Flüchtlingstalk bei "Maischberger": Wüst wirft Bundesregierung Untätigkeit vor

CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst beklagte am Dienstagabend bei Sandra Maischberger, dass die Bundesregierung zu wenig tue, um die Flüchtlingsströme nach Deutschland zu begrenzen. (Bild: WDR / Dirk Borm)
CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst beklagte am Dienstagabend bei Sandra Maischberger, dass die Bundesregierung zu wenig tue, um die Flüchtlingsströme nach Deutschland zu begrenzen. (Bild: WDR / Dirk Borm)

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat der Ampelregierung in der Flüchtlingsfrage Untätigkeit vorgeworfen. Sie sei sich in dieser Frage uneinig, kritisierte der Politiker am Dienstagabend bei Sandra Maischberger.

Am heutigen Mittwoch wollen die Ministerpräsidenten der Länder gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz die Arbeit der letzten Monate in der Flüchtlingsfrage erörtern. Für den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst ist schon im Vorfeld klar: Es ist zu wenig passiert. Das erklärte der CDU-Politiker am Dienstagabend in der ARD-Talkshow "Maischberger".

Allein im Januar hätten 20.000 Menschen in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Weltweit seien 114 Millionen Menschen auf der Flucht. An den Zahlen derjenigen, die nach Deutschland einreisen wollten, werde sich in diesem Jahr im Vergleich zu 2023 nichts ändern. "Noch so ein Jahr on top, immer noch mehr Menschen obendrauf, wird uns an die Grenzen dessen bringen, was überhaupt noch geht", fürchtet Wüst. Deswegen sei richtig zu prüfen, was seit dem letzten Ministerpräsidententreffen im November umgesetzt worden sei und was noch erreicht werden müsse. Im November sei von den Ministerpräsidenten und Kanzler Scholz eine große, parteiübergreifende Allianz beschlossen worden. Aber ein großer Teil der Beschlüsse sei nicht oder nicht mit ordentlicher Wirkung umgesetzt worden.

Dazu gehören laut Wüst Rückführungsabkommen mit Drittstaaten. Die Bundesregierung habe ein solches Abkommen mit Georgien ausgehandelt. Von dort kämen aber nicht so viele Flüchtlinge, jedenfalls nicht nach Nordrhein-Westfalen. Doch das sei, so Wüst, nicht das einzige Thema, bei dem es hakt. So sei verabredet worden, Frontex zu stärken. Wüst: "Kein Bild, kein Ton. Ich höre nichts davon." Zudem seien auch die langfristig wirkenden Aufgaben nicht angegangen worden. "Ich glaube, die Ampelkoalition will nicht, weil sie sich unglaublich schwertut miteinander", sagte der CDU-Politiker.

Will Hendrik Wüst Kanzler werden? Der CDU-Politiker ließ die Frage offen und erklärte: "Ich bin gerne Ministerpräsident, und in Nordrhein-Westfalen ist viel Arbeit." (Bild: WDR / Dirk Borm)
Will Hendrik Wüst Kanzler werden? Der CDU-Politiker ließ die Frage offen und erklärte: "Ich bin gerne Ministerpräsident, und in Nordrhein-Westfalen ist viel Arbeit." (Bild: WDR / Dirk Borm)

Wüst: Bundesregierung tut sich intern "immer wieder schwer"

Einiges sei aber doch passiert, warf Moderatorin Maischberger ein. 3,5 Milliarden Euro gingen vom Bund in die Kassen der Länder, Geflüchtete hätten erst nach 36 Monaten ein Anrecht auf Bürgergeld, Asylverfahren sollten beschleunigt werden, ein Rückführungsverbesserungsgesetz sei beschlossen worden. Und die Bezahlkarte für Flüchtlinge solle kommen.

Wüst zeigte sich auch hier nicht mit allem einverstanden. Die finanziellen Zuwendungen des Staates seien für Nordrhein-Westfalen zu gering. Und das Rückführungsverbesserungsgesetz führe dazu, dass jedes Jahr 600 Menschen zusätzlich abgeschoben werden sollen. Allein in Nordrhein-Westfalen kämen jedoch pro Jahr 5.000 neue Migranten an, davon 3.500 Asylbewerber. "Die Bundesregierung tut sich einfach intern immer wieder schwer bei solchen Dingen, die verabredet worden sind", sagte Wüst. So sei im November die Bildung einer breiten gesellschaftlichen Kommission beschlossen worden, die Vorschläge zur Verbesserung der aktuellen Situation ausarbeiten sollte. Erst am vergangenen Sonntag habe das Bundeskanzleramt mitgeteilt, wie diese Kommission zusammengesetzt werden solle. 17 Wochen sei nichts passiert.

Wüst spricht sich für "Ruandalösung" aus

Auch bei der sogenannten "Ruandalösung" sei es nicht vorwärts gegangen. Die Ruandalösung regelt, dass über Asylverfahren in einem Land außerhalb der EU verhandelt werden soll. "Wir verschließen die Augen davor, dass tausende Menschen jedes Jahr im Mittelmeer ertrinken. Das ist die Realität." Wüst ist für diese Regelung. Er könne sich auch nicht vorstellen, dass die Grünen ein Problem damit hätten, sagte der Politiker. Selbstverständlich müsse gewährleistet sein, dass die Asylverfahren in den Drittstaaten "nach unseren Regeln" abliefen.

Durch die "Ruandalösung" werde sich an den hohen Flüchtlingszahlen kurzfristig nichts ändern, gab Wüst zu. "Aber der Flüchtlingsdruck wird ja über Jahre und Jahrzehnte hoch bleiben. Wie immer bei komplizierten Dingen: Wenn's lange dauert, lauf jetzt los, kümmere dich jetzt drum. Und das ist eigentlich der Anspruch, den wir an die Bundesregierung haben. Daran müssen wir doch jetzt arbeiten."

Kanzlerfrage bleibt offen

Wenn schon einmal ein potenzieller Unionskanzlerkandidat in einer Talkshow ist, muss natürlich auch über diese Frage gesprochen werden. Wüst hat Ambitionen auf das Amt. Doch ob er sich schon zur kommenden Wahl in den Ring wirft, lässt er offen. Darüber solle im Herbst beraten werden, erklärte er. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sei ein guter Debattenredner, und er habe die Union wieder zusammengeführt, lobte Wüst und stellte klar: "Ich bin gerne Ministerpräsident, und in Nordrhein-Westfalen ist viel Arbeit."