EM-Kolumne von Pit Gottschalk - Ich höre Sané gespannt zu und wünsche mir Sätze, die er wieder nicht sagt

Leroy Sané<span class="copyright">dpa</span>
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Leroy Sané bringt alles mit, was Weltklasse ausmacht. Leider zeigt er das zu selten in der deutschen Nationalmannschaft. Unser EM-Kolumnist ist ganz ungeduldig: Er will beim EM-Viertelfinale gegen Spanien endlich Tore vom ewigen Talent sehen.

Plötzlich sitzt er vor uns, der Leroy Sané. „Ein Enfant Terrible“, wie Weltmeister Andreas Möller kürzlich meinte . „Der schlafende Riese“,  wie ich am Dienstag schrieb. Fünf Meter trennen uns hier im EM-Quartier Herzogenaurach. Und Welten draußen im richtigen Leben.

Dass ihn der DFB zur Pressekonferenz ins Mediencenter schickt, ist ein gutes Zeichen: Vermutlich spielt der Flügelstürmer im EM-Viertelfinale am Freitag gegen Spanien. Aber das weiß man bei Bundestrainer Nagelsmann nie so genau. So wenig wie bei Sané, ob er gut drauf ist oder nicht.

Sané stagniert zwischen „nicht schlecht“ und „nicht wirklich gut“

Er hat das Zeug zum Weltstar, gar keine Frage. Er ist schnell, trickreich und manchmal sogar torgefährlich. 13 Treffer und acht Torvorlagen in jetzt 64 Länderspielen: Das ist nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Vielleicht liegt genau hier sein Problem.

Sané stagniert beim DFB irgendwo zwischen „nicht schlecht“ und „nicht wirklich gut“. Böse Zungen sagen: im Mittelmaß.

Dabei trumpft er im Klub anders auf. 40 Tore und 42 Vorlagen in 170 Bundesliga-Spielen - man muss nur den Schnitt ermitteln, um seine Extraklasse zu belegen.

Warum klappt das in der Nationalmannschaft nicht ständig? Jetzt, bei der DFB-Pressekonferenz in Herzogenaurach, ist er um Sympathie bemüht. Er spricht leise, aber bestimmt. Zuversichtlich, aber nicht großspurig. So mögen die Deutschen ihn: bescheiden und bodenständig.

Klingt so jemand, der die Welt einreißen will?

„Es steht noch nicht fest, ob ich spiele“, sagt er. Beim 2:0 gegen Dänemark habe er auch erst am Spieltag erfahren, dass ihn Nagelsmann in die Startelf steckt. Und Freitag? „Ich hoffe, dass das passiert. Ich will der Mannschaft helfen.“ Helfen! Und nicht: Ich will die Spanier wegballern!

Klingt so jemand, der die Welt einreißen will? Möller hat seinen Eindruck von Sané so geschildert: „Wenn’s klappt - gut. Wenn nicht - auch gut.“ Man könnte auch ganz anders auftreten und sagen: Mit meinem Tempo reiße ich die spanische Abwehr auseinander! Tut er aber nicht.

Er gibt nur bei einer Nachfrage zur Taktik zu erkennen, was seine Vorzüge sind: „Läufe hinter die Kette“, sogenannte „Tiefenläufe“. Heißt übersetzt: Jemand schaufelt den Ball über oder stochert ihn durch die Abwehrkette: Dann überrennt Sané die komplette Verteidigung. Sowas kann er.

Deswegen nenne ich Sané einen „schlafenden Riesen“

Man will das ständig von ihm sehen. Stattdessen feiert ihn das Publikum dafür, dass er 60 Meter Richtung eigene Hälfte rennt, um Gegenspieler bei einem Konter zu stören. Das hilft der deutschen Abwehr ungemein. Aber nicht unbedingt der persönlichen Torbilanz beim DFB.

Jetzt verstanden, warum ich Sané einen „schlafenden Riesen“ nenne? Die ganze Mannschaft spielt auf höchstem Niveau. Aber bei ihm vermute ich viel mehr Potenzial, das er noch nicht bei der EM abgerufen hat. Er hat bisher kein einziges großes Turnier gespielt. Es wird Zeit.

Er ist jetzt 28, also im besten Alter. Zwei, drei Turniere hat er noch. Aber die beste Gelegenheit wäre jetzt: Das Team ist bester Dinge, Deutschland wartet nur darauf, dass er sein erstes EM-Tor erzielt. Jamal Musiala hat schon drei, Kai Havertz und Niclas Füllkrug je zwei. Jetzt ist er dran.

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