Für Freiheit, Feminismus und mehr Humor: Die Visionen des Filmemachers Ali Samadi Ahadi

Die "halben Drillinge", wie sie von den Machern der Sitcom "Friedefeld" genannt werden, könnten unterschiedlicher nicht sein: die karrierefixierte Managerin Barbie, der Aufschieber Paul (Mitte) und der Lebenskünstler Ludwig. (Bild: BR/Little Dream Entertainment/Christopher Roos von Rosen)
Die "halben Drillinge", wie sie von den Machern der Sitcom "Friedefeld" genannt werden, könnten unterschiedlicher nicht sein: die karrierefixierte Managerin Barbie, der Aufschieber Paul (Mitte) und der Lebenskünstler Ludwig. (Bild: BR/Little Dream Entertainment/Christopher Roos von Rosen)

Die erste deutsche animierte Sitcom: In "Friedefeld" erzählt Produzent Ali Samadi Ahadi "Geschichten, die mit uns als Gesellschaft, mit dem heutigen Europa zu tun haben". Der gebürtige Iraner blickt im Interview auf die siebenjährige Entstehungsgeschichte zurück.

Für sich wählte er schon vor langer Zeit Humor als Ausdrucksform. Vielen anderen legt er das auch ans Herz, sagt Produzent Ali Samadi Ahadi, denn der 52-Jährige ist überzeugt: "Die Welt ist doch schon ernst genug." Trotzdem ist es dem kreativen Kopf ein Anliegen, auf die Brisanz ernster Themen wie Feminismus, Pressefreiheit oder Menschenwürde aufmerksam zu machen. Egal, ob Dokumentation, Spielfilm oder Komödie - Samadi weiß seine gesellschaftskritischen Botschaften immer auch in seinen Projekten zu platzieren. Nichts anderes war von "Friedefeld" zu erwarten. Als "erste deutsche animated Sitcom" angekündigt präsentieren die Schöpfer eine zehnteilige Serie, die sich durch ihren anspruchsvollen, anarchischen Geist und bemerkenswerte Tiefe auszeichnet. Ein subversiver Mix, der das Potenzial hat, zur Kultserie zu avancieren. Die ganz und gar außergewöhnliche Produktion des BR und SWR ist ab Freitag, 22. März, in der ARD-Mediathek zu sehen. Anlässlich des Starts spricht Samadi, der als Kind aus dem Iran flüchten musste, um nicht als Kindersoldat zwangsrekrutiert zu werden, über die angespannte politische Situation in Europa, seine Ansprüche an Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Wünsche für die Zukunft.

teleschau: Uns trennen gerade rund 2.700 Kilometer Luftlinie, weil Sie in Georgien arbeiten ...

Ali Samadi Ahadi: Ja, ich rufe gerade aus Georgien an, weil ich dort einen Spielfilm drehe. Darin geht es vor allem um Frauenrechte und Menschenrechte im Allgemeinen.

teleschau: Genau die Themen, die Sie schon in dem mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilm "Lost Children" und jetzt mit "Friedefeld" filmisch verarbeitet haben.

Ali Samadi Ahadi: Ja, es ist die erste deutsche Animated Sitcom! So eine moderne Sitcom hat es in Deutschland zwar noch nicht gegeben, aber einen Weg zu gehen, der noch nie beschritten wurde, hat mich nie abgeschreckt. Allerdings ging es mir nie um den Stil, sondern vor allem um die Themen, die mich bewegen.

Ali Samadi Ahadi blickt auf eine belebte Vergangenheit zurück. Was er erlebt hat und was er sich für die Zukunft wünscht, verrät er im Interview. (Bild:  Roxana Samadi / privat)
Ali Samadi Ahadi blickt auf eine belebte Vergangenheit zurück. Was er erlebt hat und was er sich für die Zukunft wünscht, verrät er im Interview. (Bild: Roxana Samadi / privat)

"Ich war über die Jahre immer der Einzige, der an dieses Projekt geglaubt hat"

teleschau: Es war ein steiniger Weg, oder?

Ali Samadi Ahadi: Ja, auf jeden Fall. Bei "Friedefeld" hat allein der Entstehungsprozess sehr lange gedauert. Ich habe fast sieben Jahre mit den beiden Autoren an diesem Projekt gearbeitet - inhaltlich, technisch und finanziell war es eine riesige Herausforderung. Ich habe sogar amerikanische Autoren als Berater hinzugezogen, weil wir keine Erfahrung mit Sitcoms hatten. Trotz eines großen Teams war ich über die Jahre immer der Einzige, der an dieses Projekt geglaubt hat.

teleschau: Warum zweifelten Ihre Kollegen und Kolleginnen?

Ali Samadi Ahadi: Die Kollegen haben nicht mehr an das Projekt geglaubt, weil die Finanzierung in Deutschland einfach so schwierig war. Das Problem ist, dass es in der deutschen Fernsehlandschaft eigentlich keinen Platz für so ein Format gibt. Mit der Veränderung der Sender, also der Integration der Mediatheken, hat sich plötzlich eine ganz neue Möglichkeit aufgetan, auch mal so etwas Gewagtes zu produzieren.

Paul Jakobs, Ludwig Auster und Barbie Schmidt sind die Hauptfiguren der zehnteiligen Serie "Friedefeld", die sich durch ihren anspruchsvollen, anarchischen Geist und bemerkenswerte Tiefe auszeichnet. (Bild: BR/Little Dream Entertainment/Christopher Roos von Rosen)
Paul Jakobs, Ludwig Auster und Barbie Schmidt sind die Hauptfiguren der zehnteiligen Serie "Friedefeld", die sich durch ihren anspruchsvollen, anarchischen Geist und bemerkenswerte Tiefe auszeichnet. (Bild: BR/Little Dream Entertainment/Christopher Roos von Rosen)

"Innere Kämpfe, die fast jeder im Strudel von Massenmedien ausfechten muss"

teleschau: Hat "Friedefeld" das Potenzial, das deutsche "Die Simpsons" zu werden?

Ali Samadi Ahadi: Nein, das würde ich nicht sagen. "Die Simpsons" ist natürlich ein Meisterwerk, aber es erzählt amerikanische Themen. "Friedefeld" versucht, deutsche Themen aus der Sicht deutscher Filmemacher zu erzählen. Und wir versuchen, Geschichten zu erzählen, die viel mehr mit uns als Gesellschaft, mit dem heutigen Deutschland, mit dem heutigen Europa zu tun haben.

teleschau: Es wird also sehr politisch?

Ali Samadi Ahadi: Jein. Wir konzentrieren uns nicht nur auf politische Themen, sondern auch auf die inneren Kämpfe, die heute fast jeder im Strudel von Alltag, Massenmedien und Co. ausfechten muss. Wir wollen einen Bezug zu dem herstellen, was wir aus dem wirklichen Leben kennen. "Friedefeld" macht die ersten Schritte in diese Richtung. "Die Simpsons" dagegen haben schon mehrere hundert Folgen - wir gerade mal zehn.

teleschau: Ein Anfang, immerhin.

Ali Samadi Ahadi: Ein Anfang, in dem auch wir Produzenten mit unseren Erfahrungen und Werten stecken. So wie in jedem von uns etwas von den Hauptfiguren steckt.

Ali Samadi Ahadi produzierte die erste deutsche animated Sitcom. Die ersten zehn Folgen gibt es ab Freitag, 22. März, in der ARD Mediathek zu sehen. (Bild: 2021 Getty Images/Thomas Niedermueller)
Ali Samadi Ahadi produzierte die erste deutsche animated Sitcom. Die ersten zehn Folgen gibt es ab Freitag, 22. März, in der ARD Mediathek zu sehen. (Bild: 2021 Getty Images/Thomas Niedermueller)

"Wenn wir nicht für unser Leben aufstehen, dann weiß ich nicht, wofür sonst"

teleschau: Ludwig, eine der Hauptfiguren, ist davon überzeugt, die Weltformel entdeckt zu haben ... Was wünschen Sie der Welt?

Ali Samadi Ahadi: Gute Besserung (lacht)! Weltformel ist ein Wort, das uns allen irgendwann im Leben begegnet. Ich wünsche mir in diesem Zusammenhang, dass Europa die europäischen Werte wieder ernst nimmt. Alle Europäerinnen und Europäer müssen ihre eigenen Werte wieder in den Alltag übersetzen und nicht wie ein Schmuckstück in die Vitrine stellen. Wir müssen die Würde des Menschen wieder zu einem Gut machen, das auch in der Realität unantastbar ist. Dazu gehören unter anderem die Gleichberechtigung der sexuellen Orientierung, die Presse- und Meinungsfreiheit. Wir alle müssen achtsamer miteinander umgehen, um das Grundgesetz wieder mit mehr Leben zu füllen und stärker zu schützen.

teleschau: Sie wissen, wovon Sie sprechen ...

Ali Samadi Ahadi: Ich bin vor knapp 40 Jahren aus dem Iran geflohen, weil ich infolge des Ersten Golfkrieges als Kindersoldat zwangsrekrutiert werden sollte. Nach dieser Erfahrung bewegt mich natürlich, was in den letzten Jahren vor allem dort passiert ist. Das ist alles so dramatisch. Ich habe am eigenen Leib erfahren, was es für ein Land und seine Gesellschaft bedeutet, wenn Frauen, nur weil sie ihre Haare zeigen, im Gefängnis landen, gefoltert und vergewaltigt werden.

teleschau: Was machen die aktuellen Kriege und Krisen, vor allem auch mit Blick auf die angespannte politische Lage in Europa, mit Ihnen?

Ali Samadi Ahadi: Die ganze Situation trifft mich mitten ins Herz. Ich weiß, was es bedeutet, in einem Land zu leben, in dem es zum Beispiel keine Pressefreiheit gibt. Ich weiß, was es bedeutet, in einem Land zu leben, in dem niemand seine Meinung frei äußern kann. Viele sagen, so etwas kann uns hier nicht passieren. Aber mein Gott: Deutschland hat bereits die größten Massenmorde der Geschichte begangen. Warum soll uns das nicht wieder passieren? Wenn wir nicht für unser Leben aufstehen, dann weiß ich nicht, wofür sonst. Wenn es einigen wenigen gelingt, unsere Gesellschaft zu radikalisieren und unser System zu zerstören, dann weiß ich nicht, wohin das alles führen soll ...

Anlässlich des Starts der zehnteiligen Serie "Friedefeld" (ab 22. März in der ARD Mediathek), die von den Verantwortlichen als erste deutsche animierte Sitcom angekündigt wurde, spricht Produzent Ali Samadi Ahadi über Humor als Sprachrohr. (Bild:  Roxana Samadi / privat)
Anlässlich des Starts der zehnteiligen Serie "Friedefeld" (ab 22. März in der ARD Mediathek), die von den Verantwortlichen als erste deutsche animierte Sitcom angekündigt wurde, spricht Produzent Ali Samadi Ahadi über Humor als Sprachrohr. (Bild: Roxana Samadi / privat)

"Will man Herzen und Körper bewegen, ist das beste Mittel Humor"

teleschau: Was würden Sie Bundeskanzler Olaf Scholz sagen, wenn Sie ihn treffen würden?

Ali Samadi Ahadi: Ich würde ihn daran erinnern, dass das Wichtigste für uns alle ist, eine Vision zu haben. Jeder muss sich die Frage stellen: Wo wollen wir eigentlich hin? In was für einem Deutschland wollen wir leben? Ich persönlich möchte in einer freiheitsliebenden, gerechten Gesellschaft leben. Das wieder stärker in Erinnerung zu rufen - das wünsche ich mir von der Politik.

teleschau: Warum braucht das Publikum eine subversive Sitcom wie "Friedefeld"?

Ali Samadi Ahadi: Will man Herzen und Körper bewegen, ist das beste Mittel Humor. Die Komödie ist ein guter Weg, um die Menschen auch für ernste Themen zu sensibilisieren.

teleschau: Beispielsweise auch für Feminismus.

Ali Samadi Ahadi: Dafür haben wir die Figur der Top-Managerin Barbie geschaffen. Nein, es ist keine Hommage an die Satire von Greta Gerwig - denn an unserer Barbie arbeiten wir schon seit Jahren. Es ist vielmehr eine Hommage an Frauen, die sich in einer von Männern dominierten Welt hervortun. Ich glaube, wir sind es immer noch nicht gewohnt, dass Frauen in Führungspositionen arbeiten, dass Frauen Impulsgeberinnen und Vorreiterinnen sind.

teleschau: Und das, obwohl es so viele feministische Bewegungen gibt?

Ali Samadi Ahadi: Natürlich hat sich viel getan. Schauen wir uns an, wo Frauen noch vor 60, 70 Jahren in der Gesellschaft standen. Aber wir sind immer noch in einer Situation, in der wir nicht offen über einige Themen reden können, ohne uns zu streiten, ohne uns gegenseitig verbal zu verletzen. Es sollte viel öfter offen diskutiert werden und nicht aus Angst vor Ablehnung hinter vorgehaltener Hand. Unsere Komödie könnte im besten Falle dazu anregen, über sich selbst und auch mal über die Gesellschaft zu lachen, ohne die Ernsthaftigkeit der Themen zu ignorieren.

Produzent Ali Samadi Ahadi (links) arbeitet auf der ganzen Welt. Im Februar war er lange in Georgien, um einen Spielfilm über Menschenrechte zu drehen. (Bild:  Roxana Samadi / privat)
Produzent Ali Samadi Ahadi (links) arbeitet auf der ganzen Welt. Im Februar war er lange in Georgien, um einen Spielfilm über Menschenrechte zu drehen. (Bild: Roxana Samadi / privat)

"Die Welt ist doch schon ernst genug"

teleschau: Humor als Sprachrohr sozusagen ...

Ali Samadi Ahadi: Ja, genau. Ich bin überzeugt, wenn man über sich selbst lachen kann, hat man schon viel erreicht. Die Welt ist doch schon ernst genug.

teleschau: So ernst wie lästige Pflichten, die jeder gerne vor sich herschiebt. Ihre Figur Paul ist darin allerdings Weltmeister. Gibt es etwas, womit auch Sie es nie eilig haben?

Ali Samadi Ahadi: Da unterscheide ich mich nicht von den meisten anderen, denke ich (schmunzelt). Ich hasse es einfach, Steuererklärungen auszufüllen. Ich glaube, meine Steuerberaterin verzweifelt an mir, weil ich es hasse, mich mit Dingen zu beschäftigen, die ich nicht verstehe.

(Im BR Fernsehen wird die Serie am Donnerstag, 25. April, sowie eine Woche später am 2. Mai jeweils um 23.15 Uhr ausgestrahlt, immer fünf Folgen am Stück.)