Die wichtigsten medizinischen Fortschritte in 2022

Corona war auch in 2022 noch allgegenwärtig. Dank vieler Forschungen schreitet die Pandemie-Bekämpfung voran. Doch auch in vielen anderen medizinischen Bereichen leisteten Forschende großartige Arbeit. Die wichtigsten Entdeckungen aus 2022 haben wir für Sie in einem Jahresrückblick zusammengestellt.

Forschungen im Bereich Medizin hatten in 2022 einige Sensationen zu bieten. (Bild: Getty Images)
Forschungen im Bereich Medizin hatten in 2022 einige Sensationen zu bieten. (Bild: Getty Images)

Jedes Jahr wird die Verleihung des Nobelpreises mit Spannung erwartet. Traditionell wird der Preis in den Kategorien Physik, Chemie, Physiologie, Literatur, Medizin und für Friedensbemühungen vergeben. Der Nobelpreis wurde erstmals 1901 verliehen und gilt unter Forschenden als höchste Auszeichnung.

Medizin-Nobelpreis 2022

Der Nobelpreis für Medizin ging in diesem Jahr an den in Leipzig forschenden Schweden Svante Pääbo für seine Erkenntnisse zur menschlichen Evolution. Pääbo ist Direktor und wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie. Er sequenzierte unter anderem als erster Forscher das Neandertaler-Genom. Im Zentrum seiner Arbeit steht die Suche nach genetischen Spuren aus weit zurückliegender Vergangenheit, insbesondere jene ausgestorbener Menschenformen.

Der Nobelpreis für Medizin war in diesem Jahr mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 920 000 Euro) dotiert. Verliehen wurde der Preis traditionell am 10. Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel. Der 67-jährige Schwede nahm die begehrte Nobelmedaille in Stockholm aus den Händen des schwedischen Königs Carl XVI. Gustaf entgegen.

Medizin-Studenten lernen an Hologramm Patienten

Es klingt ein wenig wie Science-Fiction aus Star Trek, soll aber Medizin-Studenten eine bessere Ausbildung ermöglichen: Hologramme als Ersatz für echte Patienten. Das Programm kam erstmals am Addenbrooke's-Krankenhaus in Cambridge zum Einsatz und sei das weltweit erste dieser Art, wie die die Universität Cambridge, der Gesundheitsdienstleister Cambridge University Hospitals NHS Foundation Trust und die US-Technologiefirma GigXR mitteilten.

Die neuesten holographischen Mixed-Reality-Patienten, die von Medizinstudent*innen im Addenbrooke's-Krankenhaus in Cambridge genutzt werden. (Bild: Gigxr/Cuh/PA Media/dpa)
Die neuesten holographischen Mixed-Reality-Patienten, die von Medizinstudent*innen im Addenbrooke's-Krankenhaus in Cambridge genutzt werden. (Bild: Gigxr/Cuh/PA Media/dpa)

Die Studierenden sollen mit den Hologramm-Patienten in den Bereichen Asthma, Anaphylaxie, Lungenembolie, Lungenentzündung, Kardiologie und Neurologie trainiert werden.

Die angehenden Mediziner tragen dabei Mixed-Reality-Headsets, können einander gegenseitig sehen, aber auch mit den Hologrammen arbeiten. Nach Angaben der Entwickler soll dies eine flexiblere und kostengünstigere Ausbildung bieten als herkömmliche Simulationen, bei denen mehr Aufwand und höhere Kosten etwa für die Wartung von Labors und die Einstellung von Schauspielern anfallen.

Forscher lassen im Labor hirnartige Strukturen von Menschen wachsen

Auch eine Meldung im Oktober dieses Jahres könnte direkt einer Filmvorlage entsprungen sein – dieses Mal Frankensteins Monster: Forscher züchten im Labor hirnartige Strukturen von Menschen, die man sogar in Tiere verpflanzen kann.

Im Labor gezüchtete Hirnstrukturen des Menschen bieten nach Ansicht der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina vielversprechende Perspektiven für die Hirnforschung. Sogenannte Hirnorganoide erlaubten "neue Einblicke in die frühe Gehirnentwicklung und in die Entstehung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen", schrieben die Fachleute in einer Stellungnahme.

Zudem würden Hirnorganoide die Untersuchung der Effekte von Medikamenten, Giftstoffen, Keimen oder Viren auf menschliche Gehirnzellen und auf die Gehirnentwicklung ermöglichen. Auch das Einsetzen solcher Hirnstrukturen in Gehirne lebender Tiere lehnte die Leopoldina in der Stellungnahme nicht grundsätzlich ab.

Erstmals Schweineherz-Transplantation für einen Menschen

Zum Jahresbeginn 2022 vermeldeten Mediziner eine Sensation, die vielen Menschen, die auf eine Organspende warten, Hoffnung gab: Ein Ärzteteam in den USA transplantierte einem menschlichen Patienten erstmals ein Schweineherz. Das Organ sei einem 57-jährigen Mann mit einer lebensgefährlichen Herzkrankheit in einer Klinik in Baltimore (Maryland) eingesetzt worden, wie das Krankenhaus damals mitteilte.

Nach der achtstündigen Operation funktionierte das Herz und dem Patienten ging es gut. "Dies war eine bahnbrechende Operation und bringt uns der Lösung der Knappheit bei Organen einen Schritt näher", wurde der durchführende Arzt Bartley Griffith zitiert. Der Patient sagte der Mitteilung zufolge, dass es Entscheidung über Leben und Tod war: "Ich weiß, es ist ein Schuss ins Dunkel, aber es ist meine letzte Chance". Er freue sich darauf, zu genesen und wieder aus dem Bett aufstehen zu können.

Der Mann erholt sich gut und sei auch nicht mehr an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, sagte eine Sprecherin des University of Maryland Medical Center in Baltimore einige Tage später der Deutschen Presse-Agentur.

Doch zwei Monate nach der Operation kam die traurige Nachricht: Der weltweit erste Patient mit transplantiertem Schweineherz ist tot.

Dennoch sehen die Ärzte Operation als Erfolg und wollen weitere derartige Transplantationen vornehmen. "Wir haben unbezahlbare Einblicke bekommen und gelernt, dass ein genetisch verändertes Schweineherz im menschlichen Körper gut funktionieren kann, wenn das Immunsystem angemessen unterdrückt ist", sagte Chirurg Muhammad Mohiuddin von der Uniklinik in Baltimore. "Wir bleiben optimistisch und planen, unsere Arbeit mit weiteren klinischen Versuchen fortzusetzen."

Neue Alzheimer-Medikamente

Die Alzheimer-Krankheit gilt als unheilbar und häufigste Form der Demenz. Durch die Störungen im Gehirn werden Betroffene vergesslich sowie orientierungslos und zeigen häufig unruhiges, aggressives oder depressives Verhalten.

Weltweit wird an der tückischen Krankheit geforscht. In 2022 gab es gleich zwei Mal positive Meldungen zur Suche nach Alzheimer Medikamenten. Der in Dresden forschende Zellbiologe Anthony Hyman wurde mit dem mit einer Million Euro dotierten Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft ausgezeichnet.

Der 60-jährige Brite und sein Team hätten 2009 in einzelligen Embryonen eines Fadenwurms Eiweiß-Kondensate entdeckt, teilte die Körber-Stiftung zu der Preisvergabe mit. Die Erkenntnisse über die Bildung und den Abbau dieser membranlosen Eiweißtröpfchen in der Zelle könnten dabei helfen, Medikamente gegen neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer oder ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) zu entwickeln.

Neue Studie gibt Hoffnung

Auch die Ergebnisse einer neuen Studie dürfen hoffen lassen. Demnach könnte ein neues, noch nicht zugelassenes Alzheimer-Medikament das Fortschreiten der Erkrankung abbremsen. Wie das Unternehmen Biogen, das das Präparat mit dem japanisches Pharmaunternehmen Eisai entwickelt, mitteilte, verlangsamte der Antikörper Lecanemab bei Patienten in einem frühen Stadium den Abbau der geistigen Fähigkeiten um 27 Prozent. Experten in Deutschland beurteilen die vorgestellten Ergebnisse insgesamt positiv.

"Wenn sich das bestätigt, wäre das eine gute Nachricht", sagte Linda Thienpont, Leiterin der Abteilung Wissenschaft bei der Alzheimer Forschung Initiative, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Es wäre das erste Mal, dass ein Wirkstoff, der in die Mechanismen der Alzheimer-Krankheit eingreift, tatsächlich einen positiven Effekt auf die Kognition der Betroffenen habe. Frank Jessen, Forscher am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) nannte die Entdeckung einen Durchbruch in der Alzheimer-Forschung.

Ärzte trennen am Kopf verbundene Zwillinge

Eine Sensation hatte eine brasilianische Klinik in Rio de Janeiro in 2022 zu vermelden. In neun Operationen, die sich über vier Jahre erstreckten, haben sie ein am Kopf verbundenes Zwillingspaar erfolgreich getrennt. Allein der letze Eingriff dauerte 23 Stunden und wurde von einem rund 100 Mitglieder zählenden Ärzteteam durchgeführt.

"Wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis, weil niemand an diese Operation geglaubt hat", sagte der verantwortliche Neurochirurg Gabriel Mufarrej vom Hirnzentrum Paulo Niemeyer in Rio de Janeiro, das dem öffentlichen brasilianischen Gesundheitssystem SUS angehört. "Aber wir haben immer geglaubt, dass es eine Chance gibt."

Otto-Warburg-Medaille für Forschung zu Herzinfarkten verliehen

Im April wurde Prof. Dr. Stefanie Dimmeler für ihre bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit der Otto-Warburg-Medaille 2022 und einem Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro ausgezeichnet. Der Direktorin des Instituts für Kardiovaskuläre Regeneration im Zentrum für Molekulare Medizin an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und ihrem Team sei es gelungen, einen Hemmstoff gegen eine nicht-kodierende RNA einzusetzen und somit die Durchblutung zu verbessern und die Herzfunktion zu stärken.

Ziel ihrer verschiedenen Ansatzpunkte ist die Entwicklung neuer zellulärer und pharmakologischer Therapien zur Verbesserung der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie die Goethe-Universität mitteilte.

Gelähmte können mit neuer Therapie wieder gehen

Eine neuartige Therapie für Querschnittsgelähmte stellte in diesem ein Team der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) in Lausanne (Schweiz) im Fachmagazin "Nature Medicine" vor.

Demnach entwickelten Jocelyne Bloch und Grégoire Courtine mit ihrem Team eine Methode durch die Gelähmte wieder Bewegungen ausführen können wie Treppen steigen, schwimmen und Liegerad fahren. Dafür sei ein vergleichsweise nur kurzes Training notwendig. Für die Behandlung kommt eine implantierte Folie mit 16 Elektroden zum Einsatz, die kleine elektrische Impulse an Nervenbahnen abgibt, die zu Motorneuronen in der Wirbelsäule führen.

Die Elektroden auf der Folie sind mit einem Impulsgeber verbunden, der wiederum drahtlos über einen Tabletcomputer angesteuert werden kann. "Die Patienten können die gewünschte Aktivität auf dem Tablet auswählen und die entsprechenden Protokolle werden an den Schrittmacher im Bauchraum weitergeleitet", so Courtine. Dabei werde das Rückenmark aktiviert, wie es das Gehirn natürlicherweise tun würde.

"Die ersten Schritte waren unglaublich – ein Traum wurde wahr!", berichtete Michel Roccati, ein italienischer Therapie-Teilnehmer, der nach einem Motorradunfall querschnittsgelähmt war. Nach monatelangem Training kann er jetzt mit einem Rollator 500 Meter am Stück laufen und Treppen hoch- und heruntersteigen.

Ob die Therapie auch im klinischen Alltag angewandt werden kann ist bisher aber noch unklar.

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