Der Frauentag ist kein leeres Ritual
Zum 113. Mal wird heute der internationale Frauentag begangen. Da geht es nicht nur um Blumen. Wer meint, Frauen hätten in Deutschland mittlerweile den gleichen „Stand“ wie Männer, sollte sich mal genauer umschauen.
Ein Kommentar von Jan Rübel
Böse Zungen meinten im Jahr 1919, nun brauche es ja keinen Frauentag mehr. Gerade war das Wahlrecht für Frauen in Deutschland eingeführt worden, nachdem Männer schon längst ihr Votum hatten abgeben dürfen – nur: Es werden nicht nur Männer regiert, sondern auch Frauen. Doch mit der Erweiterung war es mitnichten getan, und das ist es bis heute nicht. 1911 war der erste Weltfrauentag initiiert worden, von der Menschenrechtlerin Clara Zetkin.
Seitdem ist viel passiert. Vieles hat sich verbessert, und die generell gesehen mag die Richtung stimmen; Gesellschaften sehen schrittweise ein, dass es schlicht aus mehreren Gründen keinen Sinn macht, ihre Mitglieder mit unterschiedlichen Privilegien auszustatten.
Aber halt, mag man nun einwenden, wo ist sie denn nun, die Ungleichbehandlung? Und überhaupt, Männer haben traditionell die Verantwortung für die Kernzellen getragen, für die Familien: Früher bei der Jagd nach dem Mammut und später bei der Arbeit auf dem Feld; spätestens ab diesem Zeitpunkt der Saga ist indes eine Korrektur vonnöten. Möchte irgendjemand bestreiten, Frauen hätten jemals weniger gearbeitet? Waren sie jemals nicht auf dem Acker gewesen? Und zuhause, beim Kindererziehen, Saubermachen und Zubereiten dessen, das sie sich krümmend von den Feldern geholt haben?
An dieser Stelle mag vielleicht eingewendet werden, Männer würden eben mehr schaffen, weil sie strukturell kräftiger sind. Machen sie denn mehr? Oder wird es mehr gewürdigt? Leistet der Finanzbeamte oder der Müllfahrer mehr als die Erzieherin oder die Pflegekraft? In letzterem Wort steckt doch die Kraft bereits drin.
Säulen eines Systems
Aber hallo, was ist mit diesem Gender Pay Gap und diesem Gender Pay Day und den wirren Zahlen, die kursieren? Es stimmt, manche Berechnungen sind schwer nachzuvollziehen, aber bei all dieser Arithmetik wird das Wichtigste übersehen: Arbeit bleibt am Ende des Tages Arbeit. Und nach wie vor denken Arbeitgeber in Unternehmen, eher auf ihre Buddys des Geschlechts zu setzen und ihnen im Zweifel für die gleiche Tätigkeit mehr zu bezahlen als Frauen. Und die Berufe, in denen über die Generationen hinweg mehr Frauen als Männer arbeiten, sind nur aus einem Grund im Vergleich zu anderen Jobs unterbezahlt: Weil sie mehrheitlich von Frauen versehen werden, und mit ihnen kann man es ja machen. Das alles ist System. Es hat Tradition. Und warum die unausgesprochenen Privilegien nicht weitergeben, mögen sich Männer denken. Können sie ja. Aber es ist nicht gerecht, es reflektiert nicht die wirkliche Leistung und bringt unsere Gesellschaft nicht voran.
Noch immer wird still mitgedacht, dass Erziehungs- und Hausarbeit nicht zu honorieren ist. Sie wird ja immer noch mehrheitlich von Frauen erbracht, nicht selten on the top. Hübsch praktisch für die Männlichkeit.
Mal umgedreht
Legen wir mal die Vernunft als Kriterium fest, erscheint diese Verschachtelung von Menschenrechten in einem schalen Licht. Sie gibt es nur, weil Männer sie mit Gewalt durchsetzen. Meist mit stiller, durch die Tradition getragen und von Frauen auch gestützt. Aber durchaus auch mit offener Gewalt. Da geht es dann darum, wer herrscht.
Und schauen wir uns doch mal um. Wie viele Männerhäuser gibt es in Deutschland? Wie viele Männer werden von Frauen sexuell erniedrigt, missbraucht und vergewaltigt? Gibt es überhaupt den Begriff des Kater-Calling als Entsprechung zum Catcalling? Wo sind die Frauen, die auf Straßen Männern hinterherpfeifen und sie beschimpfen, wenn diese nicht oder nicht devot genug reagieren?
Mittlerweile haben sich auch die Gerüchte bestätigt, dass es Kindern nicht schadet, wenn Männer für sie sorgen. Da gerät nichts durcheinander. Wer das behauptet, kennt das Zusammenleben mit Kindern nicht wirklich.
Aber das ist eben der Kern. Männer schauen weg. Und dafür gibt es den Frauentag.