Die Eishockey-Ikone, die sich im Suff zu Tode prügelte

Die Eishockey-Ikone, die sich im Suff zu Tode prügelte
Die Eishockey-Ikone, die sich im Suff zu Tode prügelte

Zwei Mitbewohner betrinken sich, geraten in Streit. Uneinigkeit um Geldausgaben für das gemeinsam gemietete Haus ist die Ursache, die Gemüter erhitzen sich, es kommt zu einer Prügelei - einen Monat später ist einer der beiden tot, weil er schwere innere Verletzungen erleidet.

Das tragische Alltagsdrama, das heute vor 54 Jahren sein tragisches Ende nahm, beschäftigte die amerikanische und kanadische Medienöffentlichkeit lange und intensiv. Seine Protagonisten waren zwei Star-Spieler aus der NHL und jeweils mehrmalige Stanley-Cup-Gewinner - und der, der starb war einer der größten Torhüter-Legenden der Ligageschichte: Terry Sawchuk.

NHL-Ikone Terry Sawchuk: Von Schicksalsschlägen geprägt

Der 1929 in Winnipeg geborene Sawchuk hatte zwischen 1949 und 1970 eine Fabelkarriere hingelegt: Er errang vier Meisterschaften mit den Detroit Red Wings und den Toronto Maple Leafs, gewann ebenso oft die Vezina Trophy als bester Goalie. Mit 447 Siegen und 103 Shutouts - Spielen ohne Gegentor - war er zum Zeitpunkt seines Todes der erfolgreichste Torhüter der NHL-Historie.

Dem sportlichen Ruhm stand allerdings ein Privatleben gegenüber, das schon seit frühester Kindheit von Schicksalsschlägen überschattet war: Der Sohn einer Einwandererfamilie mit Wurzeln in der heutigen Ukraine verlor zwei seiner drei Brüder - einer starb als Kind an Scharlach, der älteste mit 17 an einem plötzlichen Herzinfarkt. Auch er war ein vielversprechendes Goalie-Talent, zu dem Terry aufgeschaut hatte.

Das Talent Terrys - der in seiner Jugend als Monteur für Metallöfen arbeitete - wurde mit 14 von einem Scout der Red Wings entdeckt. Es war der Beginn einer großen Karriere. Die privaten Schatten hat sie allerdings wohl eher noch vergrößert.

Viele Eishockey-Spiele ohne Maske hatten massive Folgen

Terry Sawchuk spielte Eishockey in einer Zeit, als das Bewusstsein für die Langzeitfolgen der intensiven Sportart noch weit weniger ausgeprägt war als heute. Er spielte lange ohne eine Schutzmaske, die erst ab 1959 in der NHL üblich wurde.

Sawchuks Keeper-Kollege Jacques Plante (Montreal Canadiens), der die Erlaubnis zum Tragen des Kopfschutzes mit einem Ultimatum an seinen damaligen Coach durchsetzte, wurde damals teilweise als unmännlicher Weichling beschimpft. Sein Trainer war damals - wie viele Zeitgenossen - der Meinung, dass die Maske ein Wettbewerbsnachteil sei, weil sie die Sicht behindere.

Die noch größere Brutalität des damaligen Eishockeys bescherte Sawchuk zahlreiche schwere Verletzungen und Narben, viele auch am Kopf. 1966 illustrierte er sie in einem ikonischen Foto für das US-Magazin Life. Ein Maskenbildner verstärkte dafür mit Make-up die optische Wirkung - die Idee war, alle Narben wie frisch erlitten und genäht aussehen zu lassen - und verpasste Sawchuk damit einen Look wie Frankensteins Monster. Dennoch wäre auch so offensichtlich gewesen, wie heftig und folgenschwer Sawchuk sich über die Jahre geschunden hatte.

Depressionen, Alkoholismus, Missbrauch

Zu Sawchuk schlimmsten Blessuren zählten ein angerissener Augapfel, der mit drei Stichen genäht wurde und ein 70-prozentiger Funktionsverlust seines rechten Arms, nachdem ihm 60 Knochensplitter aus dem Ellbogen entfernt worden waren. Schon als 12 Jahre altes Kind hatte die Verletzungsgeschichte dort mit einem Rugby-Unfall begonnen: Sawchuk hatte die Blessur damals vor seinen Eltern aus Angst vor körperlicher Züchtigung verheimlicht. Sie heilte deswegen nicht richtig und sorgte dafür, dass sein rechter Arm mehrere Zentimeter kürzer wurde als sein linker.

Es war wohl die verhängnisvolle Mischung aus körperlichen und psychischen Verwundungen, die Sawchuk selbst zu einem problematischen Menschen machte: Er wurde Alkoholiker, entwickelte einen cholerischen Charakter und verübte in seiner Ehe mit Frau Patricia, mit der er sieben Kinder hatte, körperlichen und seelischen Missbrauch.

Sawchuk hatte - wie heute klar ist - nicht diagnostizierte Depressionen, es ist auch davon auszugehen, dass er wegen seiner zahllosen Kopfverletzungen an der erst später erforschten Gehirnkrankheit CTE litt, die bis heute immer wieder Ursache für tragisch frühe Tode von NHL-Spielern und anderen Sportlern ist.

Am 29. April 1970 erfuhr die Geschichte Terry Sawchuks in einem Haus in Long Island, New York dann ihre tragisch-bizarre Pointe.

Sturz auf Knie eines Teamkollegen endete tödlich

Sawchuk teilte sich das Anwesen mit Ron Stewart, Teamkollege bei den New York Rangers. In einer durchzechten Nacht kurz nach dem Ende der Saison 1969/70 kam es dann zu dem folgenschweren Handgemenge um die Aufteilung der Wohnkosten. Sawchuk wurde dabei ein unglücklicher Sturz auf Stewarts Knie zum Verhängnis.

Der Aufprall beschädigte mehrere innere Organe, in zwei Not-OPs wurde erst seine Gallenblase entfernt, dann innere Blutungen an seiner Leber gestillt. Sawchuk überlebte zunächst und hatte so noch die Gelegenheit, den Hergang des Vorfalls aufzuklären: Er erklärte Polizei und Reportern, dass seine Verletzungen Folge eines „komplett dusseligen Unfalls“ gewesen seien, an dem der 2012 verstorbene Stewart keine Schuld getragen hätte.

Von den Folgen des Unfalls erholte sich Sawchuk nicht mehr, er starb am 31. Mai 1970 an einer Lungenembolie. Er wurde nur 40 Jahre alt.