Eva Briegel im Interview: "Als ich gesagt habe, 'ich war noch nie in Südafrika', haben alle gestaunt"
Mit ihrer Debüt-Single "Perfekte Welle" prägte die Band Juli kurz nach der Jahrtausendwende eine neue Ära deutschsprachiger Popmusik. 20 Jahre später ist Sängerin Eva Briegel Teil des VOX-Formats "Sing meinen Song". Auf welche Neuinterpretationen ihrer Kolleginnen und Kollegen sie sich am meisten freut, verrät sie im Interview.
Als Mitte der 2000er-Jahre wieder mal eine neue Neue Deutsche Welle über das Land der Dichter und Denker rollte, waren Juli an vorderster Stelle mit dabei. Mehr noch, mit ihrer Debüt-Single "Perfekte Welle" (2004) lieferte die fünfköpfige Band aus Gießen sogar eine Art Hymne jener musikalischen Bewegung, die beliebte Bands wie Silbermond oder Wir sind Helden groß machte. Das Ganze ist nun 20 Jahre her, und Juli sind immer noch da. Im April 2023 veröffentlichte die Band mit "Der Sommer ist vorbei" ihr fünftes Studioalbum, dessen erste Single "Fahrrad" sogar schon 2019 erschien. Was in der Zwischenzeit passiert ist, verrät Sängerin Eva Briegel im Interview. Die 45-Jährige ist Teil der elften Staffel des VOX-Erfolgsformats "Sing meinen Song - Das Tauschkonzert" (acht Folgen ab Dienstag, 23. April, wöchentlich, 20.15 Uhr). In der ersten Folge blickt sie gemeinsam mit Gastgeber Johannes Oerding, Soul-Sängerin Joy Denalane, Rapper Eko Fresh, Broilers-Frontmann Sammy Amara, Pop-Sänger Emilio und Singer-Songwriter Tim Bendzko auf die Anfänge von Juli zurück.
teleschau: Juli existiert seit über 20 Jahren. Das ist ein Zeitraum, den nicht alle Bands überleben. Was ist Ihr Geheimrezept?
Eva Briegel: Tja, hm. Man muss sich viele Freiheiten zugestehen und sich seine Eigenheiten lassen. Viel Respekt gehört dazu und viel Vertrauen. Zum Beispiel hat unser Schlagzeuger Marcel Römer zeitweise bei Boy gespielt und wollte natürlich international mit auf Tour gehen. Für uns restliche Bandmitglieder war klar: "Wir schreiben zwar gerade an einer neuen Platte, aber das muss drin sein. Wir legen schon mal los und beziehen Marcel mit ein, wenn er zurückkommt." Unser Gitarrist Jonas Pfetzing spielt ebenfalls in einer weiteren Band, ABAY. Das ist jetzt schon etwas weiter weg vom Juli-Sound. Aber das widerspricht sich ja nicht. Wenn Jonas was schreibt, ist es ja auch interessant, in welche Welt es besser passt. Das hat bislang alles ganz gut geklappt.
teleschau: War das dann auch der Grund für die doch recht lange Pause zwischen den letzten zwei Alben "Insel" (2014) und "Der Sommer ist vorbei" (2023)?
Briegel: Jein. Wir hatten schon vor der Pandemie das neue Album eigentlich fertig. "Fahrrad" war die erste Single, weitere sollten folgen. Dann kam Corona, und wir haben noch mal alles angehalten, weil wir sowieso nicht hätten auf Tour gehen können. In dieser Corona-Zeit sind dann plötzlich nochmal einige Lieder entstanden, die wir gerne mit auf das neue Album nehmen wollten. Und dann mussten wir am Ende noch mal eine halbe Platte produzieren. Das hat eben gedauert. Trotzdem haben wir uns auch vor Corona die Zeit genommen, uns neu zu orientieren. Nach der "Insel"-Tour hatten wir viel zu ordnen, auch privat. Kinder sind geboren worden und Eltern gestorben. Unsere Leben waren ein bisschen instabil, und wir hatten wenig Zeit für das doch sehr ichbezogene Musikmachen.
"Bei Eko Fresh dachte ich mir anfangs: Gut, dann rappe ich jetzt mal"
teleschau: Wie fühlt es sich an, nun das eigene Lebenswerk an einem Abend präsentiert zu bekommen?
Briegel: (lacht) Wirklich toll! Natürlich waren die großen Hits dabei, was ich super fand. Es waren aber auch ein paar meiner Lieblingsstücke dabei, die keine Riesenhits waren, von denen ich mir aber doch gewünscht hatte, dass sich die jemand raussucht.
teleschau: Auf wessen Interpretation haben Sie sich am meisten gefreut?
Briegel: Puh, das kann ich gar nicht sagen. Ich war auf alle extrem gespannt. Ich wusste zum Beispiel, dass das, was der Broilers-Frontmann Sammy Amara als Punkrocker interpretiert, auf jeden Fall Spaß machen wird. Auch auf Joy Denalane habe ich mich sehr gefreut, weil mich ihre Musik schon lange begleitet und ich sie sehr mag.
teleschau: Gab es etwas, das Sie besonders überrascht hat?
Briegel: Ja, zum Beispiel hat mich Eko Fresh sehr überrascht, weil er die eigentliche Bedeutung einer unserer Songs in seiner Version einmal komplett auf links gedreht hat, sodass die Message am Ende eine ganz andere war. Und Emilios Version eines alten Songs von uns war super fresh und tanzbar, das hat mich abgeholt.
teleschau: Das Werk welches anderen Teilnehmers stellte Sie vor die größte Herausforderung?
Briegel: Bei Eko Fresh dachte ich mir anfangs: Gut, dann rappe ich jetzt mal, das kann ja so schwierig nicht sein. (lacht). Äh, ja.... ich musste feststellen, dass rappen eine ganz eigene Kunstform ist, die man sich erarbeiten muss, wie man betont und wie akzentuiert man spricht. Letztlich habe ich mit meinen Bandkollegen dann doch eine Version erarbeitet, in der ein bisschen mehr gesungen als gerappt wird. Bei Emilios Song bin ich gespannt, wie es im Fernsehen rüberkommt - kann sein, dass ich da zu viel wollte. Ich habe auf jeden Fall am Ende ganz schön geschnauft.
"Es hätte sich falsch angefühlt, wenn ich an meinem Abend alleine gewesen wäre"
teleschau: Stefanie Kloß wurde bei ihren Auftritten bei "Sing meinen Song" von ihren Bandkollegen von Silbermond auf der Bühne unterstützt. Wie ist das bei Ihnen? Sind die anderen Julis auch dabei?
Briegel: Ja, die anderen Julis sind auch dabei. Jeder Künstler performt ja in "seiner" Sendung einen seiner eigenen Songs. Dafür habe ich mir meine Jungs mitgebracht, damit wir in voller Bandbesetzung spielen können. Wir sind ja immer noch die gleichen fünf Leute wie bei unserer Bandgründung. Ich wollte dort auch weniger als Solo-Artist erscheinen, als als Sängerin der Band Juli. Es hätte sich falsch angefühlt, wenn ich an meinem Abend alleine gewesen wäre. Außerdem sind wir eine Band, die wahnsinnig gerne verreist. Deshalb wollte ich, dass wir dieses Abenteuer gemeinsam bestreiten.
teleschau: Die Dreharbeiten zu "Sing meinen Song" fanden wie immer in Südafrika statt. Kannten Sie das Land zuvor?
Briegel: Nein, als ich vor Abflug gesagt habe: "Ich war noch nie in Südafrika", haben alle um mich herum gestaunt: "Wie? Du warst noch nie in Südafrika?" Offensichtlich ist Südafrika ein großes Ding für deutsche Touristen und Kulturschaffende. Das war mir bislang entgangen. Ich wusste natürlich, dass es in dem Land große soziale Unterschiede und Spannungen gibt und war gespannt darauf, mir das anzusehen.
teleschau: Was ist Ihr Eindruck von dem Land?
Briegel: Ich habe Südafrika als wunderschönes Land erlebt. Die Leute sind sehr, sehr offen. Wir sind wahnsinnig freundlich behandelt worden und häufig ins Gespräch gekommen.
"Damals wurde von uns als Band oft erwartet, dass wir funktionieren"
teleschau: Teil von "Sing meinen Song" ist es auch, anhand von Videoausschnitten und Erzählungen zurück auf die Karriere des jeweiligen Künstlers zu schauen. Gab es in der Ihnen gewidmeten Sendung eine Szene, die Sie besonders überrascht oder berührt hat?
Briegel: Ja, das waren vor allem die Ausschnitte aus unserem allerersten Fernsehauftritt fürs Regional-TV. Ich kann mich noch genau erinnern, wie schwierig es war, zusammen mit der Redaktion etwas zu finden, worin wir uns auch als Band wiederfinden. Daran ist mir aufgefallen, wie sich der Umgang mit Musikerinnen und Musikern seit damals verändert hat: Damals wurde von uns als Band oft erwartet, dass wir funktionieren und die Bilder liefern, die die Redakteure gerne haben wollten. Wenn die Redaktion gesagt hat: "Ihr zieht jetzt mal die Schuhe aus und spielt auf der Wiese Fußball", und wir zögerten, dann war das gleich ein Riesenaufreger, und wir waren "total abgehoben". Das hat uns oft auch überfordert.
teleschau: Ist das heute anders?
Briegel: Ja, ich glaube schon, auch für junge Künstlerinnen und Künstler. Inzwischen gibt es viel weniger Fernsehsendungen, in denen man als Band stattfindet oder die Musik featuren. VIVA, MTV gibt es nicht mehr, viele Musikformate gibt es ebenfalls nicht mehr. Deshalb suchen sich gerade junge Bands andere Tools, um sich zu präsentieren. Durch Social Media haben sie das Erscheinungsbild viel eher selbst in der Hand als früher. Vielleicht ist auch deshalb der mediale Umgang mit Künstlerinnen und Künstlern heute respektvoller als damals.
teleschau: Was meinen Sie?
Briegel: Na ja, zum Beispiel, dass Printmedien oder Fernsehformate sich über bestimmte Bands lustig machen oder über sie herziehen. Diese Art von Humor, sich auf dem Rücken von anderen selbst zu positionieren, gibt es heutzutage zum Glück nicht mehr. Das finde ich gut, denn natürlich muss man nicht alles toll finden. Aber die Art von Humor, in der man einfach sagt "XY ist hässlich und nervt" und das reicht dann als Pointe, ist zum Glück vorbei.
"Mein größter Wunsch ist, dass wir noch sehr, sehr lange zusammen Musik machen"
teleschau: Haben Sie damals eigentlich den Kontakt zu anderen jungen deutschen Bands gepflegt?
Briegel: Auf jeden Fall! Wir haben uns ja alle in einem ähnlichen Umfeld bewegt und liefen uns häufig bei Aftershow-Partys über den Weg. Gerade bei so großen Veranstaltungen wie dem Echo oder dem Comet, die es heutzutage nicht mehr gibt, oder bei Festivals Backstage im Sommer. Ich liebe das, mit anderen Musikern zu reden und mich auszutauschen, das sind ja irgendwie meine Arbeitskollegen, sie haben die gleichen Probleme wie ich, da kann man super gemeinsam vom Leder ziehen.
teleschau: Letzte Frage: Was ist Ihr größter Wunsch für die musikalische Zukunft von Juli?
Briegel: Puh. Mein größter Wunsch ist, dass wir noch sehr, sehr lange zusammen Musik machen - am liebsten für immer! Wir haben ja schon unser halbes Leben zusammen verbracht, und ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das mal anders sein soll. Und wer zusammen bleiben will, muss miteinander wachsen. Also wünsche ich mir neue Ideen, neue Erlebnisse, neue Reisen, neue Musikerfreunde und neue Konzerte mit vielen alten Fans.