EU-KI-Gesetz: Organisationen für digitale Rechte befürchten Zunahme der Massenüberwachung

Biometrische Gesichtserkennung durch Künstliche Intelligenz: Ihre Nutzung könnte trotz der europäischen Regulierungsbemühungen zunehmen.

Im vergangenen Dezember einigten sich die EU-Gesetzgeber auf ein vorläufiges Abkommen über künstliche Intelligenz, das deren Einsatz auf ganz bestimmte Kontexte und mit richterlicher Genehmigung beschränken würde: Ein Terroranschlag etwa, oder die Suche nach entführten Personen.

Aber Organisationen der Zivilgesellschaft sehen immer noch Schlupflöcher. Ella Jakubowska von Reclaim Your Face erklärte gegenüber Euronews:

"Sie haben einige sehr weit gefasste Bedingungen eingeführt, unter denen die Polizei diese Systeme einsetzen kann. Wir befürchten also, dass dies einen legitimierenden Effekt haben wird. Diese Systeme, die wir bisher anfechten und sagen konnten, dass wir sie in einer demokratischen Gesellschaft nicht haben wollen, werden nun schwieriger zu bekämpfen sein. Und wir könnten erleben, dass andere Länder auf der ganzen Welt sagen: 'Nun, die EU hat diese Technologien ja abgesegnet'."

Das Europäische Parlament fordert ein Verbot von genereller biometrischer Gesichtserkennung. Auf Seiten des Rates haben jedoch Länder wie Frankreich auf eine Reihe von Ausnahmen gedrängt, die eine umfassendere Nutzung ermöglichen würden. Paris hat sogar den Einsatz von KI zur Kontrolle verdächtiger Aktivitäten während der Olympischen Spiele im Sommer angekündigt.

Organisationen für digitale Rechte warnen nun eindringlich, dass die neue europäische Gesetzgebung eine massive Überwachung nicht völlig ausschließt. Noch einmal Ella Jakubowska:

"Was wir erwarten können, ist eine potenzielle Zunahme des Einsatzes von Gesichtserkennungssystemen in unseren öffentlichen Räumen, insbesondere wenn diese Systeme live eingesetzt werden. Die Idee ist, dass die Strafverfolgungsbehörden auf dem Weg zum Einkaufen, zur Schule, zum Arzt oder zu einer Demonstration mehr Befugnisse haben, um diese Live-Gesichtserkennungstechnologie zu nutzen, um Sie zeit- und ortsunabhängig zu verfolgen, wo immer Sie auch hingehen. "

Für die meisten Abgeordneten bietet das vorgeschlagene Gesetz dagegen eine gute Balance zwischen Sicherheit und Bürgerrechten, so auch für die schwedische Christdemokratin Arba Kokalari:

"Ich denke, das ist ein sehr guter Weg, um ein Gleichgewicht zwischen Integrität und Sicherheit herzustellen. Und wenn wir diese Technik verboten hätten, dann wären zwei Dinge passiert. Erstens, für die Gesellschaft: Warum sollte die Integrität eines Terroristen wichtiger sein als die Sicherheit unserer Bürger? Und zweitens würde diese Technik von anderen Ländern und insbesondere von China weiterentwickelt werden."

Am Freitag werden die EU-Länder über den endgültigen Gesetzestext abstimmen. Einige von ihnen sind noch unentschlossen. Sollte er fallen, muss die EU die Verhandlungen über das KI-Gesetz neu beginnen.

Die deutsche Bundesregierung hat am Dienstag jedoch ihre Bedenken gegen den Entwurf beigelegt. Der Europaabgeordnete, der für seine Fraktion, die Grünen, mitverhandelte, begrüßte diesen Schritt.