Experten( )Wissen: Sicherer Babyschlaf - worauf müssen Eltern achten?

Der Schlafexperte Prof. Dr. Erler im Interview

Die erste Zeit mit Baby ist so aufregend wie anstrengend und voller Fragen. Nicht wenige davon drehen sich um den Schlaf, der vor allem in den ersten Lebensmonaten mit vielen Ängsten auf Seiten der Eltern verbunden ist. Was dabei wirklich wichtig ist, erklärt Prof. Dr. Thomas Erler, Schlafexperte der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), im Interview mit Yahoo Life.

Baby schläft auf dem Rücken
Auf dem Rücken liegend und bei Hitze ohne Schlafsack: So schlafen Babys im Sommer am sichersten. (Foto: Getty)

Yahoo Life: Warum ist das Thema Schlafen bei Babys besonders wichtig?

Prof. Dr. Thomas Erler: Während des Schlafens vollziehen sich wichtige Entwicklungsvorgänge. Vor allem während des REM-Schlafs kommt es zu einer intensiven Hirnentwicklung und Vernetzung von Nerven, die ein neurologisches Netz bilden. Schlaf ist ein besonderer Marker, der die Qualität der Entwicklung mit beeinflusst und für die Erholung des Körpers wesentlich ist. Im Tiefschlaf wird auch Wachstumshormon ausgeschüttet, was im Kindesalter natürlich von besonderer Bedeutung ist.

Was entgegnen Sie Eltern, die Angst vor dem plötzlichen Kindstod haben?

Zum Glück sind die Zahlen beim plötzlichen Kindstod deutlich zurückgegangen, weil sehr viel präventiv dagegen getan wird. Anfang bis Mitte der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts sind etwa 1300 Babys pro Jahr daran gestorben. Mitte der Neunzigerjahre haben wir dann mit Präventionsempfehlungen begonnen und mir ist in der Medizin kaum ein anderes Krankheitsphänomen bekannt, bei dem man mit Präventionsmaßnahmen so erfolgreich war. Die letzte Ziffer aus dem Jahr 2019/2020 lag bei 118 Kindern.

Die wichtigste Empfehlung lautet, die Babys auf dem Rücken schlafen zu lassen. Warum ist das so bedeutend?

Es gibt belastbare statistische Daten von europaweit aufgenommenen Säuglingstoden, bei denen ein Merkmal extrem hervorgestochen ist: 80 Prozent der Säuglinge hatten auf dem Bauch gelegen. Das ist also ganz klar ein Risikofaktor. Die Rückenlage ist auch schon rein anatomisch vorzuziehen. Wenn man von vorne auf den Hals schaut, ist die Luftröhre vorgelagert, dahinter befindet sich die Speiseröhre.

Wettbewerb zwischen Babys in Japan: Wer schreit am lautesten?

Bei Säuglingen ist der Schließmuskel des Magens noch nicht voll funktionsfähig, es fließt also immer etwas Nahrung in die Speiseröhre zurück. Wenn das in Bauchlage passiert, wird die Nahrung direkt in die Lunge fließen. In Rückenlange schluckt das Baby das einfach hinunter und es passiert gar nichts.

Was ist, wenn sich Babys mit ein paar Monaten alleine auf den Bauch drehen können und dann auch so schlafen?

In mehr als 60 Prozent der früher untersuchten Fälle sind die Säuglinge bis zum 3. Lebensmonat gestorben. Danach nahm das Risiko kontinuierlich ab. Die meisten Fälle, die heute noch passieren, passieren in der ersten Lebenswoche oder noch in der Entbindungsklinik. Das heißt, ab dem Moment, in dem sich die Babys drehen können, ist das nicht mehr gefährlich.

Wie genau sollten Eltern ihr Baby Schlafenlegen?

Im Säuglingsbett sollte es keine losen Kissen, Decken oder Kuscheltiere geben, darunter können sich Kinder wirklich verheddern. Alles, was den Mund oder die Nase bedecken kann, ist gefährlich. Am besten ist ein Schlafsack, den die Babys nicht wegstrampeln und sich nicht über den Kopf ziehen können.

Wie erkennen Eltern, ob ihrem Baby zu warm oder zu kalt ist?

Füßchen und Händchen der Kinder sind die vom Herzen am weitesten entfernten Körperteile und fühlen sich regelmäßig kühl an. Das sagt aber nichts aus über die Körperkerntemperatur. Die kann man am besten im Nacken des Kindes oder zwischen den Schulterblättern erfühlen. Wenn es sich dort warm anfühlt, frieren die Kinder nicht, auch wenn sie kühle Händchen haben. Fühlt sich das aber schweißig oder feucht an, ist das eher ein Zeichen dafür, dass sie zu warm angezogen sind.

Baby schläft
Wollen Eltern wissen, ob ihrem Baby zu warm oder kalt ist, sollten sie nicht an Händen oder Armen fühlen. Ausschlaggebend ist die Temperatur im Nacken. (Foto: Getty)

Die empfohlene Schlaftemperatur liegt zwischen 16-18 Grad. Was sollen Eltern bei großer Hitze im Sommer machen?

Man sollte versuchen, die Kinder wirklich witterungsentsprechend zu kleiden. Erfahrungsgemäß ziehen Eltern die Kinder zu warm an. Man sollte ein Baby zum Schlafen so anziehen, wie man sich selbst bei diesen Temperaturen auch anziehen würde. Ein kurzer Body reicht. Vor dem Schlafen kann man das Zimmer durchlüften, um zumindest frische Luft zu bekommen. Und man kann versuchen, mit einer Schüssel Wasser neben dem Bett die Luftfeuchtigkeit etwas zu erhöhen. Die Kinder schwitzen trotzdem zwangsläufig und haben bei diesen Temperaturen einen höheren Flüssigkeitsbedarf. Man sollte also mehr Trinken in Form von Wasser oder dünnem Fencheltee anbieten.

Worauf sollte man bei der Matratze achten?

Das Entscheidende sind zwei Dinge: Die Matratze sollte nicht zu weich sein, damit die Endringtiefe des Kopfes nicht zu tief ist. Es gibt extrem weiche Matratzen, in denen der Kopf fast zur Hälfte versinkt, die sind wirklich kontraindiziert. Die Matratze sollte relativ fest sein. Zweitens muss man darauf achten, dass die Matratze wirklich fest abschließend ist mit der Gitterumrandung des Bettes. Dort darf sich kein Spalt bilden. Es ist schon zu dramatischen Einklemmungen gekommen, bei denen Kinder ihre Extremitäten oder sogar den Kopf eingeklemmt haben und sich daraus nicht mehr befreien konnten.

Warum sollten Babys so früh wie möglich im eigenen Bett schlafen?

In den ersten sechs Lebensmonaten ist statistisch nachgewiesen, dass das gemeinsame Schlafen im elterlichen Bett für Säuglinge lebensgefährlich ist. Weil es schon im Mittelalter zu Todesfällen im elterlichen Bett gekommen ist, hat man Schlafkästen für Baby entwickelt und die über die Babys darübergestülpt, um ein Erdrücken oder Ersticken zu vermeiden. Wenn Eltern Raucher sind, ist auch die Ausatemluft gefährlich für die Kinder. Dagegen ist es sicherheitsfördernd, wenn die Säuglinge in der Nähe der Mutter schlafen. Ein Beistellbett, in dem man auch ohne aufstehen zu müssen nachts stillen kann, ist durchaus empfehlenswert.

Welchen Tipp haben Sie noch?

Schnuller haben auf jeden Fall auch einen positiven Effekt. Es gibt die Vermutung, dass gefährliche Situationen im Tiefschlaf entstehen könnten, wenn die Zunge der Kinder nach hinten rutscht, was durch das Nuckeln verhindert wird.

Unser Experte: Dr. Thomas Erler

Prof. Dr. Thomas Erler ist Schlafexperte der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). Seit 2015 ist er zudem Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Klinikums Westbrandenburg am Standort Potsdam. Er ist verheiratet und hat selbst zwei Kinder.

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