Filmproduzent Stefan Raiser: "Meine Mission: Unterhaltung mit Haltung, ohne den Verstand zu beleidigen"

Der Mann hat klare Ambitionen: "Einfach nur Fernwehziel und heile Welt fände ich für eine zeitgenössische Erzählung zu kurz gesprungen", lässt Produzent Stefan Raiser vor dem Start von "Hotel Barcelona" auf dem "Herzkino"-Sendeplatz durchblicken. (Bild: Dreamtool)
Der Mann hat klare Ambitionen: "Einfach nur Fernwehziel und heile Welt fände ich für eine zeitgenössische Erzählung zu kurz gesprungen", lässt Produzent Stefan Raiser vor dem Start von "Hotel Barcelona" auf dem "Herzkino"-Sendeplatz durchblicken. (Bild: Dreamtool)

Stefan Raiser ist ein Filmemacher, der groß denkt: "Es braucht nicht den x-ten Krimi", fordert er im Interview, "sondern mehr Bandbreite und eine größere Gier, publikumswirksam zu erzählen". Jetzt eröffnet der bekannte Filmproduzent fürs ZDF-"Herzkino" das "Hotel Barcelona".

Nicht verzagen, wenn sich der Sommer nun so langsam verabschiedet: Im ZDF-"Herzkino" scheint immer die Sonne. Mit zwei mehr oder weniger wolkenlosen 90-Minütern startet auf dem beliebten Primetimesendeplatz am Sonntagabend jetzt mal wieder eine neue Fernwehreihe: "Hotel Barcelona" (Sonntag, 10., und 17. September, 20.15 Uhr) erzählt vor der prächtig gefilmten Traumstadtkulisse der katalanischen Metropole von der jungen Spanierin Laura Santos, die in das von ihren Eltern geführte Traditionshaus zurückkehrt. Neben Mina Tander in der Hauptrolle der Hotel-Erbin ist eine ganze Riege deutscher Stars wie Herbert Knaup, Inka Friedrich und Vladimir Burlakov mit von der Partie. Produziert wurde das Ganze von Dreamtool-Entertainment-Chef Stefan Raiser, der zuletzt an gleicher Stelle auch "Dr. Nice" sehr erfolgreich praktizieren ließ. Im Interview verrät der umtriebige Chef der Münchner Produktionsschmiede einiges über die Ambition hinter seinem neuen Projekt: "Einfach nur Fernwehziel und heile Welt fände ich für eine zeitgenössische Erzählung zu kurz gesprungen", lässt er durchblicken.

teleschau: "Hotel Barcelona", das ist "Herzkino" vor Traumkulisse - klassisches Fernwehfernsehen. Wieso fiel die Wahl ausgerechnet auf die katalanische Metropole?

Stefan Raiser: Barcelona ist der beliebteste Hotspot Europas. Der Stadtstrand Barceloneta erinnert mich sehr an South Beach, Miami: Entspannte Menschen, Meer, Sport, gutes Essen in den Gassen dahinter, Sundowner in den Strandbars, sehen und gesehen werden, ein Laufsteg, 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Die katalanische Metropole ist Anziehungspunkt für Familien, Best-Ager, Yuppies, Geschäftsreisende, Pärchen und Singles zugleich. Unterdessen ist Barcelona mit seinen Herausforderungen wie Gentrifizierung, Massentourismus, Verkehr, Klimawandel oder Müllentsorgung aber auch mitten aus dem Leben gegriffen, wie es uns alle betrifft. Einfach nur Fernwehziel und heile Welt fände ich für eine zeitgenössische Erzählung zu kurz gesprungen.

teleschau: Gedreht wurde im 5-Sterne-Haus El Palauet, einer Hotel-Legende Barcelonas, in der sonst die Stars absteigen ...

Raiser: Wir wollten das besonderste Hotel von Barcelona erzählen und hatten davon eine klare Vision. Regisseur Christian Theede und ich sind suchend durch die Straßen gerannt. Wir brauchten für einen Monat ein komplettes Hotel ganz für uns. Eine Mission Impossible, und die Besitzer dachten stets, wir sind verrückt, weil natürlich kein Hotel leer steht, ganz im Gegenteil. Als wir das El Palauet entdeckten, wussten wir, das ist es, oder das Projekt wird scheitern, weil wir auch nur noch 48 Stunden hatten, diese Location zu finden. Sonst hätten wir das Projekt um ein Jahr schieben müssen.

teleschau: Und dann räumten die Chefs einfach mal so ihr Hotel für vier Drehwochen leer?

Raiser: Ich hatte am nächsten Tag mit dem Eigentümer, einem Holländer, eine sehr besondere Begegnung. Wir redeten Stunden über Gott und die Welt, Unternehmertum, Erfolg und Scheitern, Familie, Kinder, Fußball, wir lachten und weinten. Am Ende sagte er uns zu, dass er uns sein Hotel zu fairen Bedingungen im Drehzeitraum freimachen wird.

Glamour und Sonne für den Sonntagabend (von links): Herbert Knaup, Inka Friedrich, Mina Tander und Vladimir Burlakov laden am Sonntag, 10. September, erstmals ins "Hotel Barcelona". (Bild: ZDF / Lucía Faraig / [M] FeedMe. )
Glamour und Sonne für den Sonntagabend (von links): Herbert Knaup, Inka Friedrich, Mina Tander und Vladimir Burlakov laden am Sonntag, 10. September, erstmals ins "Hotel Barcelona". (Bild: ZDF / Lucía Faraig / [M] FeedMe. )

"Hotel Barcelona' ist in Sachen Cast ein Volltreffer"

teleschau: Sie outeten sich zuletzt als großer Fan des "Herzkino"-Sendeplatzes im ZDF. War "Hotel Barcelona" von Anfang als "Herzkino"-Reihe angelegt?

Raiser: Für meine Mission - Unterhaltung mit Haltung, ohne den Verstand zu beleidigen - ist der Sonntagabend im ZDF die erste Anlaufstelle im deutschen Fernsehen. Dort kann sich Eskapismus was trauen, genau wie bei unserem Hit "Dr. Nice", auch wenn das Programm nicht unterschiedlicher sein könnte. "Hotel Barcelona" ist für mich ein Zweiteiler light, zur Not kommt man auch bei Teil zwei nach einem kurzen Recap noch mit. Mein Ziel ist, dem ZDF mit der Hotelwelt eine erfolgreiche Marke zu erschaffen, die es unabhängig von bestimmten Schauspielern ermöglicht, an verschiedenen Orten berührende Geschichten zu erzählen. Gefällt uns die Chefbutlerin in Barcelona, gehen wir mit ihr in eine neue Stadt und lernen dort einen neuen Kosmos kennen, so wie es im wahren Leben der Hotelos normal ist.

teleschau: Woran denken Sie zuerst, wenn der Cast für ein derartiges Format zusammengestellt wird?

Raiser: Natürlich sollen die Figuren, die im Drehbuch über Jahre entwickelt wurden, glaubhaft verkörpert werden, und dafür ist es wichtig, dass sich die Spieler lustvoll in diese Aufgabe werfen. Wir sind hierzulande mehr für das Ernsthafte als für unser Entertainment-Gen bekannt. Diese Mischung aus feinem Spiel, Wärme, Aura und Emotion ist selten. Wir suchen mitunter ewig, bis wir genau das gefunden haben. "Hotel Barcelona" ist in Sachen Cast ein Volltreffer.

teleschau: Barcelona gehört - neben Paris, Wien, Amsterdam - seit Jahren zu den beliebtesten Städtereisezielen der Deutschen. Wann starten Sie mit den Hotelreihen aus den anderen genannten Metropolen? Oder kommt als Nächstes gar ein deutsches Haus an die Reihe?

Raiser: Mein Traum ist Hans Sigl als Hoteldirektor, aber eine erste Abfuhr hat er mir schon erteilt. Das schreckt mich nicht, jetzt bin ich wild entschlossen, ihm ein Angebot zu machen, das er nicht ablehnen kann - Hotel-Impresario in Lissabon - und eine Figur, wie er sie noch nicht gespielt hat. Das schreiben wir ihm auf den Leib. Darüber hinaus sind auch Wien, Paris und Heiligendamm in Entwicklung.

Mit sonnigen Grüßen aus Barcelona (von links): Mina Tander, Regisseur Christian Theede, Produzent Stefan Raiser und "Tatort"-Star Vladimir Burlakov am Set in der katalanischen Metropole. (Bild: Dreamtool Entertainment)
Mit sonnigen Grüßen aus Barcelona (von links): Mina Tander, Regisseur Christian Theede, Produzent Stefan Raiser und "Tatort"-Star Vladimir Burlakov am Set in der katalanischen Metropole. (Bild: Dreamtool Entertainment)

"Wir müssen mutiger werden"

teleschau: Bei den Schauspielern rennt man vermutlich offene Türen ein - so ein paar Wochen Barcelona haben schließlich ihren Reiz - oder ist das zu romantisch gedacht?

Raiser: Ein "Tatort"-Kommissar geht fremd, steigt auch für die direkte Konkurrenz am Sonntagabend in den Ring, aber nicht, weil der Drehort reizvoll ist. Einem Vladimir Burlakov (spielt einen Ermittler im Saarland-"Tatort", d. Red.), Herbert Knaup oder einer Mina Tander müssen Sie packende Figuren, stimmige Drehbücher, Qualität in allen Bereichen und eine glasklare Vision für die Filme vorstellen, um Vertrauen zu schaffen, dass wir mit dem Pilcher-Klischee, das dem Herzkino mitunter anhaftet, nichts zu tun haben werden und eine Verfilmung entstehen wird, auf die am Ende alle stolz sein können.

teleschau: Derart aufwendige Fiction-Produktionen sind selten geworden im deutschen Fernsehen. Warum haben Sie sich das getraut - und warum, denken Sie, hat das ZDF Ihnen dabei vertraut?

Raiser: Prinzessin, Freiheitskämpfer, Juwelenraub, Sternekoch, Drogenkids, Upstairs, Downstairs, knackige Komödie und intensives Drama, Liebe, Familie und Intrigen satt. Gepaart mit einem hohen Tempo, Stars jeder Generation und saftigem Production Value - das alles ist in "Hotel Barcelona". Ich denke, das ZDF hatte Vertrauen, weil ich seit nun über 20 Jahren sehr besonderes Programm mache, jedes Stück liebevolle Handarbeit, keine Massenware. Ich bin derzeit in den Drehbüchern zu einem Erotik-Zweiteiler auf Sylt. Unsere schillernde Soap "Rivalinnen der Rennbahn" nimmt ebenso Gestalt an wie unser Tanz-Epos "Flying Steps" oder unsere YA-Serie "Schattenseite". Alles Erzählfarben und Genres, die aus Deutschland heraus Mangelware sind, sich aber weltweit einer großen Nachfrage erfreuen. Wir müssen mutiger werden.

teleschau: Aber die Budgets sind knapp geworden, selbst die Streamer geben gerade kaum noch etwas in Auftrag ... Wie schwer ist es aktuell, fiktionales Fernsehen zu produzieren?

Raiser: Man musste schon sehr naiv sein, um das nahende Platzen der Streaming-Blase und die Auswirkungen der weltweiten Rezession nicht kommen zu sehen. Freilich führen weniger Aufträge zu einer verschärften Konkurrenz. Aber das kann eben auch eine Chance für mehr Qualität und Innovation sein. Es braucht nicht den x-ten Krimi, sondern mehr Bandbreite und eine größere Gier, publikumswirksam zu erzählen.

Kaputt, aber glücklich - wahrscheinlich lässt sich das Bild mit "Hotel Barcelona"-Produzent Stefan Raiser (rechts) und Regisseur Christian Theede mit diesen Worten am besten beschreiben. (Bild: Dreamtool Entertainment)
Kaputt, aber glücklich - wahrscheinlich lässt sich das Bild mit "Hotel Barcelona"-Produzent Stefan Raiser (rechts) und Regisseur Christian Theede mit diesen Worten am besten beschreiben. (Bild: Dreamtool Entertainment)

"Streaming hat das lineare Fernsehen nicht abgelöst"

teleschau: Sie prophezeiten zuletzt eine Renaissance des linearen Fernsehens. Was macht Sie diesbezüglich so zuversichtlich?

Raiser: Streaming hat das lineare Fernsehen nicht abgelöst, sondern sucht nach einem Weg in die Profitabilität. Ob das je gelingt, ist offen. Schauen Sie sich Disney in den USA an. Die haben im ersten Halbjahr mal eben rund 120 Filme und Serien von ihrer Plattform Disney+/Hulu entfernt, um sie dem klassischen Vertriebsmodell zuzuführen. Gleichzeitig werden die Abogebühren erhöht. Die schauen sich an, was man den Kunden zumuten kann. Das lässt sich auch bei Max, Peacock und Paramount+ beobachten. Netflix steht einigermaßen stabil. Apple und Amazon sind so etwas wie die Wildcards, denn deren Zahlen machen im jeweiligen Mutterkonzern keinen großen Unterschied. Die klassischen Fernsehanbieter ersetzen auch sie nicht.

teleschau: Worin liegt der deren Chance?

Raiser. Speziell die Öffentlich-Rechtlichen weltweit müssen die eigene Transformation zur Plattform hin beschleunigen und sich ihre Relevanz zurückerobern, auch mit koproduzierter Fiction in der Liga von "Bridgerton" oder "House of the Dragon".

"Natürlich sollen die Figuren, die im Drehbuch über Jahre entwickelt wurden, glaubhaft verkörpert werden, und dafür ist es wichtig, dass sich die Spieler lustvoll in diese Aufgabe werfen", sagt Produzent Stefan Raiser (links, mit Schauspieler Vladimir Burlakov). (Bild: Dreamtool Entertainment)
"Natürlich sollen die Figuren, die im Drehbuch über Jahre entwickelt wurden, glaubhaft verkörpert werden, und dafür ist es wichtig, dass sich die Spieler lustvoll in diese Aufgabe werfen", sagt Produzent Stefan Raiser (links, mit Schauspieler Vladimir Burlakov). (Bild: Dreamtool Entertainment)