"Faulheit der Leute": Christian Wulff beklagt bei "maischberger" fehlendes Engagement

An den politischen Rändern sei das Engagement deutlich Größer als in der Mitte der Gesellschaft, mahnte Christian Wulff: "Wenn wir denen das Feld überlassen wollen, habe ich ganz große Angst vor der Zukunft dieses Landes." (Bild: ARD)
An den politischen Rändern sei das Engagement deutlich Größer als in der Mitte der Gesellschaft, mahnte Christian Wulff: "Wenn wir denen das Feld überlassen wollen, habe ich ganz große Angst vor der Zukunft dieses Landes." (Bild: ARD)

Zu wenige Menschen hierzulande gehen wählen, zu wenige Menschen engagieren sich politisch - findet Christian Wulff. Zu Gast bei Sandra Maischberger warnte der Altbundespräsident davor, dass sich Deutschland "immer mehr in die falsche Richtung verändern" werde.

Die AfD ist im Umfragehoch: Im RTL/ntv-"Trendbarometer" etwa befindet sich die Partei derzeit auf dem zweiten Platz, noch vor SPD und den Grünen - eine Entwicklung, die Christian Wulff Anlass zur Sorge gibt. Wie der ehemalige Bundespräsident am Dienstagabend im Talk mit Sandra Maischberger betonte, sei es an der breiten Bevölkerung, sich wieder mehr einzubringen. Die Wirkung demokratischer Parteien sei "nicht gottgegeben", betonte Wulff: "Das hängt von den Menschen ab, die in diesem Land leben. Ob sie zur Wahl gehen und sich für jemanden entscheiden, der nur von Ängsten lebt, gegen Fremdes und Fremde. Wenn wir denen das Feld überlassen wollen, habe ich ganz große Angst vor der Zukunft dieses Landes."

Der 63-Jährige warnte: Dass es immer mehr Nichtwählerinnen und Nichtwähler in Deutschland gebe, sei schädlich für die Demokratie. "Wir reden immer über die AfD und werten die damit immer weiter auf. Ich möchte mal über die reden, die einfach gar nicht hingehen, die sich gar nicht kümmern, die sich gar nicht engagieren." Es habe "Schweiß, Blut und Tränen" gekostet, das Wahlrecht zu erkämpfen. Zudem sei die Zahl derer, die sich selbst in Parteien der Mitte engagieren, dem CDU-Mann zufolge viel zu gering. "Die Faulheit der Leute, die auf der Tribüne sitzen, rummosern, rummeckern und nicht selber was tun, das werden wir uns nicht mehr lange leisten können", mahnte Wulff.

"Die Faulheit der Leute, die auf der Tribüne sitzen, rummosern, rummeckern und nicht selber was tun, das werden wir uns nicht mehr lange leisten können", erklärte Ex-Bundespräsident Christian Wulff im Gespräch mit Sandra Maischberger. (Bild: ARD)
"Die Faulheit der Leute, die auf der Tribüne sitzen, rummosern, rummeckern und nicht selber was tun, das werden wir uns nicht mehr lange leisten können", erklärte Ex-Bundespräsident Christian Wulff im Gespräch mit Sandra Maischberger. (Bild: ARD)

Wulff fordert mehr Engagement

"Demokratie funktioniert nur mit Demokratinnen und Demokraten", habe ihm sein Vater damals mit auf den Weg gegeben. "Und das sehen wir auch heute wieder." Ähnliche Werte wolle Wulff nun seinen eigenen Kindern zu vermitteln. "Es kam nicht von alleine, dass hier in Europa seit 80 Jahren Frieden herrscht und dass es undenkbar ist, dass Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gegeneinander Krieg führen." Auch "die junge Generation" müsse für die Demokratie kämpfen. Wulff ist sich sicher: "Wir müssen uns überall mehr engagieren für das Gute, damit das Böse nicht gewinnt."

Der einstige Ministerpräsident Niedersachsens beklagte global "eine gewisse Hinwendung zum Personenkult". In schwierigen Zeiten sei es für viele Menschen einfacher, sich einer einzelnen Person anzuvertrauen - vor allem, wenn diese simple Lösungen anbiete: "Stolz auf das eigene Volk scheint Konjunktur zu haben. Das sind weltweit erkennbare Tendenzen. Die Dämonen des letzten Jahrhunderts - Nationalismus, Großmachtstreben - sind da spürbar."

"Das haben Christen gemacht"

Auch in Deutschland sei man "selbstgerecht" geworden und nehme derartige Entwicklungen einfach hin. Dafür sei in Wulffs Augen auch der Rückgang der Kirchen verantwortlich. "Ohne den Einfluss der Religion hätten wir das heutige Europa nicht bekommen. Das haben Christen gemacht. Heute gibt es kaum noch Politikerinnen und Politiker, die sich als Christen definieren und sich darauf auch zurückgreifend äußern", bedauerte der Ex-Bundespräsident. "Das wird Europa und Deutschland immer mehr in die falsche Richtung verändern."

Optimistisch, dass die derzeitige Regierung einer solchen Entwicklung entgegenwirken könne, zeigte sich Wulff nicht - auch, weil die aus drei Parteien bestehende Ampelkoalition zu viele Differenzen zu überwinden habe. "Daran haben auch wir Bürgerinnen und Bürger mitgewirkt. Wir können natürlich auch wieder stärker große Volksparteien stärken, die mit einem Partner regieren, anstatt diese Aufdröselung der Parteienlandschaft so zu unterstützen, betreiben, tolerieren", appellierte der Christdemokrat. "Das ist auch wieder eine Entscheidung der Menschen. Wir sind die Demokratie."