Deutschlands Anteil an der Erderwärmung ist größer, als dieser AfD-Politiker sagt

Der Anteil von Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre ist seit der Industrialisierung um 50 Prozent angestiegen. Ein AfD-Politiker behauptet jedoch in einer Rede, der Mensch sei nur für vier Prozent des Kohlendioxids in der Luft verantwortlich. Daraus leitet er einen vernachlässigbaren Anteil Deutschlands am Klimawandel ab. Diese Rechnung beruht auf falschen Annahmen, die wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen widersprechen.

"Kennen Sie den CO2-Gehalt in der Luft?", fragt der niedersächsische Landtagsabgeordnete der AfD, Omid Najafi, bei einer Diskussion im Landesparlament im November 2023. Und gibt kurz darauf selbst die Antwort: "0,04 Prozent. 96 Prozent davon sind von Natur aus gegeben. Nur 4 Prozent sind menschengemacht." Demzufolge seien nur 0,0016 Prozent des "CO2-Gehalts in der Luft menschengemacht". Dann erklärt er weiter, dass der Anteil Deutschlands an diesem CO2 in der Atmosphäre nur 1,7 Prozent betrage und daher nur 0,000027 Prozent der gesamten Atmosphäre ausmache.

Ausschnitte der Rede wurden auf Facebook über 3000 Mal geteilt und auf Instagram mehr als 40.000 Mal mit "Gefällt mir" markiert. Die AfD-Fraktion Niedersachsen hat das Video in einer längeren Fassung auf ihrem Youtube-Kanal veröffentlicht.

<span>Facebook-Screenshot der Behauptung: 17. April 2024 </span>
Facebook-Screenshot der Behauptung: 17. April 2024

In seiner Rede vermischt Najafi wahre mit falschen Aussagen und zieht irreführende Schlüsse. So stimmt es etwa, dass der CO2-Gehalt in der Atmosphäre aktuell etwa 0,042 Prozent beziehungsweise 420 Teilen pro einer Million Teile (ppm) entspricht. Das bestätigen etwa die Nasa, das Fraunhofer-Institut und die Columbia University in New York.

Anders sieht es jedoch mit der Behauptung aus, nur 4 Prozent dieses "CO2-Gehalts in der Luft" seien menschengemacht und "96 Prozent davon sind von Natur aus gegeben". Das ist irreführend. Das Umweltbundesamt erklärt auf seiner Website, es sei zwar richtig, dass "im Rahmen des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs vergleichsweise große Mengen ausgetauscht werden". Doch würden zwischen Atmosphäre und Ozean im Mittel rund 90 Milliarden Tonnen Kohlenstoff pro Jahr und zwischen Atmosphäre und Vegetation rund 60 Milliarden Tonnen Kohlenstoff pro Jahr ausgetauscht werden. "Damit verglichen, erscheint der Ausstoß des Menschen von derzeit rund 8 Milliarden Tonnen Kohlenstoff pro Jahr gering."

CO2 in der Atmosphäre ist menschengemacht

Jedoch steige im Rahmen des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs die atmosphärische Konzentration von Kohlendioxid nicht an. Der Grund: "Der Ozean nimmt ungefähr gleichviel CO2, wie in die Atmosphäre abgegeben wird, auch wieder auf. Die CO2-Nettobilanz für die Atmosphäre ist also praktisch gleich null. Das Gleiche gilt für die Vegetation", so das Umweltbundesamt. Im Unterschied dazu sei der CO2-Ausstoß des Menschen eine zusätzliche Quelle, die einen kontinuierlichen Anstieg des atmosphärischen Kohlendioxid-Gehaltes verursache.

Dieser Anstieg ist gut belegt. Lag die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre in der vorindustriellen Zeit noch bei 280 ppm, liegt dieser Wert aktuell bei etwa 420 ppm. Damit stieg der CO2-Anteil an der Atmosphäre von 0,028 in vorindustriellen Zeiten auf 0,042 Prozent heute an. Die Hauptgründe für diesen Anstieg sind laut der Europäischen Kommission das Verbrennen fossiler Brennstoffe, die Abholzung von Wäldern und die intensive Viehzucht.

<span>Höhe der CO2-Konzentration in der Atmosphäre seit den letzten 400.000 Jahren.</span><div><span>Eléonore HUGHES</span><span>Jean-Michel CORNU</span><span>Simon MALFATTO</span><span>Jonathan WALTER</span><span>Thorsten EBERDING</span><span>AFP</span></div>
Höhe der CO2-Konzentration in der Atmosphäre seit den letzten 400.000 Jahren.
Eléonore HUGHESJean-Michel CORNUSimon MALFATTOJonathan WALTERThorsten EBERDINGAFP

Auf AFP-Anfrage ordnete Klimaforscher Jens Tambke vom Umweltbundesamt die Werte ein. Zwischen dem Ende der letzten Eiszeit und dem Beginn der Instrualisierung habe die atmosphärische CO2-Konzentration recht konstant bei etwa 280ppm gelegen. Seither hat sich das durch den Menschen stark erhöht. "Ein Drittel des CO2 in der Atmosphäre ist menschengemacht", so Tambke. "Und es wären theoretisch sogar 50 Prozent, wenn die Ozeane und die Landflächen uns nicht (...) jedes Jahr etwa die Hälfte unserer Emissionen dankenswerterweise 'abnehmen' würden", schrieb er am 19. Februar 2024.

Auch die Behauptung des deutschen Anteils von 1,7 Prozent an den globalen CO2-Emissionen ist zumindest historisch ungenau. Zwar beträgt der Anteil der deutschen Emissionen laut der Website "Our World in Data" aktuell 1,79 Prozent. Jedoch lag der Wert in der Vergangenheit deutlich höher. So war Deutschland etwa um 1900 noch für rund 16 Prozent des Kohlenstoffdioxids verantwortlich und in den 1950er-Jahren für über neun Prozent.

 

Douglas Maraun, Leiter der Forschungsgruppe Regionales Klima am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz, ordnete den CO2-Ausstoß von Deutschland in einer Mail an AFP am 16. Februar 2024 historisch ein: "Insgesamt hat die Menschheit seit 1850 circa 2500 Gigatonnen CO2 emittiert, davon Deutschland circa 93 Gigatonnen." Und weiter: "Wichtig ist, dass der Mensch die Konzentration von 2800 auf 4200 Moleküle erhöht hat, also um etwa 1400." Der relative Anteil Deutschlands an dieser Erhöhung liege bei etwa 93 von 2500, also bei etwa 3,7 Prozent oder 52 Molekülen pro zehn Millionen.

Klimawandel zweifelsfrei belegt

Najafi schließt seine Rede mit folgender Frage: "Und damit gedenken Sie jetzt, das Wetter zu verändern, indem Sie an 0,000027 Prozent herumschrauben?" Diese impliziert, dass die sehr geringen – und von ihm falsch berechneten – Mengen an CO2 in der Atmosphäre keinen Einfluss auf das globale Klima hätten.

Über die Existenz des menschengemachte Klimawandels gibt es jedoch einen überwältigenden wissenschaftlichen Konsens. Die Erkenntnisse von Forschern aus aller Welt zur Erderwärmung sind im sechsten Bericht des Weltklimarates zusammengefasst.

Behauptungen, dass die prozentual geringen Mengen an CO2 in der Atmosphäre zu gering seien, um das Klima zu beeinflussen, hat AFP bereits in der Vergangenheit widerlegt. Auch dass Deutschlands Treibhausgasemissionen nicht ausreichen, um einen Effekt auf die Erderwärmung zu haben, wurde zuletzt behauptet. Weitere Faktenchecks zum Thema finden Sie hier und hier auf Englisch. Faktenchecks zum Thema Klima sammelt AFP hier.

Fazit: Ein AfD-Politiker behauptet, der Einfluss des Menschen auf die Erderwärmung sei vernachlässigbar. Das stimmt nicht. Der Kohlenstoffdioxidgehalt in der Luft ist seit Beginn der Industrialisierung messbar angestiegen. Darauf aufbauend sind auch seine weiteren Berechnungen zum Anteil Deutschlands irreführend.

29. April 2024 Rechtschreibfehler korrigiert