, aber der gerät durch das Spiel mit dem "doppelten Dieter" sehr kurzweilig. So kann "Junior" gar nicht fassen, dass er schon in seinen Anfängen von der DDR-Staatssicherheit beobachtet und sein Programm per Akteneintrag als "flach und dumm, aber trotzdem durch scharfe antikommunistische Tendenz gefährlich" eingestuft wurde.

Die Hallervordens erhalten und nutzen die Gelegenheit mit ihren Kritikern abzurechnen. Der Junge sagt, dass das "Publikum der bessere Zensor ist, als promovierte Kissenpupser, die sich Fernsehredakteure nennen". Der Senior breitet sein Karrierecredo ("Immer einmal mehr aufstehen, als hinfallen! Ich habe mich nie verbiegen lassen, bin immer meinen Weg gegangen!") aus und macht keinen Hehl daraus, dass der Stachel der Verachtung durch die "seriöse Kritik" all die Jahre tief saß.

Der Junge lauscht der eingespielten Dankesrede von der Lola-Verleihung 2014, als Hallervorden für "Sein letztes Rennen" mit dem deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde, genauso stolz und wonnig wie das aktuelle alter Ego. Damals sagte Hallervorden: "Es ist eine Genugtuung, denn es ist eine schallende Ohrfeige für alle Möchtegern-Kritiker, die mich als Komödianten jahrelang abgewatscht haben."

Grußworte zum 88. Geburtstag: Stars huldigen Dieter Hallervorden

Natürlich kommen in einer Lebenswerkwürdigungsshow auch Gratulanten vor. Die kurzen Grußbotschaften von unter anderen Frank Zander, Wigald Boning, Roland Kaiser und Bürger Lars Dietrich rühren den 88-Jährigen sichtlich. Das letzte Grußwort spricht dann der junge Hallervorden, der sich beim alten bedankt. "Ich bin geplättet von dem, das ich über mich erfahren habe." Es sei schön zu sehen, dass "wir die Kuh Elsa vom Eis gebracht haben", spielt Junior auf einen der legendären Hallervorden-Sketche aus der "Nonstop Nonsens"-Zeit an, und schließt mit: "Danke, lieber Dieter, für unser Leben."

Darauf ein herzliches Palim-Palim!

"Me & Myself - Mein jüngeres Ich & Ich" ist am Dienstag, 5. September, 20.15 Uhr, bei Sky One und Sky Q zu sehen sowie auf Abruf im Streamingdienst WOW.

VIDEO: Er hat nochmal "Ja" gesagt